Der Umstieg in den Anschlusszug oder -bus solle "kein Glücksrennen mehr sein". Mit diesem Satz hat BW-Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Montag einen neuen Aktionsplan seines Ministeriums in Stuttgart vorgestellt. Der Schienenpersonennahverkehr soll besser werden - etwa indem Anschlüsse zuverlässiger erreicht werden. Für mehr Qualität auf der Schiene soll ein Bündel an Maßnahmen über mehrere Jahre sorgen.
Für den Fahrgastverband Pro Bahn kommen die Maßnahmen nicht früh genug. "Es war längst überfällig, dass sich das Ministerium um die derzeit desolate Qualität des Schienenpersonennahverkehrs kümmert", so der Pro-Bahn-Landesvorsitzende Joachim Barth gegenüber dem SWR.
Puffer im Fahrplan für bessere Anschlusssicherheit
Eine der Stellschrauben, die das Ministerium ausgemacht hat, um den Zugverkehr im Land besser zu machen, sind Puffer im Fahrplan. Durch mehr solcher Puffer sollen Pendlerinnen und Pendler künftig ihren Anschlusszug oder -bus zuverlässiger erreichen. Beim Erstellen der Fahrpläne werde die Zuverlässigkeit von Verbindungen in Zukunft höher gewichtet als die maximale Zeitersparnis, wie das Verkehrsministerium am Montag mitteilte. Konkret könne das heißen, dass eine Verbindung gemäß Regelfahrplan ein paar Minuten länger als bislang dauere. Dafür sollen die Anschlüsse aber erreicht werden. "Umsteigen soll kein Glücksrennen mehr sein", so Minister Hermann.
Der Pro-Bahn-Landesvorsitzende Barth sieht im Aktionsplan die richtigen Probleme benannt: "zu knappe Fahrzeiten, fehlende Anschlusssicherung, Personalmangel und Probleme mit der Schieneninfrastruktur". Gerade bei der Infrastruktur könnte es aber keine kurzfristigen Lösungen geben. "Bauen braucht Zeit und kostet Geld, das der Staat erstmal bereitstellen muss", so Barth.
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Auch in Baden-Württemberg haben zahlreiche Pendlerinnen und Pendler bei der ARD-Umfrage zu #besserBahnfahren teilgenommen. Das Ergebnis: Die meisten machen schlechte Erfahrungen mit der Bahn.
Höhere Vertragsstrafen für Eisenbahnverkehrsunternehmen
Auch Verkehrsverträge des Landes mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) werden überarbeitet. Ziel ist es unter anderem, Strafen für nicht erfüllte vereinbarte Leistungen neu zu gewichten: Sind Versäumnisse wie Zugausfälle und Unpünktlichkeit vom Unternehmen selbst verschuldet, fallen die Vertragsstrafen höher aus, bei fremdverschuldeten Qualitätsproblemen im Gegenzug geringer. Auf diese Weise soll ein gezielter Qualitätsanreiz für die Unternehmen gesetzt werden.
Gleich mit mehreren Maßnahmen will Baden-Württemberg die Unternehmen bei der Gewinnung von Fachkräften unterstützen - und zwar organisatorisch, kommunikativ oder auch finanziell. Hierfür soll eine Allianz zur Gewinnung von Fachkräften mit der Branche gebildet werden.
Ein "Qualitätsanwalt" begleitet die Umsetzung
Die Umsetzung der Maßnahmen begleitet von Oktober an ein "Qualitätsanwalt". Für diese Aufgabe habe man mit Matthias Lieb einen ausgewiesenen Experten gewinnen können, so das Ministerium. Er habe sich in einem offenen Auswahlprozess durchsetzen können und sich bereits seit Längerem in verschiedenen Funktionen für Fahrgastinteressen stark gemacht. Lieb ist aktuell der BW-Landesvorsitzende des Verkehrsclub Deutschland (VCD), wo er sich für Interessen von Fahrgästen einsetzt. Der "Qualitätsanwalt" soll laut Ministerium auch genau deren Anliegen im Schienenpersonennahverkehr im Blick haben und sich unter anderem für eine bessere Kommunikation einsetzen.
Schrittweise soll jede Region beziehungsweise jeder Verkehrsvertrag von einem Qualitätsmanager betreut werden, der die Qualität eng überwacht und sich um Schwachstellen kümmert. Auch sollen nebenamtliche Qualitätsscouts in den Zügen unterwegs sein, um strukturelle Qualitätsmängel zu identifizieren und diese zu melden.
Aktionsplan wichtig für die Mobilitätswende
Die wachsende Zahl an Fahrgästen treffe auf ein marodes Schienensystem und Personalmangel, so der Minister. Diese Herausforderung gelte es zu meistern.
Hermann will jetzt in die Offensive gehen und die Qualität im schienengebundenen Nahverkehr steigern. "Die Zwanzigerjahre sollen Jahre der Qualitätsverbesserung werden." Joachim Barth von Pro Bahn lobt vor allem die neue Position des "Qualitätsanwalts" und die Besetzung des Postens mit Matthias Lieb. Diese sei mit der Hoffnung verbunden, dass die Qualität des Schienenverkehrs in Zukunft einen höheren Stellenwert bei den Entscheidungen des Ministeriums bekomme. Schnelle Verbesserungen sollten die Fahrgäste aber lieber nicht erwarten, dazu sei das System zu komplex.