Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vergangene Woche fehlen im Bundeshaushalt 60 Milliarden Euro für Klimaschutzmaßnahmen und den klimagerechten Umbau der Wirtschaft. Der Vorsitzende der Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg, Jörg Dürr-Pucher, schlägt deshalb vor, zunächst auf die Wärmewende zu setzen und vor allem Tiefengeothermie und industrielle Abwärme als Wärmequellen zu erschließen. "Wir haben da ungeheure Potentiale, die einfach rumliegen und nichts kosten", sagte Dürr-Pucher dem SWR. Die Wärmeversorgung in Einzelgebäuden kann dagegen aus seiner Sicht auch erst einige Jahre später umgestellt werden.
Die Gemeinde Aldingen (Landkreis Tuttlingen) ist den Schritt zum Wärmenetz schon vor elf Jahren gegangen und hat die Nahwärme-Versorgung seitdem stetig ausgebaut. Das wird bei einem von der Plattform Erneuerbare Energien organisierten Pressetermin klar.
Wärmenetze brauchen viele Abnehmerinnen und Abnehmer
Armin Benzing vom Planungsbüro Zelsius hat den Aufbau des Wärmenetzes in Aldingen von Beginn an begleitet. Die Grundidee war damals, so erinnert er sich, kommunale Gebäude per Blockheizkraftwerk zu heizen. Schnell sei dann aber klar gewesen: "Es muss eine Abfrage geben bei Bürgern, die entlang dieser Trasse wohnen, ob die Interesse haben, sich an die Nahwärme anzuschließen. Damit wird die Sache wesentlich schneller wirtschaftlich." Benzing selbst hat damals Klinken geputzt und die Anliegerinnen und Anlieger individuell beraten.
Hilfreich sei zu Beginn auch gewesen, dass eine größere ansässige Firma begonnen habe, selbst Strom zu erzeugen, und die überschüssige Wärme seitdem an das Wärmenetz abgibt. "Eine Kooperation zwischen Kommune und privater Wirtschaft, um energetische Fragen zu lösen - das wurde damals schon als Leuchtturmprojekt im Land Baden-Württemberg diskutiert", sagt Benzing. Inzwischen speisen weitere Firmen Wärme ein.
Nahwärme oder Fernwärme?
Von Nahwärme ist in Aldingen übrigens deshalb die Rede, weil die Kommune vergleichsweise klein ist. In Städten spricht man eher von Fernwärme. Das Prinzip ist aber das gleiche.
Jörg Dürr-Pucher von der Plattform Erneuerbare Energien hebt hervor, dass der Umbau der Wärmeversorgung in kleineren Kommunen - Aldingen hat rund 7.500 Einwohnerinnen und Einwohner - schneller geht. In größeren Kommunen stehe man vor größeren Aufgaben. Doch teilweise seien die leichter zu lösen, denn: "Es gibt ein Stadtwerk, es gibt Firmen, die das abarbeiten, es gibt viel mehr Abnahme pro Trassenmeter." Was den ländlichen Raum angeht, plädiert Dürr-Pucher deshalb für gemeinsame Wärmenetze mehrerer Kommunen. Für Wartung, Reparatur und Entwicklung seien größere Einheiten nötig.
Holzhackschnitzel wärmen das Dorf Breitenholz
Eine Kommune, die den Umstieg ganz ohne größere Einheit geschafft hat, ist das 750-Einwohner-Dorf Breitenholz im Kreis Tübingen. Das zeigt ein weiterer Pressetermin. Seit Juli sorgen hier drei Holzhackschnitzel-Heizkessel für CO2-neutrale Wärme. Die Genossenschaft Bürger-Energie Tübingen hat das Projekt umgesetzt. Tatsächlich war hier die größte Herausforderung, erstmal genug Abnehmer und Abnehmerinnen zu finden, sagt Günther Gamerdinger, der im Vorstand der Genossenschaft ist. "Die Hauptangst ist: Man gibt die Heizung ab und gibt sie in fremde Hände." Auch für den örtlichen Gasthof habe die Zuverlässigkeit eine Rolle gespielt. Dort habe es geheißen: In den Gästezimmern muss alles hundertprozentig funktionieren. Gamerdingers Hauptargument: "Wasser- und Stromversorgung ist ja auch zentral."
Das hat viele überzeugt, aber nicht alle. Manche hätten zu Planungsbeginn gerade neu gebaut und hätten nicht warten können, bis die zentrale Anlage fertig war, erläutert Gamerdinger. Andere hätten kurz vorher erst ihre eigene Heizung erneuert. Aber inzwischen sind 130 der 250 Gebäude an Bord. Noch 50 mehr könnte die Holzhackschnitzel-Anlage bedienen. "Mit über 50 Prozent haben wir eine gute Quote hier", findet Gamerdinger.
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