In der CDU in Baden-Württemberg wächst der Widerstand gegen das geplante Gleichbehandlungsgesetz, das nach dem Willen der Grünen-Fraktion noch vor der Sommerpause von der Landesregierung beschlossen werden soll. Das Wirtschaftsministerium von Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) befürchtet, dass die Landesverwaltung durch das Gesetz langsamer wird und durch mehr Bürokratie zusätzliche Kosten entstehen.
"Aus Sicht des Wirtschaftsministeriums ist das Verhältnis von bürokratischem Aufwand und Nutzen für die Betroffenen nicht ausgewogen", sagte ein Sprecher dem SWR. Dieser Meinung seien auch die Kommunen, die Industrie- und Handelskammern und der Normenkontrollrat.
CDU-Wirtschaftsexperte mahnt Grüne zu Demut
Unterstützung kommt aus der CDU-Landtagsfraktion: Winfried Mack, wirtschaftspolitischer Sprecher, sagte dem SWR: "Es wäre Realitätsverweigerung, jetzt mit dem Kopf durch die Wand zu marschieren." Er mahnte: "Die Grünen müssen sehen: Sie haben bei der Europawahl 13,8 Prozent und nicht 51 Prozent bekommen." Auch der Beamtenbund in BW lehnt das Gesetz rundweg ab. Die öffentliche Verwaltung würde damit unter "Generalverdacht" gestellt, beklagt Kai Rosenberger, Vorsitzender von Beamtenbund Tarifunion. Damit steigt der Druck auf Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) - der sich den Bürokratieabbau auf die Fahnen geschrieben hat -, das Vorhaben doch noch zu kippen.
Opposition nennt Gesetz "bürokratisches Monstrum"
Aus der Opposition kam die Forderung an die Grünen, die Gesetzespläne umgehend fallen zu lassen. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte: "Wir unterstützen die CDU darin, dieses bürokratische Monstrum aus der Giftküche der Grünen zu verhindern." Es drohe eine weitere Belastung der Wirtschaft sowie ein Misstrauensvotum gegenüber den Beamtinnen und Beamten. "Die Landesregierung sollte auf ihren eigenen Normenkontrollrat hören und diesen Unfug einstampfen." Ähnlich sieht das die AfD-Fraktion. "Das Gesetz ist ein rein linksideologisch motiviertes Bürokratiemonstrum, um Behörden unter Generalverdacht zu stellen", sagte der AfD-Abgeordnete Rüdiger Klos.
Gegen Diskriminierung im Finanzamt oder in der Ausländerbehörde
Nach den bisherigen Plänen sollen sich Bürgerinnen und Bürger künftig leichter gegen eine Benachteiligung etwa wegen Herkunft, Geschlecht, Religion, Hautfarbe oder Sprache durch Behörden wehren können. Mitte Dezember hatte der Ministerrat aus Grünen und CDU den ersten Entwurf dazu gebilligt. Das Vorhaben war auf Drängen des linken Flügels der Grünen im Koalitionsvertrag gelandet - der frühere Landesparteichef und heutige Fraktionsvize Oliver Hildenbrand gilt als Initiator.
Danach soll das Recht auf Gleichbehandlung auch beim Finanzamt, in der Ausländerbehörde oder auf dem Polizeirevier gelten. Damit würde das Land das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz des Bundes ergänzen, das auf den privaten Bereich zielt - wie etwa die Gleichbehandlung bei der Wohnungssuche oder am Arbeitsplatz. Wie der SWR aus der Koalition erfuhr, soll das Kabinett noch vor der Sommerpause über das Gesetz entscheiden. Hinter den Plänen stehen Sozialverbände und Gewerkschaften wie ver.di.
Wirtschaftsministerium sieht weitere Nachteile
Das Wirtschaftsministerium kritisiert auch, dass nicht nur die öffentliche Verwaltung von dem Gesetz betroffen wäre, sondern auch "Beliehene". Damit gemeint sind zum Beispiel Schornsteinfeger, die im Auftrag des Staates hoheitliche Aufgaben übernehmen. Aber auch Kammern seien betroffen.
Wegen der Wirtschaftskrise passe das grüne Prestigeprojekt nicht mehr in die Zeit, heißt es bei der CDU. Es sei auch keine Abkehr vom Koalitionsvertrag, wenn man das Gleichbehandlungsgesetz ablehne. Schließlich stehe auch der Bürokratieabbau in dem Vertrag. Somit gebe es zwei konkurrierende Ziele. Auch Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) hatte vor einiger Zeit vor einem "Bürokratiemonster" gewarnt.
Beamtenbund hält Gesetz für "komplett entbehrlich"
Der Beamtenbund hält das geplante Gesetz für "komplett entbehrlich und teilweise sogar für eine Gefahr für die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes". Landeschef Rosenberger empfiehlt der Landesregierung in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf, die dem SWR vorliegt, "vernünftigerweise von dem Gesetzgebungsverfahren Abstand zu nehmen. Dies wäre auch ein Nachweis, dass es der Landesregierung mit dem in der 'Entlastungsallianz' publikumswirksam angekündigten Bürokratieabbau wirklich ernst ist".
Rosenberger erklärt darin weiter, es stehe außer Frage, dass es keine Diskriminierung in Behörden geben dürfe. Dies sei aber im Grundgesetz schon abgesichert. Den Entwurf für das Landesgesetz hält Rosenberger für "weitgehend ideologisch" geprägt. Aus seiner Sicht enthält der Entwurf nun eben doch eine "Beweislastumkehr", wonach Staatsbedienstete bei einem Vorwurf ihre Unschuld nachweisen müssten. "Es ist ein 'Antidiskriminierungsgesetz' mit einseitiger Auslegung, das die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes unter Generalverdacht stellt."
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Wirtschaft BW befürchtet lahmgelegte Verwaltung
Die Wirtschaft in Baden-Württemberg warnte die Landesregierung, das Gesetz zu beschließen. Die gemeinsame Arbeit in der Entlastungsallianz sei teilweise "ein mühsames Vorankommen in kleinen Schritten", sagte ein Sprecher des Verbands Unternehmer Baden-Württemberg dem SWR. "Wir hätten daher überhaupt kein Verständnis dafür, wenn die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen an diesem Vorhaben festhalten und damit gleich einen ganz Block zusätzlicher Bürokratie schaffen würden - zumal dies die öffentliche Verwaltung noch mehr davon abhalten würde, die Anliegen von Bürgern und Wirtschaft effizient zu bearbeiten". Auch der Industrie- und Handelskammertag hatte erklärt, man befürchte, dass die Verwaltung "irgendwann lahmgelegt" werde.
Normenkontrollrat brachte Kompromissvorschlag ein
Der Normenkontrollrat, der quasi für den Bürokratie-TÜV im Land zuständig ist, hatte ebenfalls dringend von dem Gesetz abgeraten. Vorsitzender des unabhängigen Gremiums, das die Landesregierung beim Abbau von Bürokratie beraten soll, ist der frühere Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne). Vom Normenkontrollrat stammt auch der Vorschlag, das Gleichbehandlungsgesetz zunächst befristet auf zwei Jahre probeweise und ausschließlich für die Landesverwaltung einzuführen. Damit wären die Kommunen und die "Beliehenen" erstmal davon befreit.