Die Flutkatastrophe im Juli 2021 hat auch das Ökosystem an der Ahr stark beschädigt. Ein gutes Maß dafür, wie sich die Natur von der Flut erholt, ist die Anwesenheit von wirbellosen Kleinstlebewesen im Flussbett, wie Würmern und Fliegenlarven. Sie stehen weit unten in der Nahrungskette und sind deshalb für das Überleben vieler weiterer Tierarten wichtig.
Vor der Flut habe es hier eine reiche Artenvielfalt gegeben, erzählt die Biologin Isabel Janke von der Hochschule Trier. Nach der Flut sei das Ökosystem zusammengebrochen, viele der kleinen Tierchen im Flussbett seien verschwunden.
Artenvielfalt stark beeinträchtigt
Janke ist Teil eines großen Forschungsprojekts der Hochschulen Koblenz und Trier sowie der Universität Koblenz. Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlerinnen kommt sie regelmäßig an die Ahr.
Um zu untersuchen, welche Lebensräume sich wie gut erholen, untersucht das Team unterschiedliche Stellen im Flussbett und entlang des Verlaufs der Ahr. Dafür wirbeln sie an mehreren Stellen den Boden auf und halten einen Kescher in die Strömung. So fangen sie kleine wirbellose Tiere wie Würmer, Schnecken und Insektenlarven - ein Zeichen dafür, wie gut sich das Ökosystem bereits von der Flut und ihren Folgen erholt hat.
Nährstoffe fördern Algenwachstum
Außerdem nimmt das Team Wasserproben und überprüft die Wasserqualität, die eng mit dem Wohlergehen der kleinen Tierchen zusammenhängt. Dazu gehören auch Nährstoffe wie Phosphat, Ammonium und Nitrat. Sie fördern das Wachstum von Algen und stammen aus den Abwassersystemen, die von der Flut stark beschädigt wurden, erklärt die Doktorandin Fabienne Göbel von der Universität Koblenz: "Dadurch ist ungeklärtes Abwasser in die Ahr eingeleitet worden. Und dadurch auch sehr viele Nährstoffe, die in diesen Abwassern vorhanden sind."
Der Hochwasser-Blog für RLP Neue Brücke über die Kyll freigegeben
In den von der Flutkatastrophe zerstörten Regionen in Rheinland-Pfalz läuft der Wiederaufbau. Viel ist geschafft, viel ist noch zu tun. Hier die aktuelle Lage.
Beobachtung über mehrere Jahre
Das Projekt ist zunächst auf sechs Jahre angelegt - noch steht das Team ganz am Anfang. Alle zwei Wochen fährt Fabienne Göbel an die Ahr und überprüft die Wasserqualität. Veränderungen im Zuge der Wiederaufbaumaßnahmen können so schnell erfasst werden, so Göbel: "Zum Beispiel, wenn Erdarbeiten stattfinden, um eine neue Brücke zu bauen. Dann kann das schnell zu Trübungen führen oder es können Nährstoffe oder Schadstoffe wieder freiwerden, die sich bei der Flut dort angelagert haben."
Ein zu hoher Nährstoffgehalt kann für die Gewässerorganismen schnell schädlich werden. Denn wenn viele Algen wachsen und von Bakterien zersetzt werden, sinkt der Sauerstoffgehalt. Das Gewässer kippt - mit entsprechenden Folgen für die Tierwelt.
Wasserqualität und Artenvielfalt hängen zusammen
Im Labor am Umweltcampus Birkenfeld der Hochschule Trier wird deshalb mehrmals im Jahr ausgewertet, wie viele der wirbellosen Kleinstlebewesen sich in den aufgewirbelten Proben aus dem Flussbett befinden. Dabei spielt auch deren Art eine Rolle - denn daraus lassen sich Rückschlüsse über die Wasserqualität ziehen, erklärt die Doktorandin Sophia Sonak von der Hochschule Trier: "Die einzelnen Arten sind natürlich sehr an ihre Lebensumwelt angepasst. Das heißt, wenn wir bestimmte Arten vorfinden, sind die Indikatoren für eine besonders gute Gewässerqualität, weil sie zum Beispiel nur mit sauerstoffreichem Wasser zurechtkommen."
Erste Ergebnisse zeigen: Einige der Würmer und Insektenlarven haben bereits ihren Weg zurück in die Ahr gefunden - vor allem in weiter höher gelegenen Abschnitten.
Erkenntnisse auch für andere Flüsse nutzen
Ziel des Projekts ist es außerdem, Empfehlungen zu machen, wie Wiederaufbau und Naturschutz bestmöglich vereint werden können. Dabei werden auch andere Extremwetterereignisse berücksichtigt, so Sonak. Beispielsweise, wenn in Zukunft durch den Klimawandel mehr Trockenheit herrsche. Dann sei es wichtig dafür zu sorgen, dass eine Restrinne erhalten bleibe, in der weiterhin Wasser fließt. Nur dann könnten Arten, die auf Wasser angewiesen sind, überleben.
Die Erkenntnisse des Projekts sollen dabei exemplarisch für den Naturschutz in Mittelgebirgsflüssen stehen. Auch der Naturschutz an anderen Flüssen als der Ahr könnte also von der Arbeit der vier Wissenschaftlerinnen profitieren.