Prof. Marcus Höreth von der Uni Kaiserslautern, sitzt in seinem Büro am Schreibtisch, hinter ihm und an der Seite der Wand stehen Bücherregale. (SWR)

Interview zu den Wahlergebnissen im Westen der Pfalz

Politik-Professor der Uni Kaiserslautern analysiert Kommunalwahl

Stand
Autor/in
Christina Fleischanderl

Nach den Kommunalwahlen folgt die Analyse der Ergebnisse. Marcus Höreth, Professor für vergleichende Regierungslehre und Innenpolitik an der RPTU in Kaiserslautern, hat mit dem SWR über die Verlierer und Gewinner dieser Kommunalwahl gesprochen.

SWR Aktuell: Herr Prof. Höreth, vor allem für etablierte Parteien hat diese Kommunalwahl Verluste gebracht. Beispielsweise im Stadtrat Kaiserslautern. Dort hat die SPD drei Mandate verloren, während die AfD sie fast verdoppeln konnte, wie bewerten Sie diesen Trend?

Professor Marcus Höreth: Bei den Stadtratswahlen sehen viele Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit, die etablierten Parteien abzustrafen. Man ist ganz offensichtlich mit der SPD nicht zufrieden gewesen. Mit der CDU aber auch nicht wirklich, sodass man ihr keinen größeren Erfolg gegönnt hat. Deshalb hat man diese Parteien etwas weniger stark gewählt. Aber man muss natürlich insgesamt sehen, dass die AfD nur ein Fünftel der Sitze beispielsweise jetzt im Stadtparlament in Kaiserslautern einnimmt, sodass die anderen Parteien, die eine vernünftige, seriöse Stadtpolitik machen wollen, nicht daran gehindert sind, eben dieses zu tun.

SWR Aktuell: Werden wir von der AfD zukünftig auch mehr auf kommunaler Ebene hören?

Professor Marcus Höreth: Es kann natürlich sein, dass die AfD versucht, sich auch etwas konstruktiver in die Stadtpolitik einzubringen. Aber es wird nicht vom Willen der AfD abhängig sein, welche Entscheidungen getroffen werden. Da sind es insbesondere die SPD, die CDU und die Grünen, die ja eine satte Mehrheit im Kaiserslauterer Stadtrat haben, von denen die Geschicke der Stadt abhängig sind.

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SWR Aktuell: Es zeigt sich in der Westpfalz, wie bei vielen Wahlen zuvor auch schon, ein deutlicher Unterschied zwischen dem Wahlverhalten von Briefwählern und den Leuten, die ihre Stimme persönlich abgegeben haben. Was sind denn die Gründe dafür?

Professor Marcus Höreth: Wir wissen aus der empirischen Wahlforschung, dass der Anteil der überdurchschnittlich gebildeten und einkommensstarken Wählerinnen und Wählern bei der Briefwahl sehr viel stärker ist, als bei der Urnenwahl. Und wir wissen aufgrund der Ergebnisse, die man dann sieht, dass die AfD bei den Briefwählern auch weniger Chancen hat. Das mag möglicherweise auch daran liegen, dass einige Anhängerinnen und Anhänger der AfD der Auffassung sind, dass bei der Briefwahl ja möglicherweise geschummelt wird. Da gibt es ja verschiedene Verschwörungstheorien, die ihren Ursprung in den USA haben.

SWR Aktuell: Hat Ihrer Meinung nach auch der Vorfall in Mannheim, bei dem ein Polizist getötet wurde, Auswirkungen auf das Wahlverhalten bei dieser Kommunalwahl gehabt?

Professor Marcus Höreth: Das ist ganz schwer zu beurteilen. Aber man muss schon annehmen, dass solche Taten Einfluss haben können auf das Wahlverhalten. Insbesondere bei Wählerinnen und Wählern, die das Gefühl haben, dass Deutschland ein Problem mit der inneren Sicherheit hat. Das wird natürlich noch mal verschärft durch solche Vorfälle. Da kann man dann vor allem bei jungen Wählern feststellen, dass die sich dadurch dazu veranlasst gesehen haben, die AfD zu wählen. Da die Partei mit ihrer Politik im Bereich der Migration für diese Wähler vielleicht auch die überzeugendsten Argumente geliefert hat.

Dort, wo soziale Brennpunkte nicht existieren - wie eben auf dem Land - scheint auch die Neigung, etablierte Parteien wie CDU, SPD, Grüne und FDP zu wählen, etwas stärker ausgeprägt zu sein.

SWR Aktuell: Bei der Kommunalwahl in der Westpfalz war die Wahlbeteiligung auf dem Land tendenziell höher als in den Städten, wie veröffentlichte Zahlen des Landes zeigen. Beispielsweise liegt die Wahlbeteiligung für Kreistage bei circa 70%, während in den Städten wie Pirmasens oder Kaiserslautern nur etwas über die Hälfte der Wahlberechtigten auch wählen gegangen ist. Woran liegt das?

Professor Marcus Höreth: Also ich glaube, dass in den Städten die sogenannten sozialen Brennpunkte existieren, die auf dem Land in dieser Form eben nicht bestehen. Als Beispiel kann man den Wahlbezirk Kaiserslautern West nehmen. Da gibt es zum einen eine geringe Wahlbeteiligung und zum anderen eine starke Präferenz für die AfD. Also man kann den Zusammenhang da ganz gut erkennen. Dort, wo soziale Brennpunkte nicht existieren - wie eben auf dem Land - scheint auch die Neigung, etablierte Parteien wie CDU, SPD, Grüne und FDP zu wählen, etwas stärker ausgeprägt zu sein. Möglicherweise funktionieren auch Traditionen auf dem Land besser als in der Stadt. Also eine dieser Traditionen ist ja, dass man das Wählen als eine Bürgerpflicht betrachtet.

SWR Aktuell: Wie sieht Ihre Prognose für das Wahlverhalten in der Westpfalz in den kommenden Jahren aus?

Professor Marcus Höreth: Bei der Kommunalwahl ist es ja nach wie vor so, dass es wichtig ist, dass die verschiedenen Parteien Persönlichkeiten an den Start bringen. Und da mache ich mir natürlich ein bisschen Sorgen, weil das Ansehen der kommunalpolitischen Entscheidungsträger zu sinken scheint. Und das ist wirklich misslich, denn Demokratie beginnt ja genau dort. In der Kommune findet Demokratie so statt, dass die Bürgerinnen und Bürger das auch unmittelbar spüren können, während Bundespolitik oder gar Europapolitik doch sehr abgehoben ist und sehr bürgerfern. Es wäre wünschenswert, dass Demokratie auf kommunaler Ebene nicht nur ein Projekt für die höhere Bildungsschicht ist, sondern, dass viele Menschen sich ermutigt sehen, in der Kommunalpolitik Verantwortung anzustreben oder wenigstens wählen zu gehen.

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