"Als im Januar dann eine meiner Mitarbeiterinnen kündigen wollte, musste ich was tun", sagt Regina Mayer-Berger. Auf der Homepage der Kaiserslauterer Hausärztin steht jetzt ein Hinweis in Rot: Darin bittet sie um Respekt und Höflichkeit gegenüber dem Praxispersonal. Wenn sich Patienten daran nicht hielten, würden sie der Praxis verwiesen. Was steckt dahinter?
Hausärztin aus Kaiserslautern: Ton sei seit Corona schärfer geworden
Ungeduld, Egoismus und Aggressionen von Seiten der Patienten hätten in den vergangenen Jahren – insbesondere seit der Corona-Pandemie – zugenommen, ist sich Mayer-Berger sicher. Vom "unverschämten Ton" gegenüber dem medizinischen Personal in der Praxis würden auch viele ihrer Kollegen berichten. "Die Patienten lassen bei uns ihren Frust ab", so die Hausärztin.
Dazu kämen regelmäßig Respektlosigkeiten gegenüber jungen Mitarbeiterinnen. Ob diese "nur Kaffee trinken" würden, "unfähig" seien, wenn eine Mail oder ein Anliegen in der Praxis nicht sofort bearbeitet wird. "Wir hatten schon Situationen, wo wir einen Notfall in der Praxis hatten und einem Patienten auf dem Boden Zugänge legen mussten. Da drängte sich tatsächlich ein anderer Patient dazwischen und verlangte, dass wir ihm ein Rezept ausstellen", so Mayer-Berger fassungslos.
Mitarbeiterin der Arztpraxis in Kaiserslautern wollte kündigen
Noch ungläubiger habe sie geguckt, als sie eines Tages selbst in ihrer Praxis zusammengebrochen ist und vom Rettungsdienst auf einer Liege weggebracht werden musste. Da hätten ihr sogar noch Patienten Rezepte zum Unterschreiben hingehalten, als sie schon auf der Liege lag.
Das Fass zum überlaufen habe ein Telefonat im Januar gebracht. Eine Mitarbeiterin habe einem Patienten einen Termin absagen müssen. Das habe den Patienten so in Rage versetzt, dass die Mitarbeiterin nach dieser Schimpftirade kündigen wollte. "Ich muss meine Mädels sehr stärken", sagt die Hausärztin. Letztlich habe die Mitarbeiterin ihre Kündigung zurückgezogen. "Ich habe sie ins Büro gesetzt, damit sie erstmal von der Front weg ist." Mit "Front" meint die Ärztin den Empfang ihrer Praxis.
Mehrere Ärzte bitten ihre Patienten um mehr Respekt
Mayer-Berger ist nicht die einzige, die sich dazu genötigt fühlt, online einen Appell an ihre Patienten zu richten und Hinweise in ihrer Praxis in der Lauterer Innenstadt aufzuhängen. Auch auf der Homepage einer anderen Hausarztpraxis in Kaiserslautern ploppt in Rot ein solcher Hinweis auf.
Hausärztin Mayer-Berger hat in zehn Jahren Praxisgeschichte bisher drei Mal respektlose Patienten der Praxis verwiesen. Sie würde es nötigenfalls auch wieder tun.
Hausärzteverband in Rheinland-Pfalz: Erwartungshaltung gestiegen
Den Eindruck, dass die Erwartungshaltung von Patienten seit der Pandemie gestiegen ist, teilt auch der Hausärzteverband Rheinland-Pfalz auf Anfrage. Die Digitalisierung habe dazu geführt, dass Patienten ihre Rezept-Wünsche an die Praxen mailen und dann erwarten würden, dass diese sofort bearbeitet werden.
"Dies kann insbesondere zu Wochenbeginn in den Hausarztpraxen eine dreistellige Zahl an vorliegenden Rezeptbestellungen für einen Montag bedeuten", so die Landesvorsitzende des Verbands Barbara Römer.
Römer betont: "Hausarztpraxen sind aber kein Onlinehändler, bei dem man (...) Medikamente per Mausklick ohne ärztliche Prüfung und Freigabe einfach mal so am Sonntagmittag bestellen kann."
Ärztekammer ruft auf: "Helfer müssen geschützt werden"
Beschäftigte im Rettungsdienst und Klinikpersonal haben in den vergangenen Jahren immer wieder von Anfeindungen und Gewalt berichtet, die von Patienten oder Angehörigen ausging. In den vergangenen Monaten häufen sich bundesweit aber auch Berichte von niedergelassenen Medizinern, die den rauen Umgangston in ihren Praxen beklagen.
Ende des vergangenen Jahres berichtete auch die Bundesärztekammer von einer "gestiegenen Aggressivität" gegenüber Ärztinnen und Ärzten. Die Landesärztekammer Thüringen erklärt diese Entwicklung mit der Überforderung von Patienten in "krisengeschüttelten Zeiten" und veröffentlicht einen Aufruf, den Ärztinnen und Ärzte in ihren Praxen aushängen können. Der Slogan: „Helfer müssen geschützt werden: Aufstehen gegen Gewalt!“