Die Corona-Pandemie, die Inflation, Fluchterfahrungen: das seien Bedingungen, mit denen auch die Kinder- und Jugendhilfe umgehen müsse, so Familienministerin Katharina Binz (Grüne). Alle drei Jahre ziehen die rheinland-pfälzischen Jugendämter eine Bilanz. Binz stellte den rund 300-seitigen Bericht am Freitag vor.
Die Jugendämter hätten auch während der Pandemie verlässlich dafür gesorgt, dass Kinder und Jugendliche mit schwierigen Startbedingungen schnell Hilfe erhielten, erklärte Binz. Der Bedarf an Hilfe sei anhaltend hoch und steige seit Jahren. 2020 hätten die 41 Jugendämter in Rheinland-Pfalz über 29.000 Hilfen in Familien, in Heimen oder Pflegefamilien gewährt. Vor dem Hintergrund der Corona-Maßnahmen seien Hilfeangebote schnell und flexibel umgestaltet worden, etwa durch digitale Beratung.
Wie viele Fälle von Kindeswohlgefährdung in den letzten Jahren?
Die Jugendämter sind nach Angaben von Binz auch während der Pandemie jedem Verdacht auf eine Gefährdung des Kindeswohls umgehend nachgegangen. In 2020 seien es mehr als 8.800 Meldungen gewesen. Dies waren knapp sieben Prozent mehr Fälle als im Jahr davor. In jedem dritten Fall habe sich der Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung bestätigt. 2021 seien es rund 8.660 Fälle gewesen, etwa zwei Prozent weniger als 2020. Zudem gebe es Fälle, in denen eine Gefährdung latent sei, also sich abzeichne, wie der Geschäftsführer des Instituts für Sozialpädagogische Forschung Mainz (ism), Heinz Müller, erklärte.
Viele Kinder von in Armut lebenden Familien sind auf Hilfe vom Jugendamt angewiesen. "Armut führt zu Teilhabe-Einschränkungen in allen Lebensbereichen", sagte Binz. "Die Zeit ist reif für die Kindergrundsicherung." Deren für das Jahr 2024 erhoffte Einführung werde zwar nicht alle Probleme von Familien lösen. Aber dann sei es möglich, dass die finanzielle Unterstützung für Kinder aus einer Hand angeboten werde. Binz sagte weiter: "Wir haben viele Leistungen, die aber bei den Familien nicht ankommen, weil die Antragstellung zu komplex ist."
Die Gesamtausgaben der Kinder- und Jugendhilfe in Rheinland-Pfalz, einschließlich der Schulsozialarbeit und Jugendberufshilfe, hatten im vergangenen Jahr einen Umfang von 728,1 Millionen Euro. Dabei stiegen allein die Ausgaben in der stationären Jugendhilfe, bei den sogenannten Inobhutnahmen in akuten Krisen und Notsituationen, seit 2015 um 114,3 Prozent auf neun Millionen Euro.