In Diedelsheim, einem Ortsteil von Bretten (Kreis Karlsruhe), steht die klimafreundlichste Haltestelle der Welt. Sie weiß kaum noch, wie ein Bus aussieht. Die Haltestelle war im Juli fertiggestellt, doch seit September nimmt die Buslinie 146 einen anderen Verlauf. Es wird nur noch der gegenüberliegende Halt bedient. Bauamt und Planungsamt der Brettener Stadtverwaltung hatten den Herbst-Fahrplan nicht miteinander abgestimmt.
Ich denke dabei an Menschen, die auf einen Bus warten, der nicht kommt. So wie die zwei Landstreicher in Samuel Becketts Theaterstück "Warten auf Godot". Ohne eine Aussicht auf Erlösung wird ihr Warten zum Selbstzweck. Zur existentiellen Grunderfahrung. "Irgendeiner wartet immer", sagt Charles Bronson am Ende von "Spiel mir das Lied vom Tod". Mit der toten Haltestelle von Diedelsheim braucht es keine Theater- oder Kinobühne mehr, sondern gibt es einen Ort, diese Erfahrung leibhaftig zu machen. Scheinbar führt sie ins Nirgendwo. Tatsächlich weist sie den Heilsweg in das Zentrum des eigenen Seins.
Häuschen gebaut, Linie verlegt Neue Bushaltestelle in Bretten, an der kein Bus hält
In Bretten gibt es seit einigen Monaten eine neue Bushaltestelle. 10.000 Euro hat sie gekostet. Allerdings hält dort kein Bus - Grund ist ein Planungsfehler.
Im Sommer fertig, im Herbst nicht mehr gebraucht
Brettens Oberbürgermeister Martin Wolff (parteilos) sieht das offenbar – noch – anders, denn ernstlich denkt er daran, die Haltestelle mit dem Dezember-Fahrplan für die Linie 146 in Betrieb zu nehmen. Eine sakrale Fremdbestimmung, vergleichbar mit der Degradierung von Kirchen zu Wohnhäusern. Stadtvater Michael Nöltner (CDU) gibt den Hinweis, sie sei doch putzmunter: "Die Bushaltestelle wird ja noch bedient, aber es wird die falsche Seite bedient."
Die tote Haltestelle von Diedelsheim lehrt, magisch statt logisch zu denken. Sie muss ein Verweilort bleiben, ein Hain zur geistigen Rüstung. Sinnlos geplant und ihr Geld nicht wert, ist sie eine moderne Allegorie auf das Leben.