Traditionen haben vor allem in unruhigen Zeiten etwas Beruhigendes: Man weiß, was passiert. Und so hob auch an diesem 24. Juli 2023 einmal mehr ein Ulmer Stadtoberhaupt gegen 12 Uhr zum Klang der Schwörglocke den rechten Arm in die Höhe, streckte drei Finger aus und sagte feierlich: "Reichen und Armen ein gemeiner Mann zu sein in den gleichen, gemeinsamen und redlichen Dingen, ohne allen Vorbehalt." Die letzten Worte der traditionellen Rede, seit 1397 läuft das so.
Schwörrede 2023 beginnt mit Krieg in der Ukraine
Doch wer Gunter Czisch (CDU) in den 60 vorangegangenen Minuten zugehört hatte, dürfte nicht uneingeschränkt beruhigt in den restlichen Teil des Ulmer Stadtfeiertags gehen. Es ging auch um Krieg und Flüchtlinge, um Egoismus und den Klimawandel. Ulm sei "keine Insel, sondern Teil eines größeren Ganzen". Aber der Reihe nach.
Schwörrede kurzfristig ins Ulmer Münster verlegt
Knapp zwei Stunden vor Beginn hatte die Stadt die Schwörrede doch unter das Dach des Ulmer Münsters verlegt. Der Ulmer Weinhof war zu dem Zeitpunkt schon voll bestuhlt, die Wetteraussichten wohl aber zu unsicher. Traditionell hält der Oberbürgermeister seine Rede eigentlich vom Balkon des Schwörhauses aus.
Der Rechenschaftsbericht, den der Ulmer Oberbürgermeister einmal im Jahr ablegt, enthielt auch dieses Mal eine ordentliche Portion Eigenlob ("Ulm steht alles in allem gut da", "Die vielen Baustellen in der Stadt (...) beweisen: Es geht voran", "Heute ist Ulm Vorreiter beim digitalen Wandel und bundesweit dafür bekannt"), eine kaum enden wollende Welle an Glückwünschen (unter anderem 100 Jahre Arbeiter-Samariter-Bund Ulm, 75 Jahre Jägervereinigung, 50 Jahre Alb-Donau-Kreis und Aufstieg der Ulmer Fußballer und Meisterschaft der Basketballer) und jede Menge Danksagungen (zu viele, um sie hier aufzuzählen).
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Czisch kritisiert ungelöstes Flüchtlingsproblem
Doch Czisch sprach auch die weltweiten Probleme an, die einer Stadt wie Ulm sehr wohl zu schaffen machen. Da wäre zum einen der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die Flüchtlinge, die die Stadt versorgen muss. Überhaupt Flüchtlinge: Czisch kritisierte "Unfähigkeit zu einer solidarischen, wahrhaft europäischen Einigung zum Umgang mit diesen Menschen" mit der Folge, dass die Kommunen "langsam nicht mehr wissen, wie und wo sie die Geflüchteten menschenwürdig unterbringen sollen".
Der Oberbürgermeister zählte anschließend sechs Handlungsfeldern auf, die er in den kommenden Jahren für seine Stadt sieht. Unter anderem "die ökologisch, sozial und kulturell integrierte Stadt Ulm", "Neue Mobilität, Digitalisierung, Klimaneutralität" oder "wirtschaftliche Kraft und soziale Verantwortung". Die Punkte klingen im ersten Moment etwas ungelenk, wurden bei der Ausführung aber konkret.
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Landesgartenschau Ulm ist "Jahrhundertchance"
Wie dicht Chancen und Herausforderungen beisammen liegen, machte Czisch beim Feld "ökologisch, sozial und kulturell integrierte Stadt Ulm" deutlich: Hier führte er die anstehende Landesgartenschau im Jahr 2030 ("Eine Jahrhundertchance für unsere Stadt") und die Umbauten an, die auf die Stadt zukommen. Eine Stadt übrigens, die weiter wachsen wird: "2035 rechnen wir mit 143.000 Einwohnern", derzeit sind es 129.000 ("Deshalb steht Ulm beim Wohnbau vor der größten Herausforderung seit Jahrzehnten").
Im Handlungsfeld Mobilität warb Czisch für "mehr kommunale Handlungsfreiheit, selbst zu entscheiden". Hintergrund: Die Stadt ist einer der Treiber der Städteinitiative "lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeit" und würde gerne selbst über Tempolimits entscheiden, was bislang aber bei Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) auf taube Ohren stößt.
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Besonders stolz zeigte sich Czisch, immerhin früherer Finanzbürgermeister, gegen Ende der Schwörrede, als er "die geringsten Schulden seit 1990" und "einen ausgeglichenen Haushalt" verkündete, während die Schuldenberge in Deutschland "exorbitant" wachsen. Zumindest in diesem Punkt ist Ulm dann doch eine Insel.