Der weltweit größte E-Autobauer, der chinesische Konzern BYD, hat erstmals Angaben zum Preis einer - vermutlich größeren - europäischen Version seines chinesischen Elektro-Kleinwagens „Seagull“ gemacht. Das Europa-Modell soll weniger als 20.000 Euro kosten, berichtet die Agentur Reuters. In China gibt es eine Basisversion für umgerechnet 9.000 Euro. In Süd- und Mittelamerika verkauft BYD das chinesische Seagull-Modell unter dem Namen Dolphin Mini.
Forderung nach höheren Zöllen auf Elektroautos aus China
Europäische Politiker schauen derzeit sorgenvoll auf die "chinesische Autowelle", wie sie in manchen Medien bezeichnet wird, die unter anderem durch einen neuen Spezialfrachter mit 7.000 BYD-Autos sichtbar wurde. Einige fordern lautstark höhere Zölle für Fahrzeuge aus China. Der Wettbewerb sei angeblich nicht fair. Zu den Befürwortern der Idee gehört der französische Präsident Emmanuel Macron. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lehnt höhere Zölle ab.
Die Wirtschaft bleibt bei dem Thema relativ ruhig und zeigt sich teilweise entsetzt über die Pläne zu höheren Zöllen in Brüssel.
Mercedes: Chinesen halten 20 Prozent am schwäbischen Autokonzern
Besonders die deutsche Autoindustrie ist bereits seit Jahrzehnten stark mit China vernetzt und abhängig vom weltgrößten Automarkt. Jetzt also Einfuhrbeschränkungen zum Schutz der heimischen Wirtschaft? Mercedes-Chef Ola Källenius sah sich gezwungen, sofort das Gegenteil zu fordern: weniger Zölle, Handel ohne Hindernisse. Schließlich gehört ein Fünftel von Mercedes chinesischen Autokonzernen.
Der Stuttgarter Premiumhersteller hat erlebt, wie in China ein erbaulicher Kalenderspruch auf Instagram 2018 eine Krise auslöste. Er stammte vom Dalai Lama. Der Großkonzern entschuldigte sich dafür: Man habe "die Gefühle der Chinesen verletzt". So etwas soll nicht wieder vorkommen.
Chinesische E-Autos in Europa:
Chery und Leapmotor wollen noch 2024 in Spanien und Polen starten
BYD: Noch kein Spatenstich zum ersten Europa-Werk in Ungarn
Chery produziert Verbrenner und E-Autos in Barcelona
Opel-Mutter investiert in Elektroautobauer Leapmotor
Details zum Tesla-Rivalen BYD:
BYD: Senkrechtstarter der E-Mobilität
Fußball-EM soll Bekanntheitsgrad und Marktanteil steigern
BYD in Europa: Zahlen und Meinungen
Deutsche Autohersteller und der Automarkt:
Autoindustrie setzt auf Ungarn
Audi, Mercedes und nun auch BMW
Mercedes für Wettbewerb und gegen höhere Zölle
Mercedes und seine chinesischen Großaktionäre
BMW und China
Chery und Leapmotor wollen noch 2024 in Spanien und Polen starten
In einigen Wochen startet der chinesische Elektroautohersteller Leapmotor mit seiner Produktion in Polen im Werk seines Partners Stellantis. Auch noch in 2024 will Chery Automobile - Chinas größter Autoexporteur - Elektro- und Verbrenner-Pkw in einem ehemaligen Nissan-Werk in Barcelona fertigen. Chery gründete dazu ein Joint Venture mit dem spanischen Konzern Ebro.
BYD: Noch kein Spatenstich zum ersten Europa-Werk in Ungarn
Und dann ist da noch BYD: Der chinesische Autoproduzent, der zum Technologie-Mischkonzern BYD gehört, hat Tesla vor einem Jahr vom Thron bei den Lieferzahlen gestoßen und gilt seitdem als weltgrößter E-Autohersteller. Mit Mercedes besteht eine Partnerschaft für die E-Auto-Marke Denza.
Im März kam ein konzerneigenes BYD-Schiff, prall gefüllt mit Elektroautos, in Bremerhaven an. Bislang sind viele Fahrzeuge - nach Angaben der Tageszeitung Handelsblatt - nicht abgeholt worden. Acht weitere Riesen-Frachter für den Export nach Europa sind schon bestellt. Auch der Shanghaier Autobauer SAIC, der mit VW kooperiert, plant eine Exportflotte mit einem Dutzend Schiffen.
BYDs erstes europäisches Werk in Ungarn soll 2027 in Betrieb gehen. Ein Vorvertrag für einen Grundstückskauf wurde in Szeged unterzeichnet. Die Fabrik soll - ähnlich wie das Tesla-Werk nahe Berlin - relativ schnell hochgezogen werden, die jährliche Fahrzeugproduktion im sechsstelligen Bereich liegen.
BYD will zudem bekannter werden und ist deshalb Sponsor der Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland. Schon bei der letzten Automobil-Ausstellung (IAA) in München war BYD stark vertreten. Die Messe wurde wegen der Vielzahl chinesischer Hersteller auch als "China-Show" bezeichnet.
Chery produziert Verbrenner und E-Autos
Chery könnte bis zu 50.000 Fahrzeuge in Barcelona produzieren. Das staatliche Unternehmen will in erster Linie nicht deutschen oder anderen europäischen Autobauern Konkurrenz machen, sondern koreanischen Herstellern.
Unter den Markennamen Omoda, Jaecoo und Exlantix sollen Chery-Modelle auch auf den deutschen Markt kommen - als erstes ein Kompakt-SUV namens Omoda 5 als Verbrenner, Hybrid und Elektroauto, ab 27.000 Euro.
Opel-Mutter investiert in Elektroautobauer Leapmotor
Die Opel-Mutter Stellantis hat für 1,5 Milliarden Euro rund 20 Prozent vom chinesischen Elektroautobauer Leapmotor gekauft. Dabei wurde auch das Joint Venture „Leapmotor International“ gegründet, das zu 51 Prozent Stellantis gehört. Stellantis hält damit die Rechte für die Produktion, den Verkauf und Export von Leapmotor-Produkten außerhalb von China.
Im Stellantis-Werk im polnischen Tychy sollen ab Sommer 2024 vorgefertigte Bausätze zum Leapmotor-Kleinwagen T03 zusammengesetzt werden. Der Wagen hat ein parkplatzfreundliches Format und einen relativ starken Akku. In Frankreich kostet er 26.000 Euro.
BYD: Senkrechtstarter der E-Mobilität
In China hat BYD im Frühjahr 2023 Volkswagen nach Jahrzehnten als Automobilhersteller mit den höchsten Verkaufszahlen abgelöst. Der meistverkaufte Pkw war zwar vergangenes Jahr ein Tesla, danach folgen aber vier BYD-Modelle.
Modell | Neuzulassungen 2023 | Neuzulassungen 2022 |
Tesla Model Y | 646.845 | 455.091 |
BYD Qin PLUS | 455.863 | 195.350 |
BYD Song PLUS | 427.071 | 411.026 |
BYD Yuan PLUS | 412.202 | 202.058 |
BYD Dolphin | 367.419 | 205.417 |
VW Lavida | 351.931 | 376.627 |
Tesla Model 3 | 300.897 | 255.774 |
BYD Seagull | 280.217 | - |
VW Sagitar | 280.028 | 236.142 |
Great Wall Haval H6 | 273.274 | 288.083 |
Fußball EM 2024 soll Bekanntheitsgrad und Marktanteil steigern
In Deutschland wurden 2023 zunächst nur 4.139 BYD-Neuwagen zugelassen, was einen Marktanteil von 0,1 Prozent ergibt, so die Zahlen vom Kraftfahrtbundesamt. In Zukunft will BYD in Deutschland aber jedes zehnte Elektroauto verkaufen und in Europa zum größten internationalen Fahrzeughersteller werden. Dafür muss der chinesische Hersteller allerdings in Ungarn produzieren, um so Einfuhrzölle zu sparen und preisgünstiger zu werden. Und er muss ein Image aufbauen - dies soll mithilfe der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland gelingen. BYD ist einer der 13 internationalen UEFA Euro 2024 Sponsoren.
Das Unternehmen wird mit seinen Autos an den zehn Spielstätten in Deutschland präsent sein, in den Spielpausen Werbespots schalten und in seinen europäischen Autohäusern Events veranstalten. Aus China kommen noch zwei weitere Sponsoren: Der Elektrokonzern Hisense und der Handyhersteller Vivo, der zu BBK Electronics gehört.
Die drei deutschen internationalen Sponsoren sind Adidas, Lidl und Engelbert Strauss. Den Kreis der nationalen Sponsoren bilden: Bitburger, Deutsche Bahn, Deutsche Telekom, Ergo und Wiesenhof.
Autoindustrie setzt auf Ungarn
In Ungarn ist BYD bereits seit 2017 aktiv und hat dort eine E-Bus-Fabrik gebaut. Das geplante Werk in Szeged wäre allerdings die erste Produktionsstätte für Pkw in Europa, die von einem chinesischen Automobilunternehmen errichtet wird.
Bevor über ein zweites Werk entschieden wird, soll die Entwicklung der Verkäufe in Europa abgewartet werden. Die italienische Regierung bemüht sich allerdings schon sehr um die E-Autokonzerne Tesla und BYD. BYD hat außerhalb von China bereits in Brasilien, Usbekistan, Thailand und Indonesien Fabriken.
In Ungarn bauen derzeit auch der chinesische Batteriehersteller CATL und BMW riesige Batterie-Fabriken. BMW investiert mehr als zwei Milliarden Euro in den Standort. In diesem Werk werden auch E-Autos gebaut.
Audi, Mercedes und nun auch BMW in Ungarn
Den Grundstein für die moderne Autoindustrie in Ungarn legte 1991 Suzuki. Zwei Jahre später folgte Audi als erster deutscher Autobauer. Bis heute hat Audi rund 12 Milliarden Euro in sein Werk in Györ gesteckt und wurde damit zum größten ausländischen Investor in Ungarn.
Mercedes folgte 2012 als zweiter deutscher Premiumhersteller. Der Stuttgarter Konzern errichtete in Ungarn auch sein weltweit erstes "Full-Flex Werk": Sowohl Verbrenner als auch Elektro-Fahrzeuge können auf einem Band gebaut werden.
Der weltgrößte Autozulieferer Bosch beschäftigt in Ungarn rund 19.000 Mitarbeiter. Viele arbeiten in Forschung und Entwicklung.
Mercedes für Wettbewerb und gegen höhere Zölle
Die Autobranche ist international aufgestellt. Es bestehen viele Abhängigkeiten. Es gibt unterschiedliche Märkte und Befindlichkeiten. Das zunehmende Interesse von chinesischen E-Auto-Herstellern an Europa beunruhigt die EU-Kommission. Sie wirft der chinesischen Führung vor, ihren Unternehmen mit unerlaubten Subventionen Vorteile zu verschaffen. In Planung sind deshalb höhere Einfuhrzölle auf E-Auto aus China.
Die deutsche Autoindustrie kritisiert diese Idee. Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius forderte die EU-Kommission stattdessen auf, die Zölle auf Elektroautos aus China zu senken. Die europäische Automobilwirtschaft fürchtet Vergeltungsmaßnahmen der chinesischen Regierung.
Mercedes und seine chinesischen Großaktionäre
Mercedes ist nicht nur bei Verkäufen auf China angewiesen. Etwa 20 Prozent der Anteile des schwäbischen Unternehmens gehören chinesischen Unternehmen. Die Beijing Automotive Group (BAIC) ist ebenso ein Großaktionär wie der chinesische Automobil- und Motorradhersteller Geely.
Der Einstieg des Geely-Chefs Li Shufu über eine Investment-Gesellschaft (Tenaclou3 Prospect Investment) verlief spektakulär. Trotz aktienrechtlicher Meldeschwellen bei drei und fünf Prozent Anteilsbesitz gelang es dem Milliardär Li Shufu 2018 unbemerkt über Strohmänner und Scheinfirmen größter Einzelaktionär von Daimler/Mercedes zu werden.
Dabei war man in Stuttgart auch so geschockt, weil es eine enge Zusammenarbeit mit dem Geely-Konkurrenten BAIC gab. Daimer und BAIC sind seit 2003 strategische Partner. An der BAIC-Tochter BAIC Motor hält Mercedes fast 10 Prozent der Anteile.
Mercedes bemühte sich nach Geelys Überraschungscoup, BAIC auch für eine Beteiligung zu gewinnen, was gelang. BAIC übernahm zunächst 5 Prozent, inzwischen sind es knapp 10 Prozent.
Li Shufu drang auf eine Zusammenarbeit mit Daimler, was zum Joint Venture für den Smart führte. Inzwischen wird der Smart nur noch als Elektroauto und ausschließlich in China für den Weltmarkt produziert. Auch bei Mobilitätsdiensten taten sich Daimler und Geely zusammen.
BMW und China
BMW hat mit dem chinesischen Autobauer Brillance vor 20 Jahren eine Kooperation gegründet. Am Joint-Venture BBA halten die Münchener seit 2022 drei Viertel der Anteile, der Rest gehört dem Partner Brilliance. BMW wurde damit der erste westliche Autokonzern, der die Mehrheit an einem Gemeinschaftsunternehmen in China übernehmen durfte.
In Shenyang produziert das Gemeinschaftsunternehmen in mehreren Werken BMW-Autos aus sieben Modellreihen, jährlich rund 830.000 Wagen. Dazu hat BMW noch mehrere Forschungszentren in China. Nach Unternehmensangaben ist es die größte Entwicklungskapazität der BMW Group außerhalb Deutschlands.
Geforscht wird auch am autonomen Fahren. Als erster ausländischer Hersteller darf BMW auf Shanghais Straßen "Level 2+ Systeme hands off" dauerhaft testen. Dies habe umso mehr Bedeutung, wenn man sich Chinas Verkehrslage ansieht, so BMW.