Fast 40 Prozent der Menschen, die seit 2015 nach Deutschland geflüchtet sind, sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Viele von ihnen leben immer noch in Gemeinschaftsunterkünften. Das Heidelberger Sinus-Institut hat im Auftrag von Unicef und dem Deutschen Institut für Menschenrechte 50 geflüchtete Kinder und Jugendliche an befragt, wie sie ihre Situation einschätzen, was sie stört und was sie sich wünschen.
Auch wenn die Umfrage nicht repräsentativ ist, gibt sie dennoch Hinweise auf die Schwächen Deutschlands im Umgang mit jungen Geflüchteten, meint Michael Windfuhr, stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte.
Wir werden den Rechten der Kinder nicht gerecht
Im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderator Arne Wiechern kritisiert Windfuhr, dass "Menschenrechte verletzt werden und wir noch keinen systematischen Umgang damit haben, Kinderrechte in diesen Situationen umzusetzen." Er weist darauf hin, dass es Teil der UN-Kinderrechtskonvention ist, "dass Kinder gehört werden und auch ein Mitspracherecht haben." Bei den Interviews sei herausgekommen, dass geflüchtete Kinder in den Gemeinschaftsunterkünften in der Regel nicht zu ihren Wünschen befragt würden.
Kinder haben viele Ideen
In der Sinus-Umfrage beklagen die Kinder unter anderem mangelnde Privatsphäre. Sie haben aber auch Vorschläge, wie die Situation verbessert werden könnte, so Windfuhr: "Einen abschließbaren Spind (…) oder Rückzugsmöglichkeiten für Jugendliche, (…) mehr Freizeiteinrichtungen." Ein großer Wunsch sei auch der nach einem "Wohnraum für die Familie, der auch geschützt ist, dass man nicht mit anderen so eng zusammen ist."
Probleme der Geflüchteten untereinander
Die angespannte Situation den Einrichtungen führe auch oft zu Angst bei Kindern. Deshalb ist für den stellvertretenden Direktor des Instituts für Menschenrechte ein entscheidender Punkt, dass Deutschland in Flüchtlingsunterkünften Mindeststandards einhält, „die auch mithelfen, Gewaltschutz sicherzustellen“. Dazu gehöre, dass Kinder nicht zu häufig in Kontakt mit erwachsenen Männern kommen.
Kinder wollen etwas aus sich machen
Laut der Sinus-Umfrage stört viele geflüchtete Kinder auch die oft schwierige Schul-Situation. Ordentlicher Unterricht scheitert – je nach Region – an unterschiedlichen Faktoren. Zentral ist für Michael Windfuhr eine große Ungeduld der Kinder, "dass sie mehr aus sich machen wollen, dass sie unbedingt Deutsch lernen wollen, dass sie sich integrieren wollen, dass sie ihr Leben beginnen wollen und nicht auf der Stopptaste stehen, wie ein Mädchen sagte". Deshalb hält es Windfuhr für wichtig, dass für Kinder in Flüchtlingseinrichtungen mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, "weil Deutschland die Kinderrechtskonvention unterschrieben hat und die besagt im Grunde, Kinder von Geflüchteten haben die gleichen Rechte wie alle deutschen Kinder. Da muss sich Deutschland mehr Mühe geben."