Ein Bänderriss und schwerwiegende Behandlungsfehler kosteten Jacqueline Fritz aus der Südpfalz mit Anfang 20 das rechte Bein. Der Sport half ihr zurück ins Leben. Heute ist sie als "einbeinige Bergsteigerin" Profi-Athletin mit einer starken Botschaft.
Jacqueline Fritz scheut normalerweise keine Hürden - selbst wenn diese im wahrsten Sinne des Wortes besonders steil sind. Beim Aufstieg zum 100 Meter hohen Granitfelsen Torre delle Giavine in Norditalien ist aber auch die 39-jährige Pfälzerin zunächst skeptisch. Es ist das erste Mal, dass sie ohne ihre Prothese in der freien Natur klettert. Sie sagt: "Ich habe einen Traum, ich will da hochkommen - aber tatsächlich habe ich keine Ahnung, ob es machbar ist."
Amputation nach Behandlungsfehler
Als Jugendliche tanzt Fritz, die im Winzerort Impflingen (Kreis Südliche Weinstraße) aufgewachsen ist, ambitioniert Ballett - bis sie im Training umknickt und sich die Bänder im Sprunggelenk reißt. Sie wird operiert, aber weil der Arzt einen Fehler macht und bei der OP Nerven durchtrennt, werden aus ein paar Wochen Zwangspause lange Jahre des Leidens. "Ich war acht Jahre im Krankenhaus und habe alles probiert, um das Bein zu retten. Letztendlich hat mir eine Ärztin gesagt, ich würde sterben, wenn das Bein dranbleibt", sagt Fritz.
Sie will zunächst nicht weiterleben, steht mehrfach am Scheideweg. 2008, mit 23 Jahren, entschließt sie sich dann doch zu einer Amputation. Das rechte Bein wird ihr oberhalb des Knies abgenommen. Der jungen Frau bereitet das große seelische und körperliche Probleme, sie wird abhängig von Schmerzmitteln.
Einbeinig über die Alpen
Den Weg zurück ins Leben ebnen ihr Sport und Natur. Bei einem Reha-Aufenthalt in Bayern lernt sie durch WG-Mitbewohner die Freude an den Bergen kennen, die sie anfangs, so sagt sie selbst, "gehasst" hat. Die bayerischen Alpen geben ihr neuen Mut. Seitdem erklimmt sie mit Prothese oder auf Krücken Gipfel um Gipfel, hat inzwischen weit mehr als 100 Berge bestiegen. 2016 überquerte sie einbeinig sogar die Alpen, über 300 Kilometer von Garmisch-Patenkirchen bis nach Meran in Südtirol. Immer mit dabei: Loui, ihr ausgebildeter Bergbegleithund.
Es war der Start für eine Laufbahn im Sport. Ihre eigene Werbeagentur gab die gelernte Grafikdesignerin zugunsten einer Profi-Karriere als Bergsteigerin und Kletterin auf. Seit 2017 ist Fritz Teil des deutschen Paraclimbing-Nationalteams, 2019 gewann sie Bronze bei der Para-WM. Paraclimbing wird in vier Jahren in Los Angeles erstmals zum Programm der Paralympics gehören. Darüber hinaus ist Fritz Klettertrainerin für Menschen mit und ohne Behinderung und ausgebildete Bergführerin. Sie führt Touren in ganz Europa - im Hochgebirge der Alpen ebenso wie im heimischen Pfälzerwald.
Mut machen und Vorbild sein
Besonders angetan haben es Fritz aber Extremtouren - so wie diesmal der steile Granitfelsen im Piemont. Ohne Prothese, mit nur drei Extremitäten und begleitet von einheimischen Bergführern erklimmt sie die Felswand in drei Stunden. Und zeigt damit der Welt wieder einmal, was für Menschen mit Behinderung möglich ist.