Mehr als drei Tage nach dem katastrophalen Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet schwindet die Hoffnung auf letzte Überlebende und steigt die Zahl der Toten unaufhörlich. Unter den Trümmern der vielen Tausend eingestürzten Gebäude in beiden Ländern sind vermutlich noch Zehntausende Opfer zu befürchten. Tausende Tote sind bereits gemeldet worden, hinzu kommen Zehntausende Verletzte.
Die Rettungskräfte kämpfen gegen die Zeit. Mit jeder Stunde, die seit dem Erdbeben verstreicht, sinken die Chancen, noch Lebende unter den Trümmern zu finden. Mehr als 100.000 Helfer sind in der Türkei nach Regierungsangaben im Einsatz. Unter ihnen Helferinnen und Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland.
Wo sind die THW-Helferinnen und -Helfer genau?
Das Team befindet sich in Kirikhan in der Provinz Hatay. Sie liegt im Süden der Türkei, zwischen der syrischen Grenze im Osten und dem Mittelmeer im Westen. Sie ist eine der am dichtesten besiedelten Regionen der Türkei und wurde von den Erdbeben schwer getroffen.
Wie geht die Arbeit der Rettungskräfte los?
Zuerst nehmen sie Kontakt zum Katastrophenschutz und Vertretern der Vereinten Nationen vor Ort auf. Dann bekommen sie konkret ein Gebiet zugewiesen, in dem sie arbeiten sollen.
Mit den Einsatzkräften vor Ort ist die Einsatzsprache Englisch. Immer wieder würden sie aber auch auf Menschen und Helfende treffen, die Deutsch sprechen und verstehen. Viele ehemalige Gastarbeiter lebten in der Region, sagt Michael Walsdorf vom THW-Landesverband Hessen.
Wie sieht diese Arbeit aus?
Zunächst sind die Rettungshunde dran: Sie suchen in den Trümmern der Gebäude nach Verschütteten. Zeigt ein Hund einen Fund an, wird die Stelle mit Ortungsgeräten überprüft - mit Sonden für akustische Signale wie Klopfen oder Scharren und Videokameras, die durch Bohrlöcher und Trümmerspalten geführt werden können.
Damit wird die genaue Lage der Person festgehalten, sodass die Bergungshelferinnen und -helfer loslegen können. Je nachdem, welcher Art das Gebäude war und die Trümmer sind, kommt unterschiedliches Gerät zum Einsatz: Bei einem eingestürzten Hochhaus etwa würden Betondecken oft dicht übereinander liegen, erklärt Michael Walsdorf. Mit Betonkettensägen, Kernbohrgeräten und ähnlichem schweren Gerät bahnen sich die Bergungshelfer einen Weg zu den Verschütteten. Sind diese gefunden und ist der Bereich gesichert, geht ein Notarzt oder eine Notärztin rein für die Erstversorgung. Anschließend holen die Bergungshelferinnen und -helfer die verschüttete Person heraus.
Erdbeben in der Türkei und Syrien Hier können Sie für die Erdbebenopfer spenden
Nach dem Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die Not groß. Es gibt Tausende Tote und Verletzte, viele Überlebende sind obdachlos. Wer helfen möchte, kann spenden.
Besteht noch Hoffnung, Überlebende unter den Trümmern zu finden?
"Immer", sagt Michael Walsdorf. Im Rettungswesen gelte die Faustregel, dass man 72 bis 100 Stunden nach einem solchen Unglück Chancen auf Überlebende hat. Die kalten Temperaturen kämen den Rettungskräften derzeit ein bisschen entgegen, sagt Walsdorf: Denn die Menschen dehydrierten nicht so schnell wie zum Beispiel im Sommer. Die Chance, dass Menschen unter den Trümmern überleben, sei derzeit also ein bisschen höher.
Wie gefährlich ist die Arbeit für die Helfenden?
Eine gewisse Gefahr bestehe immer, sagt Walsdorf. Zum einen durch Nachbeben, zum anderen durch die beschädigten Gebäude selbst. Sicherheits- und Bauingenieure helfen, die Lage einzuschätzen. Außerdem haben die Helfenden tonnenweise Material dabei, um Gebäudeteile abzustützen und zu sichern.
Wie gefährlich ist der Einsatz von schweren Maschinen wie Baggern?
"Wahnsinnig tödlich" seien sie, sagt Michael Walsdorf vom THW, der aus der Erfahrung vergangener Einsätze in Erdbebengebieten spricht: "Die machen es nur schlimmer." Durch die Bagger in den Trümmern könnten darunter liegende Menschen erdrückt oder erstickt werden. "Wir versuchen auf die Leute einzuwirken, dass unsere Methode zwar langsamer, aber sicherer ist", sagt Walsdorf. Aber den Leuten falle es angesichts der emotionalen Umstände schwer, die dafür nötige Geduld aufzubringen. Kräne hingegen seien sinnvoll und hilfreich, um etwa schwere Betonplatten sicher anzuheben und an darunter liegende Menschen zu gelangen. Doch derart große Autokräne seien nicht leicht zu beschaffen, sagt Walsdorf.
Wie wird sichergestellt, dass Trümmerhaufen und Gebäude nicht mehrfach durchsucht werden?
Wenn der Einsatz an einer Stelle abgeschlossen ist und die Rettungskräfte niemanden mehr finden, markieren sie das Gebäude. Es gibt festgelegte Beschriftungen, die sie an Gebäuden und Trümmern anbringen, damit auch andere Teams erkennen, dass dort bereits alles abgesucht worden ist.
Wie lang ist so ein Arbeitstag für die THW-Helfenden?
Das Team arbeitet laut Walsdorf in zwei Schichten im 24-Stunden-Betrieb. Dazwischen gebe es keine Pause, ein Team des THW sei immer im Einsatz.
Wie leben die THW-Kräfte vor Ort?
Das Team vom THW aus Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland hat ein Camp dabei, mit Zelten für die sogenannte Führungsstelle, also Büros, sowie Schlaf- und Aufenthaltszelte. Im Gepäck sind zudem Schlafsäcke, Wolldecken und Feldbetten. Für kalte Nächte haben sie Zeltheizungen.
Wie kann ich helfen?
Viele kleine und große Hilfsorganisationen und private Initiativen sammeln Geld und Sachspenden. Allerdings sind Hilfsgüter von Deutschland aus nach Einschätzung vieler Experten derzeit schwer zu überbringen, sodass die Organisationen im allgemeinen Geldspenden bevorzugen. Wer spenden möchte, kann dies zum Beispiel beim "Bündnis Entwicklung Hilft" und der "Aktion Deutschland Hilft" tun: