Bakterielle Infektionen: Was tun, wenn das passende Antibiotikum fehlt?

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Autor/in
Andreas Böhnisch

Egal ob bei einer Mandelentzündung oder bei Entzündungen von Lungen, Hirnhaut oder der Blase: Normalerweise werde hier Antibiotika eingesetzt. Allerdings sind manche dieser Präparate immer noch nicht verfügbar, obwohl der Mangel seit Monaten bekannt ist. Und dann müssen die Ärzte ein anderes Antibiotikum verschreiben, das eventuell nicht so gut wirkt. Wie sich der Medikamentenmangel auswirkt und was die Folgen sein können, hat SWR-Aktuell-Moderator Andreas Böhnisch den Arzt und Journalisten Lothar Zimmermann gefragt.

SWR Aktuell: Wie groß ist die Gefahr, dass solche „zweite Wahl“-Antibiotika die bakterielle Infektion nicht richtig bekämpfen und vielleicht die Krankheit sogar verschlimmern?

Lothar Zimmermann: Es kommt darauf an. Es gibt immer Menschen, die auch auf ein Antibiotikum allergisch reagieren und denen man ein bestimmtes Antibiotikum nicht geben darf. Da kommen schon immer Ersatzmedikamente zum Einsatz. Generell haben die Ärzte Listen, aus denen sie erfahren, welches Antibiotikum als Alternative in Frage kommt. Dennoch ist natürlich das Antibiotikum der ersten Wahl das, was die Bakterien am effizientesten abtötet, davon geht man aus. Es ist ja ganz wichtig, dass möglichst alle Bakterien abgetötet werden. Denn wenn einige überleben, die gegen einen Wirkstoff Mittel oder Waffen in der Hand haben, dann werden die resistent. Man kann man sich vorstellen, was passiert, wenn sich jetzt diese resistenten Bakterien weiter vermehren und dann den nächsten Menschen krank machen - dann wirkt da möglicherweise auch das Antibiotikum der ersten Wahl nicht mehr. Und dann steht man da und muss auf andere Antibiotika zurückgreifen, das führt dann auch wieder möglicherweise dazu, dass die später mal nicht so gut wirken. Deswegen ist ja gerade auch der zurückhaltende Einsatz von Antibiotika zu empfehlen. Wenn man eine Erkrankung hat wie beispielsweise eine Bronchitis, die häufig von Viren verursacht wird, dann sollte man natürlich kein Antibiotikum geben. Man sollte das aussitzen, symptomatisch behandeln, denn da bringt ein Antibiotikum nichts. Das schadet dann eher, weil halt die Resistenzen auftreten.

SWR Aktuell: Ein absoluter Antibiotika-Klassiker ist Penicillin. Und das Beunruhigende ist, dass auch das in vielen Apotheken zurzeit nicht verfügbar ist. Gibt es dafür bei jeder Krankheit ein passendes Ersatzmittel, wenn eben kein Penicillin da ist?

Zimmermann: Man kann dann erstmal Clindamycin einsetzen. Das ist eine Alternative. Wenn man weder Penicillin V oder Amoxicillin - was ja auch ein Penicillin ist - zur Verfügung hat, dann kann man mit diesem Medikament arbeiten. Und das wirkt in der Regel auch gut, wenn man jetzt beispielsweise eine eitrige Mandelentzündung hat. Dennoch ist das erste Mittel der Wahl weiterhin Penicillin, und man sollte halt versuchen, tatsächlich dieses Medikament jetzt im Winter vorrätig zu haben, auch für Kinder. Es ist natürlich sehr lästig, wenn beispielsweise nur die Erwachsenen-Dosis da ist und Eltern die anpassen müssen auf Kinder. Da wird es wirklich wichtig sein, jetzt im Winter, dass man wirklich genügend Medikamente zur Verfügung hat. Und es ist zu befürchten, dass wir schon wieder vor dem nächsten Engpass stehen- beziehungsweise sind ja immer noch Medikamente nicht lieferbar. Wir könnten in den nächsten schwerwiegendere Engpass hineinlaufen -  und dann sind wieder viele Eltern oder auch Erwachsene in Sorge, ob sie adäquat versorgt werden können, weil Medikamente erstmal nicht verfügbar sind: Außer Antibiotika betrifft es möglicherweise auch wieder Fiebersäfte.

SWR Aktuell: Es gibt jede Menge verschiedene Antibiotika. Wie entscheidet ein Arzt überhaupt, welches die „passende Waffe“ für die jeweilige Erkrankung ist?

Zimmermann: Der Arzt hat natürlich Erfahrungswerte. Wenn er sieht, dass da die Mandeln vereitert sind, weiß er, auf welches Medikament er zurückgreifen muss. Aber man kann auch einen Abstrich machen. Man nimmt dann ein Stäbchen, macht einen Abstrich von einem Infektionsherd und züchtet dann die Bakterien an. Und dann kann man auch genau schauen, auf welchen Wirkstoff, auf welches Antibiotikum die Bakterien reagieren, durch welches Antibiotikum die Bakterien abgetötet werden. Wenn jemand jetzt akut krank ist, dann ist es möglicherweise so, dass der Arzt erstmal ein Antibiotikum einsetzt, davor allerdings Blut oder Urin abnimmt und das einschickt und dann überprüft, ob das Antibiotikum das Richtige ist. Das kann natürlich auch mal zu Resistenzen führen. Es ist aber in einer akuten Erkrankung oft auch wichtig, dass man anfängt zu therapieren und nicht abwartet, bis das Ergebnis vorliegt. Da spielen sehr viele Überlegungen mit herein. Zum einen geht es darum, ein Individuum zu schützen und adäquat oder möglichst gut mit einem Medikament zu versorgen. Und auf der anderen Seite muss man aber auch die ganze Population die Bevölkerung Deutschlands und auch weltweit im Blick haben. Denn wenn wir die Antibiotika nicht gezielt einsetzen, dann schaden wir auch anderen. Wir müssen dann auch als Ärzte weiter denken: Es geht um den Einzelnen, es geht aber auch um die Gesellschaft. Und es ist wichtig, dass die Antibiotika für uns alle wirken - und desto mehr sie ungezielt und nicht überlegt eingesetzt werden, desto mehr besteht eben die Gefahr, dass Resistenzen auftreten und desto mehr schaden wir uns allen.

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Andreas Böhnisch