Vor den Aktionärinnen und Aktionären räumte Ola Källenius bei der virtuellen Hauptversammlung ein: Die Transformation hin zur E-Mobilität könne länger dauern als gedacht. Auch deshalb will Mercedes-Benz weiterhin Verbrenner produzieren – wenn die Nachfrage da sei, bis deutlich in die 2030er Jahre.
Roland Klose von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz meinte dazu: Eine Verschiebung des Verbrenner-Aus sei eine notwendige Reaktion auf die schwache Nachfrage von E-Autos. Nur wenn Mercedes weiterhin Verbrenner produziere, seien die Werke ausgelastet und nur dann hätten die Beschäftigten einen sicheren Arbeitsplatz. Aus Aktionärssicht mache es Sinn, erstmal am Verbrenner festzuhalten.
Ingo Speich, Leiter bei Deka Investment, sieht den chinesischen Markt für Mercedes-Benz mit Sorge: Ladenhüter und Preisreduzierungen dort passten nicht ins Luxussegment und beschädigten die Marke.
Mercedes in Fernost: Mögen Chinesen den Elektro-Stern nicht?
Die schwächelnde Nachfrage in China macht Investoren und Anlegern Sorgen. Ingo Speich kritisiert, nach wie vor sei die Akzeptanz für E-Fahrzeuge von Mercedes gering. Die Chinesen würden die S-Klasse mögen, aber nicht den Elektro-Stern. Die Umsatzzahlen in China sind im ersten Quartal um 12 Prozent gesunken. Damit war China einer der schwächsten Märkte. Speichs rhetorische Frage an die Mercedes-Führung: "Würden Sie heute nochmals die Entscheidung treffen, den EQS/EQE auf die Straße zu stellen und auf eine elektrifizierte S- oder E-Klasse verzichten?"
Mercedes-Chef Källenius verwies auf die China-Strategie seines Konzerns. Allein in diesem Jahr sollen dort 15 neue Modelle auf den Markt kommen.
Källenius: China steht bei Mercedes weiter im Fokus
Ola Källenius erklärte, China als wichtigster Markt stehe weiterhin im Fokus – das Unternehmen habe das Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk und die technologischen Partnerschaften deutlich ausgebaut.
Finanziell war 2023 für Mercedes-Benz ein solides Jahr: Die Aktionäre sollen deshalb eine Dividende von 5,30 Euro pro Aktie bekommen, das sind zehn Cent mehr als 2022. Mercedes hat im vergangenen Jahr rund 2,5 Millionen Fahrzeuge verkauft. Davon waren 400.000 Modelle Plug-in-Hybride oder reine E-Modelle.
Neue Ära im Aufsichtsrat: Martin Brudermüller folgt Bernd Pischetsrieder
Die aktuelle Hauptversammlung ist die letzte für Bernd Pischetsrieder als Aufsichtsratsvorsitzenden – seine Nachfolge tritt der frühere BASF-Chef Martin Brudermüller an. Im Fokus der Unternehmensstrategie stehen bei Mercedes weiterhin Top-End-Fabrikate. Dazu gehören luxuriöse Limousinen und SUVs. Sie sind für den Konzern hochprofitabel, weshalb Mercedes mit ihnen überproportional wachsen will. Dies gelingt momentan allerdings nicht so gut: Der Betriebsgewinn ging im ersten Quartal 2024 um fast 30 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro zurück. Der Umsatz schrumpfte im Vorjahresvergleich um mehr als vier Prozent auf 35,9 Milliarden Euro.
UAW könnte bald Mercedes-Mitarbeiter im Werk in Tuscaloosa vertreten
In den USA bemüht sich gerade die mächtige Arbeitervertretung United Auto Workers (UAW) in den Werken von Mercedes und VW Fuß zu fassen. Ihr Chef gilt als sehr streikfreudig. Der Dachverband der Kritischen Aktionäre hat auf der Hauptversammlung die Rede eines Arbeiters, der sich für die Wahl der gewerkschaftlichen Vertretung durch die UAW im Werk Tuscaloosa/Alabama einsetzt, vorgelesen, berichtet die Agentur Reuters. Darin beklagt ein Mitarbeiter namens Jeremy Kimbrell, Führungskräfte hätten sich gegen die Gewerkschaft ausgesprochen. Mercedes-Benz habe eine Agentur eingeschaltet, die eine gewerkschaftsfeindliche Kampagne fahre. Nach Angaben der Agentur Bloomberg hat Mercedes ein Fehlverhalten bestritten und einen Manager versetzt.