Nikolai Aller steht in einer großen Halle mitten in Siershahn im Westerwald. Schwere Betonsäulen tragen die Decke. Hier sollen schon bald viele Cannabispflanzen wachsen. Vorher muss die Halle aber noch vorbereitet werden, es stehen Investitionen von mehreren hunderttausend Euro an: Etwa eine Kameraüberwachung, eine Lüftungsanlage oder spezielle Lampen.
"Jetzt haben wir endlich Planungssicherheit, da haben wir lange drauf gewartet", sagt Aller. Cannabis ist seine Leidenschaft. Seit 2017 konsumiert er medizinisches Cannabis, als Schmerztherapie wegen seines Brust-Wirbelsäulen-Syndroms. In den vergangenen Jahren hat er sich intensiv mit der Szene beschäftigt, war auf internationalen Messen und Veranstaltungen rund ums Thema Cannabis. Jetzt will er seine Leidenschaft zum Beruf machen.
Cannabisclub hat fast 500 Mitglieder
Der Cannabisclub "Woodfellaz" habe jetzt schon mehr als 470 Mitglieder, sagt Aller. Jeden Tag bekomme er bis zu 40 weitere Anfragen. Mehr als 500 Mitglieder darf der Club nicht aufnehmen. Die Mitglieder seien ein Spiegel der Gesellschaft. "Da sind Lehrer, Zahnärzte oder Schreiner dabei, das Durchschnittsalter liegt jenseits der 50", sagt Aller. Das älteste Mitglied sei 79 Jahre alt. Unter den Mitgliedern seien überraschenderweise nur wenige, die unter 21 Jahre alt seien.
Die Mitglieder können im Club pro Monat bis zu 50 Gramm Cannabis kaufen. Aber auch Samen oder junge Pflanzen, um sie zuhause selbst anzubauen. "Wir wollen als Club außerdem gemeinsame Ausflüge machen, um so die Gemeinschaft zu fördern", sagt Nikolai Aller.
Caritas-Suchtberatung in Koblenz zwiegespalten
Nicht ganz so euphorisch und eher zwiegespalten blickt der Leiter der Caritas-Suchtberatung in Koblenz, Can Depré, auf die bevorstehende Legalisierung von Cannabis. Bereits 18-Jährige können künftig Cannabis legal konsumieren. "Der menschliche Körper befindet sich aber noch bis mindestens Mitte 20 in der Entwicklungsphase, da kann der Konsum von Cannabis auch schaden", erklärt Depré.
Denn auch wenn Cannabis künftig legal ist, es bleibe eine psychoaktive Droge, die unter anderem Krankheiten wie Psychosen auslösen könne. Depré befürchtet zudem, dass jetzt mehr Menschen Cannabis ausprobieren und konsumieren werden. Und, dass somit auch mehr Menschen abhängig werden könnten und Hilfe benötigen. Im Bereich der Suchtberatung und Prävention gebe es aber jetzt schon einen Fachkräftemangel.
Konsumenten werden nicht mehr kriminalisiert
Positiv bewertet Can Depré hingegen, dass Cannabis jetzt entkriminalisiert wird. Und dass damit Cannabiskonsumenten in der Gesellschaft weniger stigmatisiert würden. Außerdem hofft Depré, dass durch den kontrollierten Anbau künftig weniger veruneinigtes Cannabis im Umlauf ist. Denn das könne zusätzlich der Gesundheit schaden.
Cannabisclub setzt auf Prävention und Jugendschutz
Auch der Cannabisclub im Westerwald ist sich der Risiken des Cannabis-Konsums bewusst. Der Club hat eine eigene Präventions- und Jugendschutzbeauftragte. "Sie ist Sozialpädagogin, konsumiert selbst kein Cannabis, ist aber Mitglied bei uns", erklärt Nikolai Aller. Der Club hat sich zudem bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Infomaterialen besorgt und erarbeitet gerade ein eigenes Schutzkonzept. "Am besten fängt man vom Alter her so spät wie möglich mit dem Konsum an", sagt Aller. Cannabis solle außerdem immer bewusst und nicht exzessiv konsumiert werden.