Rund 78 Prozent der Fahrgäste in Rheinland-Pfalz haben negative Erfahrungen bei der Benutzung des ÖPNV gemacht. Das geht aus einer ARD-Umfrage hervor, die im Rahmen des ARD-Thementages #besserBahnfahren durchgeführt wurde.
Eigentlich, schreibt eine Teilnehmerin aus Diez, fahre sie gerne Zug. "Aber die Realität ist grausam: ausfallende, verspätete, überfüllte Züge." Sie pendle täglich und suche mittlerweile wieder eine Arbeit in der Nähe ihres Wohnortes, "weil ich bis zu 13 Stunden unterwegs bin, um zur Arbeit und wieder nach Hause zu kommen. Ich glaube, ich habe schon alles erlebt." Die lange Liste an Erlebnissen enthält unter anderem Fahrten durch brennende Böschungen, kein Licht im Zug, kaputte Toiletten, Randale, verschollene Zugführer und Umstiege in der freien Wildbahn.
Was den ÖPNV-Nutzerinnen und -Nutzern wichtig ist
Bei der Mitmachaktion können online noch bis zum 19. September Erfahrungen mitgeteilt werden - deutschlandweit haben bisher etwa 5.000 Menschen an der Umfrage teilgenommen. Aus Rheinland-Pfalz gingen 393 Meldungen ein - nur 87 Menschen gaben dabei an, ihre Erfahrungen seien eher positiv.
Ausgewertet wurden die Ergebnisse vom Baden-Württemberg Institut für Nachhaltige Mobilität (BWIM) an der Hochschule Karlsruhe. Die Analyse zeigt: Zuverlässigkeit ist das ausschlaggebende Kriterium der Deutschen bei der Wahl ihres Verkehrsmittels. In der Reihenfolge der danach wichtigsten Faktoren landen Taktdichte auf Platz 2 und die Fahr- und Wartezeit auf Platz 3 und 4, noch vor den Fahrpreisen. Vor Einführung des Deutschlandtickets hatten die Kosten weitaus mehr Gewicht bei der Frage Auto oder ÖPNV, sagt Verkehrsökologe Prof. Jochen Eckart, der das Team an der Hochschule leitet. Diese Ergebnisse legen nahe: Wie erfolgreich die Verkehrswende wird, ist vor allem abhängig davon, wie zuverlässig und wie gut getaktet der ÖPNV ist bzw. sein wird.
Rheinland-Pfalz: Taktung zu gering, Bahnhöfe nicht gut angebunden
Eine besondere Baustelle in Rheinland-Pfalz: der öffentliche Nahverkehr im ländlichen Raum. Wer beispielsweise in der Vulkaneifel mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren will, muss dafür schon mal mehrere Stunden einplanen - oder ganz darauf verzichten. In der Umfrage geben viele Menschen aus verschiedenen Teilen des Landes an, dass sie das Angebot gerne nutzen würden, es ihnen aber schlicht nicht möglich sei, weil etwa die Taktung viel zu gering sei.
Aber auch von "Geister-Bahnhöfen" berichtet ein Teilnehmer, nämlich "an längst aufgegebenen und zurückgebauten Bahnstrecken". "Frage: Warum gab es zum Beispiel den Bahnhof in Kastellaun einst und warum ist der nun verschwunden?" Nach über 30 Jahren Zerstörung, Aufgabe und Rückbau der Bahninfrastruktur könne er nun wieder aufgebaut werden.
Auch angeschlossen sind die Bahnhöfe oft nicht gut, heißt es aus Trier: "Seit 2014 hat der Hauptbahnhof keinen Fernverkehr mehr. Mit dem RE oder der RB nach Koblenz zu fahre, um dort in den Fernverkehr umzusteigen, ist eine absolute Katastrophe, da die Umsteigezeiten meist nicht reichen und man so öfter seinen Anschluss verpasst. Dass Trier keinen (deutschen) Fernverkehrsanschluss hat, ist absolut nicht in Ordnung."
Wie groß ist das Interesse am Deutschlandticket?
Nicht nur bei der ARD-Mitmachaktion wurde nach der Nutzung des Deutschlandtickets gefragt - auch die Agentur Infratest Dimap hat im Auftrag des SWR eine repräsentative Umfrage dazu durchgeführt. Für 42 Prozent der bundesweit Befragten (mehr als 2.700 Personen) kam die Nutzung des Deutschlandtickets allerdings nicht in Frage. 40 Prozent können sich den Kauf vorstellen und 16 Prozent haben bereits ein Deutschlandticket. Die meisten (72 Prozent) Käufer des Deutschlandtickets hatten auch zuvor mindestens einmal pro Woche den ÖPNV genutzt.
Beide Umfragen lassen laut dem Baden-Württemberg Institut für Nachhaltige Mobilität den Schluss zu, dass das Deutschlandticket insbesondere von Personen genutzt wird, die bereits viel im öffentlichen Personennahverkehr unterwegs sind. Die ARD-Mitmachaktion zeigt: Zehn Prozent der Menschen, die ein Deutschlandticket besitzen, steigen vom Auto auf den ÖPNV um. Bei Personen ohne Deutschlandticket ist das so gut wie nie der Fall.
Doch auch hier gilt: Was entscheidend ist, ist die Anbindung: "Gerne würde ich der Umwelt zu Liebe mehr öffentliche Verkehrsmittel fahren", schreibt ein Teilnehmer der ARD-Umfrage aus Traben-Trarbach. "Als das 9-Euro-Ticket verkauft wurde, war es einfach, sich zwischen Auto und Öffis zu entscheiden. Bei 49 Euro macht für mich der Kauf kaum Sinn, da alle meine typischen Autofahrten so schlicht die dreifache Länge hätten. Auf meinem Arbeitsweg fährt einmal in der Stunde ein Bus. Der fährt genau dann weg, wenn ich meine Arbeit verlasse und somit verpasse ich ihn jedes Mal knapp." Sein Vorschlag: eine höhere Taktung auch im ländlichen Raum. "Dann kenne ich viele Menschen, die gerne fahren würden."