"Ich hätte nie gedacht, dass man innerhalb weniger Minuten in so einer Gefahr ist." Es war ein Samstagnachmittag, an den sich Bärbel Rhein, erste Beigeordnete (parteilos) in Finkenbach-Gersweiler im Donnersbergkreis, zurückerinnert. Sie war zur Moschel hinuntergegangen, dem Bach, von dem das Tal im Donnersbergkreis seinen Namen hat. Unterhalb ihres Hauses war die sonst friedlich dahinplätschernde Moschel schon zu einem breiten Fluss an diesem Tag geworden.
Ein paar Augenblicke später steigt sie zu Hause die Kellertreppen hinunter. Sie will noch schnell sichergehen, dass das Wasser, das bald kommen wird, auch wieder gut abfließen kann. Und dann passiert es. Wassermassen, die plötzlich von überall herkommen, heben Türen aus den Angeln, zerschmettern Fensterscheiben und bald steht der ganze Keller fast eineinhalb Meter unter Wasser – mittendrin Bärbel Rhein – eingeklemmt zwischen zwei Türen. "Plötzlich kam das Wasser auch aus den Schlüssellöchern und innerhalb von einer Viertelstunde waren wir total abgesoffen", erzählt sie. Ohne die Hilfe ihres Mannes hätte es auch schlimmer ausgehen können, meint Rhein. "Wenn das Wasser höher gestiegen wäre, hätte ich keine Chance gehabt."
Die Ortsbürgermeisterin von Finkenbach-Gersweiler, Eva Schlemmer (parteilos), erinnert sich, wie fassungslos alle waren. Bei einem Rundgang im Dorf erzählt sie mir, dass Keller und Wohnungen innerhalb kürzester Zeit voll mit Wasser gelaufen waren - teilweise später nicht mehr bewohnbar. Was sie aber nie mehr vergessen wird: den Zusammenhalt danach. "Alle haben geholfen und etwas gespendet, sei es Essen, Getränke oder Zeit."
"Das war wie in einem schlechten Katastrophenfilm"
Auch bei meinem Besuch in Ransweiler im Moscheltal, vier Kilometer entfernt von Finkenbach-Gersweiler, ist dieser Tag der jetzigen Bürgermeisterin Katharina Weber (parteilos) noch lebhaft in Erinnerung. Sie war damals erst neu in den Ort gezogen. "Das war wie in einem schlechten Katastrophenfilm", sagt sie zehn Jahre später. Noch immer hat sie die Bilder vor Augen wie Menschen ihre Tiere aus den Wassermassen retten und Autos einfach davonschwimmen. "Das kann man sich nicht vorstellen, wenn man nicht dabei gewesen ist", meint sie kopfschüttelnd.
Ich gehe mit ihr durch den kleinen Ort. Vor allem die Häuser links und rechts des Ransenbaches, der durch den Ort fließt, hat es damals hart getroffen. In einem Haus hat das Wasser ein großes Scheunentor niedergerissen. Insgesamt hat das Hochwasser 2014 im Moscheltal Schäden in Millionenhöhe verursacht. Tote oder Schwerverletzte gab es glücklicherweise keine.
Ins Gedächtnis eingebrannt: Die Flut im Moscheltal
Torsten Schlemmer hat damals in der Ortsgemeinde Waldgrehweiler im Moscheltal den Einsatz der Feuerwehr geleitet. "Zuerst kam das Hochwasser und dann etwas später eine große Flutwelle, die wir so bisher nicht erlebt hatten." Nach dieser Flutwelle stand die gesamte Ortsmitte von Waldgrehweiler unter Wasser, erzählt Schlemmer. Genau dort, wo auch die zwei Gewässer, Moschel und Ransenbach, aufeinandertreffen.
Ich frage ihn, ob man im Ort, zehn Jahre später, besser gewappnet sei für so ein Hochwasser. Seine ernüchternde Antwort lautet: "Es würde wieder genauso ausgehen." Einzig die Leute, die nah am Wasser leben würden, hätten jetzt privat vorgesorgt und würden beispielsweise auch Sandsäcke zu Hause lagern. Dasselbe höre ich so ähnlich auch in den Nachbarorten.
10 Jahre danach - wie sieht der Hochwasserschutz im Moscheltal aus?
Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nordpfälzer Land, Michael Cullmann (SPD), erklärt mir, dass an ein paar Stellen im Moscheltal in den vergangenen zehn Jahren auch etwas für den Hochwasserschutz gemacht wurde. Beispielsweise wurde eine Brücke in Ransweiler so umgebaut, dass man sie heute bei Hochwasser zur Seite klappen könnte. Dadurch kann Treibgut das Bachbett dort nicht mehr so leicht verstopfen, erklärt Cullmann.
Andere Maßnahmen wie beispielsweise Treibgutfänger vor Waldgrehweiler seien geplant, bestätigen der Verbandsbürgermeister und auch das rheinland-pfälzische Umweltministerium. Dafür habe man auch Förderanträge eingereicht bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd.
Warum seit 2014 nicht mehr passiert sei? Cullmann erklärt, das liege einerseits an den langsamen, bürokratischen Strukturen. Andererseits hätten die Corona-Jahre vieles verzögert. Hinzu komme, dass seit der Flut im Ahrtal die SGD dort Hochwasserschutzmaßnahmen priorisiere. Das könne er verstehen. "Bei uns war das ja auch keine Situation mit vielen Toten." Um Schutzmaßnahmen umzusetzen brauche es aber die Förderungen der SGD, sagt Cullmann. So hart es klingt: Für die zuständige Behörde müssen die Kosten und der daraus entstehende Schutz für die Menschen im Moscheltal auch wirtschaftlich sein.
Was sich geändert hat, so der Verbandsbürgermeister: Seit dem Jahrhunderthochwasser sei man aufmerksamer geworden, was Gegenstände betrifft, die nahe am Wasser gelagert werden. "Wir sagen den Anwohnern auch, dass sie nichts am Gewässer lagern sollen. Keine Heuballen oder auch Gartenmöbel. Das war ja damals auch ein Problem."
"Die Ruhe haben sie nie mehr"
Das Jahrhunderthochwasser im September 2014 im Moscheltal hat seine Spuren hinterlassen. Und das nicht nur bei den Betroffenen. An einigen Hauswänden erkennt man noch heute wie hoch das Wasser einmal in den Straßen stand. Bei jedem Starkregen ist Bärbel Rhein aus Finkenbach-Gersweiler seitdem in Alarmbereitschaft. "Die Ruhe haben sie nie mehr", sagt sie. "Nachts ruhig schlafen, wenn so ein Gewitter gemeldet ist, das geht gar nicht mehr."