Leonie Winkler aus der Südwestpfalz ist gelernte Pflegefachfrau. Sie arbeitet aber nicht nur in einem Seniorenheim, sondern gleich in mehreren. Manchmal auch in einem ganz anderen Bereich, zum Beispiel in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Wenn irgendwo Not am Mann ist, wird die junge Pflegerin angerufen und dort unterstützt sie dann. Mal für eine Woche, mal für mehrere Monate.
Bis zu 1.000 Euro mehr im Monat
Leonie Winkler ist eine sogenannte Leasingkraft, also eine Leiharbeiterin. Sie ist seit über zwei Jahren bei einer Agentur festangestellt und wird von dort aus an verschiedene Einrichtungen "verliehen", die Unterstützung brauchen. Eine Entscheidung, die sie nicht bereut. Denn für sie überwiegen klar die Vorteile. Zum einen wäre da die deutlich bessere Bezahlung. Laut mehreren Pflegeverbänden können das zwischen 500 und 1.000 Euro netto mehr im Monat sein – teilweise sogar noch mehr.
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Firmenwagen, flexible Arbeitszeiten und Urlaub
Leonie Winkler hat außerdem einen Firmenwagen und Mitspracherecht beim Dienstplan – sie kann sich also Urlaub nehmen, wann sie möchte: "Ich habe mir dieses Jahr die Freiheit genommen, über Weihnachten freizunehmen, weil ich nach sechs Jahren Dienst über Weihnachten, gerne auch mal daheim wäre." In Einrichtungen, in denen sie bisher festangestellt war, sei das bislang nicht möglich gewesen. Sie sagt aber auch, Zeitarbeit ist nicht für alle etwas: "Wer nicht flexibel ist, für den ist die Zeitarbeit nichts. Man muss die Vielfalt im Job lieben. Ich muss eben dort hin, wo ich gebucht werde." Bisher habe die Pflegerin überwiegend positive Erfahrungen gesammelt.
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Stiftung aus Otterbach übt Kritik
Hans Josef Börsch ist unter anderem Vorstand der Franziskus Stiftung für Pflege mit Sitz in Otterbach im Kreis Kaiserslautern. Die Frage, ob es aktuell ohne Pflege-Leiharbeiter in Rheinland-Pfalz geht, beantwortet er mit einem "klaren Nein". Dennoch sieht die Stiftung das Konzept kritisch. "Die Leasingkräfte haben keinerlei Identifikation mit der Einrichtung, mit dem Träger und auch nicht mit dem Umfeld", so Börsch. Gerade Senioren bräuchten Bezugspersonen. Weil die Zeitarbeitskräfte mehr verdienen, kämen außerdem auch deutlich höhere Kosten auf die Einrichtungen zu. Leasingkräfte sind also flexibler und bekommen mehr Gehalt - da könne es zu Unzufriedenheit in der eigenen Belegschaft kommen, erzählt Börsch.
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Welche finanziellen Folgen das haben kann, zeigt ein Beispiel aus Limburgerhof im Rhein-Pfalz-Kreis. Dort schließt im Juni kommenden Jahres der Altbau des Caritas-Altenzentrums St. Bonifatius. Unter anderem weil die Einrichtung in Speyer zu wenig Mitarbeiter hat, so die Caritas. Personallücken mussten demnach immer wieder mit Leasingpersonal gefüllt werden. Das Altenzentrum könne nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. "Je Leasingkraft bedeutet das im Vergleich zu eigenem Personal die doppelten Kosten", sagt der Caritasdirektor Vinzenz du Bellier, der wie auch andere Verbände, sogar ein Verbot des Modells fordert.
Schuld sind nicht die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter
Pflegefachpersonen in Zeitarbeit – wie Leonie Winkler aus der Südwestpfalz - sind laut des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe aber nicht schuld an der Problematik. "Sie haben lediglich einen Weg gesucht, ihrem Beruf unter für sie akzeptablen Arbeitsbedingungen nachgehen zu können", heißt es in einer Stellungnahme. Dieselben Einrichtungen, die nach "einer Eindämmung der Leiharbeit rufen", hätten oft jahrelang nichts oder zu wenig für die Mitarbeiterbindung im eigenen Unternehmen getan.
Ähnlich sieht das auch Hans Josef Börsch von der Franziskus Stiftung für Pflege: "Ich glaube, als erstes müssen wir die Rahmenbedingungen verbessern." Er fordert auch, dass künftig Pflegende ein Studium absolvieren müssen, dadurch würde der Beruf an Attraktivität gewinnen. Sein Appell an die Heime: "Als Arbeitgeber muss ich mich fragen, warum ich das Geld, was ich in Leasingkräfte investiere, nicht in meine Mitarbeiter investiere und ich muss über die Reduktion von Heimbewohnern und Patienten nachdenken."
Schränkt die Bundesregierung die Leiharbeit ein?
Der Bundesrat hat Anfang dieses Jahres die Regierung aufgefordert, die Leiharbeit in der Pflege einzudämmen. Dieses Vorhaben stieß allerdings auf Kritik – beispielsweise vom Gesamtverband der Personaldienstleister. Im Jahr 2023 sank laut des Verbands die Zahl der beschäftigten Zeitarbeitskräfte in der Pflege auf 32.368 Personen. Damit betrage ihr Anteil an allen Beschäftigten nur 1,8 Prozent. In Rheinland-Pfalz ist allerdings eine leichte Tendenz nach oben zu beobachten. Im vergangenen Jahr arbeiteten nach Angaben der Agentur für Arbeit 1.534 Leiharbeiter in der Pflege. 2022 waren es noch 1.309 Zeitarbeiter. Für den aktuellen Zeitraum zählt die Arbeitsagentur schon 1.478 Menschen.
Anmerkung der Redaktion: Die Pflegerin wollte anonym bleiben. Der Name wurde daher geändert.