Fußball-EM:

Bahn rechnet mit 100.000 zusätzlichen Fahrgästen in den Zügen

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AUTOR/IN
Jan Zimmermann

Die Bahn rechnet mit 100.000 zusätzlichen Fußballfans im Fernverkehr. Damit die Fans pünktlich zu den Spielen kommen, werden fast alle Baustellen eingestellt. Aber bis heute kämpft die Bahn mit Hochwasserschäden. Welche Folgen hat das? Nach der EM beginnt eine Baustelle, die es so noch nie gab.

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Die Deutsche Bahn rechnet mit einem großen Ansturm von Fußballfans in den kommenden Wochen. Üblich seien 300.000 bis 400.000 Fahrgäste täglich im Fernverkehr, berichtet Bahnmanager Berthold Huber. Der Infrastrukturvorstand rechnet während der EM-Spielzeiten mit 100.000 zusätzlichen Fußballfans in den Zügen. Im ARD-Interview der Woche sagt Huber, er sei "relativ sicher, dass die allermeisten Fans wirklich pünktlich zum Anpfiff im Stadion sein werden", wenn sie mit der Bahn fahren.

Während der EM: Bahn will "baustellenfrei" sein und setzt mehr Züge ein

Damit die Züge wie geplant rollen, wurden fast alle Baustellen eingestellt. Es gibt allerdings noch eine Hochwasser-Baustelle zwischen Würzburg und Nürnberg, die große Probleme bereitet. Ansonsten sei man aber "baufrei". Darüber hinaus sollen deutlich mehr Züge im Einsatz sein, verspricht der Bahnvorstand. Ob das reicht, um ein Chaos an Bahnhöfen und in den Zügen zu verhindern, ist fraglich. Vor wenigen Tagen teilte das Unternehmen mit, täglich 14 EM-Sonderzüge einzusetzen, den Fahrplan auszuweiten und so pro Tag knapp 10.000 zusätzliche Sitzplätze anbieten zu können. Diese Zahl klafft mit der erwarteten Fahrgastzahl weit auseinander.

Startschuss für Mega-Bauprojekt nach der EM

Nach der Fußball-Europameisterschaft dürfte es für viele Bahnkunden allerdings ungemütlicher werden. Einen Tag nach dem Finale beginnt die sogenannte Generalsanierung. Ein Bauprojekt, das es bei der Bahn so noch nie gab. Das Projekt beginnt auf der Riedbahn, der Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim. Dieser Abschnitt wird für fünf Monate komplett dicht gemacht. Laut Huber werden "alle Komponenten, die zum Eisenbahnbetrieb in der Infrastruktur dazugehören, erneuert – auf einmal". Vom Gleisbett über die Oberleitung, der Stellwerkstechnik bis hin zu den Bahnhöfen, Bahnübergängen und Schranken soll alles neu gebaut werden. Dies sei dringend nötig, weil die Strecke bisher in einem "wirklich bedauernswerten Zustand" sei, berichtet Huber im ARD-Interview der Woche.

Die veraltete, marode Technik soll der Grund für viele Verspätungen sein. Da die Strecke Frankfurt-Mannheim für das gesamte deutsche Schienennetz von zentraler Bedeutung sei, übertrage sich jede Verspätung dort auf das gesamte Netz. Durch die Generalsanierung werde künftig "die Störanfälligkeit der Strecke um 80 Prozent reduziert", erwartet Huber.

Bahnvorstand Berthold Huber und Korrespondent Jan Zimmermann stehen im ARD-Hauptstadtstudio nebeneinander und schauen in die Kamera
Bahnvorstand Berthold Huber und Korrespondent Jan Zimmermann im ARD-Hauptstadtstudio

Bundesweit sollen 40 zentrale Strecken neu gemacht werden

Ähnliches gilt für viele Abschnitte in Deutschland. Deshalb sollen nach der Riedbahn weitere Komplettsanierungen folgen. Bahnvorstand Huber: "Wir wollen 40 dieser Korridore generalsanieren." Nach der Riedbahn will die Bahn die Strecke zwischen Hamburg und Berlin angehen. Bis 2030 soll das so weitergehen. Huber räumt ein, dass es in dieser Zeit für manche Bahnkunden "mühsamer" werde. Der Fern- und Güterverkehr wird umgeleitet, für den Nahverkehr wird ein Busverkehr eingerichtet. Dieser soll eine ganz "andere Qualität als in der Vergangenheit" haben. Mit jeder sanierten Strecke werde es "stetig, immer ein Stückchen besser." Huber versichert: "Das hebt die Qualität des Gesamtnetzes."

Kritiker: Bahn vergisst Ausbau des Schienennetzes auf dem Land

Verkehrsforscher und Branchenexperten kritisieren, die Bahn vernachlässige mit der Generalsanierung den Ausbau des Schienennetzes – vor allem auf dem Land. Diese Kritik weist Huber zurück: "Wenn ich eine neue Strecke auf dem Land baue, die dann auf eine bestehende Strecke kommt, wo ständig die Weichen kaputt sind, dann haben sie von der Strecke auf dem Land nichts." Der Erhalt ginge immer vor dem Neubau von Infrastruktur. "Bestehende Infrastruktur in Ordnung zu bringen, ist die erste Bürgerpflicht. Und sie ist auch das, was bei den Menschen am schnellsten ankommt."

Finanzierung bisher nur zum Teil gesichert

Die Mega-Bauprojekte der Bahn werden Milliardensummen verschlingen. Der Staatskonzern rechnet mit Kosten in Höhe von 45 Milliarden Euro – zusätzlich zu bereits eingeplanten Mitteln. Der Bund hat für die Modernisierung des Netzes bis 2027 aber nur 30 Milliarden Euro zugesagt. So scheinen bisher nur die Bauarbeiten an der Riedbahn und auf der Strecke Hamburg-Berlin finanziell gesichert zu sein. Bahnvorstand Huber räumt ein: "Im Moment können wir das gesamte Programm, dass wir uns hingelegt haben, nicht machen."

Kampf um restliche Milliarden vom Bund

Der Bahnmanager verweist auf die laufenden Haushaltsverhandlungen in Berlin: „Wir kämpfen gemeinsam mit dem Bundesverkehrsministerium dafür, dass wir die restliche Lücke auch noch schließen." Eines ist für ihn klar: "Wenn es am Ende weniger wird und weniger bleibt, werde ich klar artikulieren, was man dafür bekommt und was man dafür nicht bekommt." Diese Lehre ziehe er aus den Versäumnissen der Vergangenheit.

In der Diskussion um ein Sondervermögen für Infrastrukturprojekte spricht er sich dafür aus, so eine Finanzierungsform einzurichten – allerdings nicht nur für die Bahn, sondern für sämtliche Infrastrukturprojekte wie Autobahnbrücken, Schulen, öffentliche Einrichtungen. Erst vor wenigen Wochen hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Debatte angestoßen und einen milliardenschweren Infrastrukturfonds vorgeschlagen.

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Jan Zimmermann