Ampel geplatzt, Vertrauensfrage verloren, Wahl gewonnen? Böblinger SPD-Abgeordnete Hostert optimistisch

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Andreas Böhnisch
Andreas Böhnisch steht vor dem Logo von SWR Aktuell.

Nachdem Kanzler Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage gestellt und verloren hat, ist der Weg für eine Neuwahl frei. Viele SPD-Politiker geben sich zuversichtlich, dass ihre Partei viele Stimmen bekommt. Warum, das erklärt die Abgeordnete Jasmina Hostert aus dem baden-württembergischen Wahlkreis Böblingen im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderator Andreas Böhnisch.

SWR Aktuell: Sie machen sich gerade auf den Weg nach Berlin, mit welchem Gefühl im Bauch?

Jasmina Hostert: Richtig, ich bin jetzt auf dem Weg zum Bahnhof - mit einem aufregenden Gefühl - aber auch einem guten Gefühl, denn es sollte jetzt auch so passieren, dass der Weg freigemacht wird für eine vorgezogene Bundestagswahl.

SWR Aktuell: Sie sagen gutes Gefühl. Also überwiegt die Zuversicht, dass es danach besser wird, wenn der Bundestag neu gewählt wird?

Hostert: Richtig. Wir haben die letzten dreieinhalb Jahre alles versucht, dass diese Koalition hält, und es hat einfach nicht geklappt wegen der nicht ausreichenden Zusammenarbeit mit der FDP. Und ja: Jetzt wollen wir den Weg frei machen für die vorgezogene Bundestagswahl, dass die Bürgerinnen und Bürger sich dann auch entscheiden können.

SWR Aktuell: Da ist ja doch einiges liegen geblieben, was die Ampel gerne noch machen wollte. Aber ein paar Projekte werden dann doch noch umgesetzt. Wahrscheinlich auch, dass die „Kalte Progression“ abgebaut wird, und dass es eine Erhöhung des Kindergeldes geben wird. Darauf hat sich die Ex-Ampel, darauf haben sich SPD, Grüne und FDP in der vergangenen Woche dann doch noch verständigt. War es das dann mit dem, was die jetzige Bundesregierung noch auf den Weg bringen kann?

Minimal optimistisch, dass ein paar Projekte noch umgesetzt werden

Hostert: Dass wir das hinbekommen, wäre schon mal sehr wichtig. Beide Projekte - und die Stärkung des Bundesverfassungsgerichts, das ist noch das dritte Projekt. Und wenn wir dann noch Dinge auf den Weg bringen - wir werden das versuchen - ich bin da, sag ich mal, „minimal optimistisch“. Die kalte Progression, das sind Dinge, die kann man nicht aufschieben, und wir versuchen, diese Dinge auf jeden Fall noch auf den Weg zu bringen. So viele Sitzungen haben wir ja auch nicht mehr. Wir haben diese Sitzungswoche jetzt vor Weihnachten und dann noch mal eine im Januar und zwei Tage im Februar. Und dann sind ja schon die Wahlen.

SWR Aktuell: Dann lassen Sie uns jetzt nach vorne schauen, auf diesen 23. Februar, an dem die vorgezogene Bundestagswahl stattfinden soll. Gestern hat die baden-württembergische SPD in Schwäbisch Gmünd ihre Landesliste aufgestellt. Sie stehen auf einem ziemlich sicheren siebten Listenplatz, an der Spitze steht die Co-Bundesvorsitzende Saskia Esken. Und die hat gestern gesagt, sie sei sehr überzeugt, dass die SPD die Wahl gewinnen könne. Mal ganz im Ernst: Ist das Realitätsverlust?

Hostert: Nein, überhaupt nicht. Ich bin auch total überzeugt. Ich erinnere mich an meinen Wahlkampf letztes Mal. Da waren wir ja fast auch abgeschrieben und haben dann aufgeholt….

SWR Aktuell: …..ja, jetzt haben Sie aber einen Kanzler, der so unbeliebt ist wie kein anderer Politiker im in der Es-Ampel, Sie stehen bei 16 Prozent im ARD-Deutschlandtrend. CDU und CSU kommen auf 32 Prozent, das ist doppelt so viel. Womit wollen Sie die Stimmung drehen?

Hostert: Ich glaube schon, dass es für die Menschen entscheidend sein wird, wer uns durch diese vielen Krisen dann auch weiterhin führt. Ob das ein besonnener Kanzler ist oder jemand, wo man wirklich nicht weiß, wenn er morgens eine Aussage getroffen hat, wie das mittags und abends dann aussieht - und der auch impulsiv handelt. Ich glaube schon, dass das eine große Rolle spielen wird. Es sind einfach so viele Krisen zu meistern- und vor diesen Herausforderungen würde die Union ja auch stehen. Wenn man in der Opposition ist, dann kann man sich ein bisschen zurücklehnen - und muss ja keine Verantwortung übernehmen. Insofern bin ich bin da sehr zuversichtlich, dass wir auf jeden Fall diese Wahl auch für uns gewinnen können.

SWR Aktuell: Die vielen Krisen haben Sie angesprochen. Eine ganz große Krise ist die wirtschaftliche Lage. Die Deutschen schätzen diese Lage so schlecht ein wie seit 15 Jahren nicht mehr. Und diese Wirtschaftskrise wird natürlich auch der Kanzlerpartei SPD angelastet. Mercedes, Porsche, Bosch - das ist ja gleich um die Ecke von Ihnen im Wahlkreis Böblingen. Wie wollen Sie die Menschen zum Beispiel in der Autoindustrie überzeugen, dass es mit einem Kanzler Olaf Scholz wirtschaftlich wieder aufwärts geht?

Hostert: Ich führe auch seit Wochen viele Gespräche, auch gerade mit Betriebsräten. Die schildern mir, dass das ist ja nicht ein Problem der letzten drei Jahre ist, sondern ein Problem, das schon länger existiert. Wir müssen investieren, vor allem auch in die Infrastruktur. Dass eben dieses „Made in Germany“ sich mehr auszahlt, das ist das, was mir zum Beispiel die Betriebsräte gesagt haben. Hubertus Heil hat jetzt auch angekündigt, mit Kurzarbeitergeld auszuhelfen. Es sind verschiedene Maßnahmen, die greifen müssen. Aber wir müssen halt jetzt handeln. Und das ist das, was wir auch versucht haben mit der FDP- aber dazu war sie nicht bereit. Das sind die Herausforderungen, die werden bleiben. Wir müssen jetzt handeln und dafür braucht auch eine stabile Mehrheit.

Man kann ja nicht innerhalb von drei Jahren Bürokratie abbauen, die in 50 Jahren entstanden ist.

SWR Aktuell: Sie sagen, sie haben mit vielen Betriebsräten gesprochen. Sprechen Sie denn auch mit den Unternehmen, gerade vielleicht mit dem Mittelstand? Die beklagen sich ja vor allen Dingen zum Beispiel über die überbordende Bürokratie, die einfach nicht abgebaut wird. Und das ist ja auch ganz klar ein Manko, was die SPD, was die Ampel in den vergangenen gut drei Jahren nicht geschafft hat.

Hostert: Ja, natürlich ist das eines der zentralen Themen, wenn ich im Wahlkreis unterwegs bin. Es ist so, dass wir einige Gesetze hatten, um die Bürokratie abzubauen. Das war auch etwas, wo wir uns ja auch einig waren mit der FDP. Man kann ja nicht innerhalb von drei Jahren eine Bürokratie abbauen, die in den letzten 50 Jahren entstanden ist. Aber wir sind dabei, mit unterschiedlichen Gesetzen. Und das muss weitergehen, aber eben auch schneller gehen. Dazu müssten aber alle bereit sein: Der Bund, die Länder, die Kommunen. Der Bund kann ja viele Sachen nicht von oben einfach durchdrücken und durchsetzen. Dieser Bürokratieabbau ist einfach stark miteinander verflochten. Und das muss besser und schneller funktionieren.

SWR Aktuell: Frau Horster, Sie sind angetreten mit dem Versprechen, hartnäckig zu sein und nicht so schnell locker zu lassen. Jetzt kommt es anders, als sie sich das 2021 vorgestellt haben, ihre Arbeit als Abgeordnete endet vorzeitig. Was nehmen Sie mit für den Wahlkampf und für die Arbeit im nächsten Bundestag?

Hostert: Ich habe in diesen dreieinhalb Jahren gemerkt, dass Politik wirklich ein hartes Geschäft ist, und dass man sich eben auch auf eine Legislatur von vier Jahren auch nicht verlassen kann. Ich bin da anders rangegangen, habe gedacht: Das hält sicher vier Jahre. Das war jetzt natürlich eine außergewöhnliche Situation. Auch dieser Tag heute ist sehr außergewöhnlich. Ich glaube, der wird mir auch mein Leben lang im Gedächtnis bleiben. Manche Dinge funktionieren nicht. Und deswegen wird der Weg freigemacht für die vorgezogene Bundestagswahl, sodass wir hoffen, dass wir als stärkste Kraft wieder rauskommen und für Menschen in Deutschland, für die arbeitende Mitte stärkere Politik machen können. Das ist unser Ziel, und das treibt mich an, das Leben der Menschen immer wieder ein Stückchen besser zu machen. Deswegen bin ich weiterhin dabei - und glühe auch, in diesen kalten Bundestagswahlkampf zu gehen.