Wer sein Bad neu fliesen lassen oder Parkett im Haus verlegen lassen will, der muss erstmal eines tun: warten. Laut Zentralverband des Deutschen Handwerks fehlen derzeit bundesweit 250.000 Mitarbeiter. Der Personalmangel hat Folgen: Durchschnittlich liegt die Wartezeit, bis ein Auftrag begonnen werden kann, bei knapp neun Wochen. Es können aber auch deutlich mehr sein. Wie lassen sich also am besten neue Fachkräfte fürs Handwerk anwerben? Ein Thema, das auch auf der Internationale Handwerksmesse, die heute in München beginnt, heiß diskutiert werden dürfte. Ein Interview mit Rita Petry, Geschäftsführerin der Handwerkskammer Pfalz.
SWR Aktuell: Einige Betriebe zahlen inzwischen deutlich mehr als die branchenüblichen Gehälter und Tarife, um gute Fachkräfte zu gewinnen und an ihren Betrieb zu binden. Ist das eine Strategie, die aufgeht?
Rita Petry: Ich denke, eine gerechte Bezahlung ist ganz wichtig, aber darüber hinaus muss noch viel mehr beachtet werden. Nämlich, dass man zum Beispiel im Handwerk besonders gute Löhne verdienen kann - wenn ich überlege, dass ein Meister im Lebenseinkommen fast gleich aufliegt mit einem durchschnittlichen Akademiker. Dass die Arbeitsplätze im Handwerk sicher sind. Das sind Dinge, die transportiert und die bekannt gemacht werden müssen.
SWR Aktuell: Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist Geld ja auch nicht alles, sie möchten zum Beispiel mehr Freizeit. Einige Handwerksbetriebe haben deshalb schon jetzt eine Vier-Tage-Woche eingeführt. Könnte das auch ein Modell für die Zukunft im Handwerk allgemein sein?
Rita Petry: Die Vier-Tage-Woche ist sicherlich für das Handwerk auch eine Möglichkeit. Aber darüber hinaus sollte man hier dran denken, dass man die Arbeitszeit generell beachten muss. Nicht nur die tägliche Arbeitszeit, sondern auch die wöchentliche Arbeitszeit. Es muss ja nicht so sein, dass man unbedingt die Vier-Tage-Woche einführt. Es kann auch sein, dass man am Tag mehr arbeitet, aber dafür der ein oder andere Mitarbeiter freitags frei haben könnte. Es muss nicht komplett der Betrieb geschlossen werden, sondern besser auf die Woche verteilt werden. Und da würde eine Änderung am Arbeitszeitgesetz schon sehr gut helfen.
"Zwei Minuten": Die Kolumne zum Wochenende Meinung: Vier-Tage-Woche macht glücklich!
"Honig fängt mehr Fliegen als Essig", heißt es. Anders gesagt: Gesunder Pragmatismus führt mitunter weiter als die ausgefeilteste Ideologie - meint Pascal Fournier.
SWR Aktuell: Wäre dann nicht das Problem, dass man eventuell noch länger auf einen Handwerker warten muss, wenn sie dann nur vier Tage arbeiten?
Rita Petry: Die übliche Zeit, die man auf einen Handwerker wartet, die wird dadurch wahrscheinlich nicht geändert. Aber ich denke, wenn man täglich etwas variieren kann, dann ist schon vieles möglich.
SWR Aktuell: Für viele Beschäftigte sind inzwischen ja auch Dinge wie Homeoffice und auch schon immer eine geregelte Kinderbetreuung wichtig. Beides ist gerade in kleinen Handwerksbetrieben schwierig. Was gibt es da für Alternativen, was man den Arbeitnehmern anbieten kann?
Rita Petry: Dadurch, dass das Handwerk sehr individuell ist mit seinen kleinen Betrieben, hat es schon oft Lösungen gefunden, wenn mal jemand das Kind im Kindergarten abholen muss oder wenn das Kind erkrankt und jemand nach Hause geht. Ich denke, da ist das Handwerk schon sehr gut aufgestellt. Mittlerweile ist es so, dass viele Betriebe schon viele digitale Tätigkeiten durchführen. Zum Beispiel, wenn ich an das Kaufmännische denke oder planerische Tätigkeiten am Computer. Da weiß ich auch schon von Betrieben, die sagen: Wir können schon den größten Teil der Arbeitszeit ins Homeoffice verlegen, weil wir das eben am Computer planen können. Natürlich kann ich nicht im Bau, wenn ich ein Bauwerk bauen muss, im Homeoffice sein. Aber die planerischen Tätigkeiten kann ich auch im Homeoffice erledigen.
SWR Aktuell: Eine sehr kreative Idee für eine Job-Anzeige hatte zum Beispiel ein Glaser in Niedersachsen. Er hatte auf Facebook ein Video gepostet, in dem er in voller Montur eine Glasscheibe zersplittern ließ. Das Video wurde mit drei Millionen Klicks zum Hit und er hat innerhalb von zehn Tagen 34 Bewerbungen bekommen. Braucht es mehr solche originellen Ideen oder ist das nicht der richtige Weg?
Rita Petry: Ich glaube, originelle Ideen sind schon wichtig, weil man auch als Handwerker oder als Handwerksbetrieb auf sich aufmerksam machen muss. Und ich glaube, das haben auch viele Handwerker schon erkannt. Viele Handwerksbetriebe sind auch auf den Sozialen Medien unterwegs und bewerben dort auch ihre Ausbildungs- oder ihre Arbeitsstellen. Die Kreativität hat da schon Einzug erhalten und das versucht man natürlich auch über andere Möglichkeiten. Zum Beispiel auf Messen oder wenn wir als Handwerkskammer mit unserem Berufsorientierungsmobil in die Schulen fahren. Wir versuchen mit interessanten und auch pfiffigen Ideen das Handwerk zu präsentieren und darauf aufmerksam zu machen.
SWR Aktuell: Wenn wir auf den demografischen Wandel schauen, dann ist klar: Es wird in Zukunft vermutlich in Zukunft immer weniger Bewerber geben wird. Heißt es im Umkehrschluss, dass potenzielle Azubis auch immer mehr fordern können im Handwerk zukünftig?
Rita Petry: Man hat ja hier kein Wettrennen oder einen Wettbewerb, wer bietet hier das meiste? Ich denke, wenn man sich für das Handwerk entscheidet, dann entscheidet man sich bewusst dafür. Wenn ich ein Studium eingehe, dann weiß ich oftmals während des Studiums nicht, was mich am Ende für ein Berufsleben erwartet. Ein Handwerker hat die Möglichkeit ein Praktikum zu machen. Er kann den Beruf kennenlernen und entscheidet sich bewusst dafür. Nicht umsonst hat man mit einer IKK-Krankenkasse-Studie festgestellt, dass 80 Prozent der Handwerker sagen, dass sie sehr glücklich in ihrem Beruf sind.