Die Corona-Pandemie war ein Albtraum, vor allem für Menschen in Pflegeheimen. Viele Maßnahmen müsse man rückwirkend hinterfragen, sagt Urte Bejick von der Altenheimseelsorge der Evangelischen Kirche in Baden im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderator Andreas Böhnisch.
SWR: Frau Bejick, war die Kontaktsperre in Pflegeheimen rückwirkend gesehen ein Fehler?
Urte Bejick: Damals war es etwas ganz Neues, und es wurde auch unbeholfen, zum Teil aus gutem Willen reagiert. Wenn wir jetzt zurückschauen, jetzt wo die Menschen geimpft sind und wir mehr über die Verbreitung des Virus wissen, kann man sagen: Viele Maßnahmen muss man hinterfragen, besonders die Isolation von sterbenden Menschen, aber auch andere Maßnahmen.
Was ist außerdem aus Sicht ihrer Betreuer vor Ort nicht so gut gelaufen, in den ersten Monaten der Corona-Pandemie?
Ich denke, es hätte auch Begegnungen geben können, in besonderen Räumen oder durch Fensterscheiben oder durch Sprechscheiben, wo Menschen wenigstens ihre Angehörigen hätten sehen können. Am schlimmsten finde ich, dass bei schwerstkranken oder bei sterbenden Menschen so eine starke Isolation war, dass man gar nicht mehr abgewogen hat, was möglich ist und was nicht.
Der erste Lockdown ist jetzt vier Jahre her. Die Corona-Pandemie wurde offiziell vor knapp einem Jahr beendet. Wie normal ist der Alltag inzwischen wieder für die Älteren in unserer Gesellschaft?
Er ist fast normal würde ich sagen. Von meinen Kollegen in den Altenpflegeheimen, von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen, höre ich, dass alles jetzt ein bisschen entspannter gesehen wird. Es gibt ja noch Corona. Aber ich höre, dass Hygienemaßnahmen, Desinfizierung und notfalls, wenn es unbedingt notwendig ist, Masken sehr viel helfen, und eine Isolation nicht mehr nötig ist. Aber es gibt noch andere Viren: Grippeviren, Norovirus. Manchmal merkt man bei den alten Menschen, wenn dann irgendetwas ist und jemand doch auf dem Zimmer bleiben muss oder plötzlich alle Maske tragen, dass dann die alte Angst wieder hochkommt. Sie denken dann: Jetzt ist wieder etwas, jetzt werden wir wieder Wochen und Monate lang isoliert. Die Menschen werden nicht laut oder sind es nicht gewohnt, sich zu äußern. Es scheint so, als hätten sie es ganz gut verkraftet. Aber die Angst kommt in solchen Augenblicken wieder hoch.
Sie sagen, die alte Angst ist dann plötzlich wieder da, wenn ältere Menschen in Pflegeeinrichtungen Pfleger mit Maske sehen. Was tut man dann am besten?
Soweit möglich, erklären und Räume schaffen, wo die Menschen sich noch bewegen können. Es ist ja nicht nur so, dass die Menschen in der Corona-Zeit in den Heimen isoliert waren. Es ist auch im Normalzustand immer eine gewisse Isolation, denen sie unterliegen. Entweder sie können selbst die Zimmer oder das Heim nicht mehr verlassen, weil sie nicht mehr so mobil sind - oder weil sie im Fall einer Demenz zum Beispiel nur noch in den Garten können, aber nicht mehr auf die Straße. Deshalb ist es wichtig, innerhalb des Hauses so viele Möglichkeiten zu schaffen, dass die Menschen auch noch die Wahl haben und sich frei bewegen können.