Heute bin ich ein bisschen traurig ob des Endes der Fußball-Europameisterschaft. Indirekt verfolgte ich sie von Stuttgart und persönlich von Mainz aus. Meine bucklige Verwandtschaft flutete das Handy mit Fotos aus dem Stuttgarter Stadion. Mal war die Tribüne weiß, mal blau lackiert. Auch in Mainz ging viel ab, wie die Recherche meines Kollegen Jaron Dengel zeigt. 122 Mainzer Gastronomen haben zur EM Public Viewing angemeldet, das bedeutet Rang 12 im bundesweiten Vergleich.
Sportlicher Wettstreit ehemaliger Kriegsparteien
Der Wettbewerb brachte heitere Wochen über das Land, was nach meinem Dafürhalten nicht selbstverständlich war. Die Ukraine und Georgien entsandten Teams, obwohl die Länder politisch gerade ausgesprochen instabil sind. Kroatien, Slowenien, Albanien und Serbien bestritten fast konfliktfrei gemeinsam ein Fußballturnier. Dabei liegt der Krieg auf dem Balkan erst wenige Jahrzehnte zurück. Sogar in angespannten Zeiten – oder vielleicht gerade dann? – zeigte der Fußballsport seine friedenstiftende Wirkung.
Zur Heiterkeit solcher Wettbewerbe trägt ihre Zeitlosigkeit bei. Mitten im Turnier, am 7. Juli, jährte sich der zweite Weltmeister-Titel der Deutschen zum 50. Mal. Franz Beckenbauer reckte am 7. Juli 1974 im Münchner Olympiastadion den Pokal in die Höhe. Jede neue Europa- oder Weltmeisterschaft bedeutet immer auch die Erinnerung an historische Ereignisse, häufig auch die persönliche Erinnerung an sie. Europa- und Weltmeisterschaften – eine Art mediales Klassentreffen im Zwei-Jahres-Rhythmus.
Aus dieser Europameisterschaft nehme ich mit, dass die Menschen in Deutschland und Europa besser miteinander klarkommen als ihre Regierungen. Und wenn dann auch noch die sportlich beste Mannschaft den Titel holt, wird die Sache vollends rund.