Die Kritik am Deutschlandticket hält an. Gegner halten es für einen "teuren Flop" - weil mit drei Milliarden Euro Steuergeldern angeblich nur Pendler in Großstädten billigere Monatskarten bekommen, während die Bevölkerung auf dem Land leer ausgeht und ein Minusgeschäft macht. Bahnhöfe und Haltestelle abseits der Zentren verkommen.
Günstiges Ticket - aber immer weniger Züge
Es gibt aber auch Lob: Reisen über Stadt- und Kreisgrenzen hinaus ist einfacher und günstiger geworden. Der Präsident des Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Ingo Wortmann, warnt angesichts der ungesicherten Finanzierung davor, langfristig einen Pyrrhussieg zu erleiden. Das Motto dürfe nicht sein: "Wir haben ein tolles Ticket - aber Busse und Bahnen fahren seltener. Das wollen wir vermeiden. Das macht uns unglaubwürdig." Wortmanns Warnung ist allerdings für Fahrgäste auf viel befahrenen Strecken in Rheinland-Pfalz beispielsweise auf der Mittelrheinstrecke zwischen Mainz und Remagen und in Baden-Württemberg etwa rund um Stuttgart oder Mannheim oft anstrengende Realität.
Ziel: Von elf Millionen Tickets auf 15 Millionen
"Was die Akzeptanz bei Kundinnen und Kunden anbetrifft, ist das Deutschlandticket ein voller Erfolg", sagt Ingo Wortmann. "Was es noch nicht geleistet hat und vielleicht auch noch nicht leisten konnte, ist, wirklich einen Beitrag dazu zu leisten, mehr Menschen vom Auto auf den ÖPNV zu holen. Da sind die Zahlen eher noch niedrig insgesamt - auch bei uns in München. Das heißt: Da müssen wir noch nachlegen. Und deshalb möchte der Verband, dass wir von elf Millionen Tickets auf 15 Millionen Tickets bundesweit kommen.“
Bringt das Deutschlandticket die Verkehrswende?
Momentan noch nicht. Laut Marktforschung haben viele 49-Euro-Ticket-Abonnenten den Nahverkehr schon vorher genutzt. Sie sind einfach von anderen ÖPNV-Tickets umgestiegen. Nur knapp acht Prozent sind wirklich ganz neue Kunden, die erst durch das Deutschlandticket dazu gekommen sind.
Wie viele haben ein Deutschlandticket?
Was die Nutzerzahlen angeht, ist der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zufrieden: Jeder vierte Deutsche hat im vergangenen Jahr ein Deutschlandticket gehabt. Pro Monat sind es 11,2 Millionen Menschen.
In der bundesweiten Marktforschung zum Deutschlandticket hat sich gezeigt:
- Die Nutzenden sind tendenziell eher jung, unter 30 Jahren.
- Das Ticket wird sowohl von Menschen mit wenig - als auch mit viel Geld - gleich stark genutzt.
- Vier von fünf Tickets werden in den Ballungsgebieten verkauft. Auf dem Land ist die Nachfrage gering.
Die Verkehrsunternehmen sagen: Das Deutschlandticket hat geholfen, die Fahrgastzahlen fast wieder auf das Vor-Corona-Niveau zu bringen. Aber finanziell ist es ein Minusgeschäft. Der übergeordnete Verband VDV beschreibt die wirtschaftliche Situation der Unternehmen insgesamt als dramatisch.
Warum ist es für Bund und Länder so teuer?
Früher kosteten Monatskarten für den Nahverkehr im Durchschnitt mehr als 80 Euro, zeigt eine Untersuchung des ADAC von 2021. Das Deutschlandticket liegt bei 49 Euro, es ist also deutlich günstiger. Gleichzeitig sind die Kosten der Verkehrsunternehmen gestiegen etwa für Strom, Diesel und das Personal. Unterm Strich rutschen sie durch das Deutschlandticket ins Minus.
Bund und Länder zahlen zusammen drei Milliarden Euro pro Jahr, um diese Verluste auszugleichen. Im vergangenen Jahr hat das Geld gereicht und es ist noch gut eine Milliarde Euro übrig. Aber da gab es das Deutschlandticket auch nur acht Monate.
Das Geld wird auf dieses Jahr übertragen, aber spätestens 2025 wird davon wahrscheinlich nichts mehr übrig sein. Wie viel Geld in den Folgejahren gebraucht werden wird, ist noch nicht klar. Deswegen tut sich der Bund derzeit auch so schwer mit pauschalen Budget-Zusagen für die Zukunft.
Bleibt der Preis von 49 Euro?
Der Preis soll bis zum Jahresende nicht steigen, was ab 2025 passiert, ist unklar. Die Verkehrsunternehmen und die Politik wollen grundsätzlich am Deutschlandticket festhalten. Die Geldfrage soll aber mittelfristig gelöst werden, um immer wiederkehrende Diskussionen darüber zu vermeiden und auch für Unternehmen wie Kundschaft Planungssicherheit zu schaffen. Es ist absehbar, dass auch von den Kundinnen und Kunden in Zukunft ein höherer Beitrag verlangt werden wird als 49 Euro pro Monat. Schon jetzt haben die Verkehrsunternehmen finanzielle Probleme. Manche haben sogar schon ihr Streckenangebot gekürzt. Dabei soll der ÖPNV ausgebaut werden, auch auf dem Land.
Das Ziel der Bundesregierung ist: Bis 2030 die Fahrgastzahlen im ÖPNV verdoppeln. Auch, um die Klimaschutzziele zu erreichen.
Laut einer Studie im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums braucht der Nahverkehr im Jahr 2031 bis zu 31 Milliarden Euro Zuschüsse. Momentan zeichnet sich nicht ab, wie diese Summe zustande kommen soll. Es liegt also nahe, dass auch die Ticketpreise steigen werden. Klar ist aber auch: Das Deutschlandticket darf nicht zu teuer werden, sonst gehen die Nutzerzahlen wieder zurück.
Wie könnte sinnvoll gespart werden?
Ein eigenes Buchungsportal für das Deutschlandticket könnte enorme Kosten sparen. Derzeit kann das Ticket an zig verschiedenen Stellen gebucht werden: In Mainz beispielsweise bei 18 verschiedenen Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünden, in Stuttgart sind es elf. Die verschiedenen Portale müssen alle Abo-Bestellungen und Kündigungen annehmen und bearbeiten. Das kostet Geld.
Die Hoffnung wäre, dass sich der Aufwand mit einer zentralen Plattform deutlich verringern würde. Und noch ein weiterer Punkt: Mehr Einheitlichkeit. Das Deutschlandticket kostet zwar überall gleich viel und es gilt in ganz Deutschland – egal, wo man es gekauft hat. Trotzdem gibt es im Detail um die 150 Unterschiede. In einem Verkehrsverbund kann man etwa ein Fahrrad kostenlos mitnehmen, im anderen nicht. Manche Verbünde bieten an, gegen einen Aufpreis Freunde oder Familie mitnehmen zu dürfen, andere nicht. Es wäre aber schön, wenn sowas überall einheitlich wäre.
Extreme Herausforderung: Deutschlandticket und Deutsche Bahn
Ein Sonderfall bleibt die Fahrt mit dem Zug: Wer mit Deutschlandticket in der Deutschen Bahn unterwegs ist, erlebt zur Rush Hour Situationen, die verwundern. An fast jedem Bahnhof ertönt die Durchsage, dass die Türen frei gemacht werden müssen, weil sonst eine Weiterfahrt nicht möglich ist. Regionalzüge sind besonders an den Wochenenden völlig überfüllt. Fahrradfahrer können oft nicht mehr einsteigen. Dazu kommen noch Fälle von Störungen und Sabotage: Im Frühjahr/Sommer schneiden oder pflücken Personen Kräuter oder Beeren entlang von Gleisanlagen. Und Diebe klauen schon mal Kupferkabel.