Unzählige Male habe er bei seinen Einsätzen auch Gewalt erlebt, erzählt Max-Peter Weber, der Chef der Notaufnahme im Städtischen Krankenhaus Pirmasens. So habe ein Patient, der mit seiner Diagnose unzufrieden gewesen sei, erst ihn selbst in eine Ecke geschubst und dann eine Glastür und einen Spiegel zerstört.
Ellen Griesch, pflegerische Leiterin der Notaufnahme in Pirmasens, ist vor allem ein Fall im Gedächtnis geblieben: Ein Vater glaubte, seiner Tochter werde nicht schnell genug geholfen und habe sie bedroht: "Wenn du jetzt nicht sofort den Doktor rufst, dass der meiner Tochter helfen kann, dann sehen wir uns draußen." Dabei habe sie der Tochter längst geholfen.
Gewalt als Alltag
Sie würden bespuckt, gekratzt und gebissen. Das sei aber normal und werde gar nicht mehr als Gewalt angesehen, erklärt Weber: "Wenn jetzt jemand plötzlich geschlagen wird, das würden wir als Gewalt bezeichnen. Zum Rest sagen wir Alltag."
Im Team werde intensiv zusammengearbeitet - und über die Extremfälle auch viel gesprochen. Die Pflegekräfte versuchten, Verständnis für die Patienten aufzubringen, weil diese sich in Extremsituationen befinden. "Das ist auch ein Schutzmechanismus", sagt Griesch. "Manchmal hilft es, manchmal nicht."
Als Gründe für die Gewalt durch die Patientinnen und Patienten geben die Pflegenden immer wieder vor allem zwei Punkte an: eine Verrohung der Gesellschaft und hoher Alkoholkonsum. Auch Weber bestätigt, die meisten der extremen Vorfälle passierten nachts - unter Alkoholeinfluss.
Gewalttaten werden nur allgemein erfasst
Statistisch erfasst werden solche Vorfälle bislang nur sehr allgemein. In der Polizeilichen Kriminalstatistik des Landeskriminalamts (LKA) Rheinland-Pfalz gibt es lediglich die Rubrik "Fälle von Straftaten in Krankenhäusern".
Eine genaue Zahl, wie viele gewalttätige Angriffe es von Patienten auf Pflegepersonal in Rheinland-Pfalz gibt, hat das LKA nicht.
"Aggressive Patienten und lange Wartezeiten"
Das Aggressionspotenzial innerhalb der Bevölkerung sei spürbar gestiegen, sagt Andrea Bergsträßer, Pflegedirektorin der Westpfalzklinik in Kaiserlautern und Vizepräsidentin der Landespflegekammer. Das werde noch befördert durch die schwierige Situation im Gesundheitswesen. Gerade in Notaufnahmen führe das dann dazu, "dass die Menschen, die lange warten müssen, noch aggressiver werden".
Landespflegekammer fordert ein Meldesystem
Bergsträßer will aber auch, dass gewalttätige Vorfälle gegenüber Medizinern und Pflegenden mehr Aufmerksamkeit bekommen. Eine Befragung der Landespflegekammer in Notaufnahmen habe ergeben, dass sich nur jede zehnte Person, die dort arbeite, ausreichend auf Gewaltvorfälle vorbereitet fühle.
Deshalb fordert die Landespflegekammer ein reguläres Meldesystem für solche Vorfälle. Außerdem müsste den Mitarbeitenden im Gesundheitswesen "ein größeres Sicherheitsgefühl vermitteln werden" - etwa Wachdienste, Überwachungskameras oder Notknöpfe. Das müsse das Land bezahlen.
Ministerium sieht Verantwortung bei den Kliniken
Auch das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium ist sich der Problematik offenbar bewusst. "Das Thema 'Gewalt gegen Pflegekräfte' darf nicht in der Tabuzone landen und natürlich müssen Delikte dieser Art angemessen und konsequent bestraft werden, denn unser Gesundheitssystem braucht eine sichere Umgebung", antwortet Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) auf eine entsprechende Anfrage des SWR.
Dabei sieht sich das Ministerium aber nicht in der Pflicht. "Generell obliegt es den Krankenhäusern als Arbeitgeber im Leitbild ihrer Einrichtung den Schutz der Beschäftigten vor Gewalt und Aggression zu verankern und unterschiedliche Maßnahmen zu ergreifen", so das Gesundheitsministerium.