Ex-General Kujat: Waffenlieferungen verlängern den Krieg, führen aber nicht zum Sieg der Ukraine

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Autor/in
Andreas Böhnisch

Seit einem Jahr herrscht Krieg in der Ukraine - am 24. Februar 2022 begannen Zerstörung, Töten, Flucht und Vertreibung durch die russische Invasion. Am Jahrestag hat sich der ehemalige NATO-General Harald Kujat in SWR Aktuell für Verhandlungen über einen Waffenstillstand ausgesprochen. Im Gespräch mit Andreas Böhnisch erklärt Kujat, warum die Ukraine und der Westen unter bestimmten Bedingungen die russische Besetzung von Luhansk und Donezk vorerst hinnehmen sollten.

SWR Aktuell: Sind Sie damals davon ausgegangen, dass ein Jahr später immer noch Krieg herrscht?

Harald Kujat: Nein, ich habe eigentlich lange gehofft, dass es gar nicht zu einem Krieg kommen wird, dass die Verhandlungen zu einem Ergebnis führen, das den Krieg vermeidet. Und ich habe ja selbst Anfang Januar dazu Vorschläge veröffentlicht. Alle sind eigentlich damals davon ausgegangen, dass dies ein kurzer Krieg wird, weil die russische Überlegenheit so groß ist, dass sie sehr schnell ihre Ziele erreichen wird. Das war ein Irrtum, wie wir alle gesehen haben. Und nun zieht sich dieser Krieg in die Länge, und niemand weiß, wie lange er dauern wird.

SWR Aktuell: Der Westen will nun alles tun, damit die Ukraine diesen Krieg gegen Russland gewinnen kann. Das ist auf der Münchner Sicherheitskonferenz deutlich gewonnen, die er gestern zu Ende gegangen ist. Mit diesem Bekenntnis: Kommt die angekündigte Lieferung von Leopard-Kampfpanzern für die Ukraine zu spät?

Kujat: Nun, zunächst mal muss man ganz klar sagen: Was bedeutet es denn überhaupt, einen Krieg zu gewinnen? Ein Krieg gewinnt man dann, wenn man die politischen Ziele erreicht, deretwegen man diesen Krieg führt. Und wenn man diese Definition zugrunde legt, und ich halte sie für richtig, kann niemand gewinnen, weder Russland wird ihn gewinnen noch die Vereinigten Staaten und schon gar nicht die Ukraine. Also: Diese Waffenlieferungen könnten allenfalls dazu führen, dass die Ukraine in der Lage ist, sich weiter zu verteidigen, aber nicht um einen militärischen Sieg, der anders aussieht als der politische Gewinn, einen militärischen Sieg zu erreichen. Wir verlängern also damit den Krieg. Und das Entscheidende dabei ist, dass wir einen ganz entscheidenden Grundsatz außer Acht lassen: Dass nämlich während eines Krieges, der ja aus politischen Gründen geführt wird, die Politik nicht suspendiert werden darf. Aber genau das tun wir. Wir setzen auf Gewalt, und seit einem Jahr kommt die Politik nicht mehr zu ihrem Recht. Das ist ein riesengroßer Fehler, weil er nämlich nicht nur die Ukraine weiter zerstört, Menschenleben gefährdet, sondern weil er auch unsere eigene Sicherheit gefährdet,

SWR Aktuell: Herr Kujat, damit die Politik wieder zu ihrem Recht kommt, müssen die beteiligten Parteien, also Russland und die Ukraine, miteinander sprechen. Wie kann das passieren?

Kujat: Sie haben ja miteinander gesprochen,

SWR Aktuell: Aber ohne Erfolg bisher.

Kujat: Sie haben deshalb keinen Erfolg gehabt, weil die Ukrainer offenbar auf Anregung, ich sage es einmal vorsichtig, des Westens, diese Verhandlungen, die ja eigentlich schon de facto abgeschlossen waren, nicht zu einem Ergebnis geführt haben. Und weiterhin ist es eben nicht so, dass Russland sich weigert zu verhandeln. Der Sprecher des russischen Präsidenten hat er gerade vor einer Woche noch betont, dass es eben erfolgreiche Verhandlungen gab und dass Putin bereit sei, diese Verhandlungen fortzusetzen. Wir sind es -das muss man ganz deutlich sagen- wir sind es, die diesen Krieg weiterführen wollen, eben mit dem Ziel, dass Sie selbst eben genannt haben. Der Bundeskanzler hat es etwas anders formuliert, er hat gesagt, die Ukraine darf nicht verlieren, und Russland darf nicht gewinnen. Aber genau das ist das Dilemma, in dem wir uns befinden.

SWR Aktuell: Lassen Sie uns noch kurz auf Russland schauen. Was meinen Sie? Wie weit wird der russische Präsident Wladimir Putin noch gehen in diesem Krieg, den er begonnen hat mit dem Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022?

Kujat: Das muss man natürlich immer wieder betonen: Dieser Krieg ist von Russland begonnen worden und wird von Russland geführt. Es ist ein völkerrechtswidriger, ein menschenverachtender Krieg. Das muss man immer wieder sagen. Aber notleidend ist die Ukraine ist die ukrainische Bevölkerung. Ich spekuliere nicht darüber, wie lange dieser Krieg dauern wird, weil alle Beteiligten im Grunde genommen in ihren politischen Handlungsweisen unberechenbar sind, und Putin sowieso. Aber ich hoffe jedenfalls, dass Putin, der ja sein strategisches Ziel verändert hat, im Laufe dieses Krieges wie viele andere auch - auch Selenskyj hat sein Ziel verändert, und die Amerikaner sind gerade dabei, ihr Ziel zu verändern-  ich hoffe also, dass Putin sagen wird: Mir geht es nur darum, das, was ich bisher erobert habe, zu konsolidieren, also insbesondere die Regionen Luhansk und Donezk in ihren Verwaltungsgrenzen. Dann habe ich das Ziel meiner „begrenzten militärischen Spezialoperation“, wie er es nennt, erreicht. Und ich hoffe, dass dann der Westen reagiert und sagt: Gut, belassen wir es dabei zunächst und versuchen jetzt eine Regelung zu finden, die der Ukraine Sicherheit und Frieden gibt für die Zukunft.  und die die Risiken für eine Ausweitung des Krieges oft zu einem Krieg zwischen der Nato und Russland verhindert und auch eine Eskalation in den nuklearen Bereich verhindert.

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Andreas Böhnisch