In Syrien geboren

Flucht, Gefängnis, Pumuckl: Die lange Reise der Ulmer Filmemacherin Shaam Joli

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Autor/in
Katja Stolle-Kranz
Katja Stolle-Kranz

Mit zwölf Jahren flüchtet sie allein nach Deutschland - heute lebt die gebürtige Syrerin Shaam Joli als freie Filmemacherin in Ulm. Und das liegt auch an Pumuckl.  

Als Teenager schicken sie ihre Eltern auf die Flucht aus Damaskus. Ganz allein schlägt sich Shaam Joli über mehrere Länder bis nach Deutschland durch. In Ulm findet sie eine neue Heimat - und vergöttert die Filme mit dem beliebten Fernsehkobold Pumuckl. Heute ist sie selbst Filmemacherin. Die 28-Jährige hat Regie und Schauspiel studiert und setzt sich mit vielen ernsten Themen ihres Heimatlandes auseinander. Einen Kurzfilm drehte sie auf der Wilhelmsburg.

Deutsch pauken mit Pumuckl 

An die erste Zeit in Ulm erinnert sich Shaam Joli noch sehr genau: "Da war viel Schule, Deutsch lernen - und ohne Pumuckl ging nichts. Ich liebe ihn. Ich konnte nachher sogar seinen bayerischen Dialekt". Damals wächst sie in einem Kinderheim in Ulm auf. Hier fühlt sie sich seit ihrer schwierigen Flucht nach Deutschland endlich wieder aufgehoben: "Die waren so fürsorglich dort. Einen besseren Ort hätte ich mir nicht vorstellen können", erzählt die junge Frau mit den langen schwarzen Locken.

Aufwärmübungen im Probenraum auf der Ulmer Wilhelmsburg: Hier hat die gebürtige Syrerin Shaam Joli schon viel Zeit verbracht.
Aufwärmübungen im Probenraum auf der Ulmer Wilhelmsburg: Hier hat die gebürtige Syrerin Shaam Joli schon viel Zeit verbracht.

Die Ulmer Wilhelmsburg - ein "magischer" Ort 

Schon früh weiß Shaam Joli, dass sie den Menschen das erzählen möchte, was ihnen sonst verborgen bleibt. Als sie nach dem Abitur einen Studienplatz an der Akademie für darstellende Kunst (adk-ulm) bekommt, freut sie sich riesig. Schon während des Studiums wagt sie sich als Regisseurin an ein Theaterstück, das sich mit dem Thema "Ehrenmord" beschäftigt. Das aufrüttelnde Stück "Dark Village" der Autorin Laura Federolf um Macht und Frauenverachtung wird 2021 auf der Ulmer Wilhelmsburg aufgeführt.  

Immer wieder zieht es Shaam Joli auf die Festung auf dem Michelsberg: "Ich mag es hier sehr und habe zwei Sommer mit Theater hier verbracht." Vor allem im Probenraum Nr. 5, einem der renovierten Räume für Kulturschaffende: "Hier haben wir uns geschminkt, die Texte besprochen und uns vorbereitet", so Shaam Joli.

Eine Frau ist in einem Kerker an den Armen aufgehängt - eine Szene aus dem Film "The Prison". Darin geht es um eine wahre Geschichte einer Frau in einem syrischen Gefängnis. Shaam Jolie hat den Film mit ihrem kleinen Team im Gewölbe der Ulmer Wilhelmsburg gedreht.
Eine Szene aus dem Film "The Prison" - darin geht es um die wahre Geschichte einer Frau in einem syrischen Gefängnis. Shaam Jolie hat den Film mit ihrem kleinen Team im Gewölbe der Ulmer Wilhelmsburg gedreht.

In der Wilhelmsburg hat sie im vergangenen Jahr mit einem kleinen Team aus befreundeten Kulturschaffenden auch ihren ersten Kurzfilm gedreht. "The Prison" ist eine wahre Geschichte über eine Studentin, die in ihrem Heimatland Syrien auf offener Straße verhaftet wird. Dann wird sie im Gefängnis von einem Wärter gefoltert und vergewaltigt: "Dadurch, dass ich die Burg so gut kannte, kam ich auf die Idee, da unten im Keller zu drehen. Weil bei uns ist es ähnlich, also die Gefängnisse in Syrien sind ähnlich gebaut, sehr lang gebaut, sehr mauerhaft". Das sehe man auch häufig in Videos.

Was der Film mit ihrer eigenen Geschichte zu tun hat 

"Was die Protagonistin in unserem Film in ihrer Haft in Syrien erleiden muss, das ist mir zum Glück nicht passiert. Aber auch ich war auf meiner Flucht in einem Gefängnis, allerdings in der Türkei", berichtet Shaam Joli. Als sie als Kind in der Türkei entdeckt wurde, hat man sie dort mehrere Monate eingesperrt: "Ich war tatsächlich vier Tage in Einzelhaft, bis ich in ein gemischtes Gefängnis in Istanbul transportiert wurde. Es waren in einem Zimmer um die 60 Frauen. Vier, fünf Betten aufeinander gebaut - diese Aufeinanderbetten. Ich wurde da einfach reingesteckt."

Nur durch eine Knieverletzung und den Tipp eines Arztes, der zufällig ein Landsmann ist, gelingt es ihr Mithilfe eines Asylantrags aus dem Gefängnis zu kommen und sich bis nach Deutschland durchzuschlagen.  

Shaam Joli auf einem Sofa  in der Filmrolle einer syrischen Studentin, die einem Therapeuten erzählt, wie sie in einem Gefängnis gefoltert wurde. Eine Szene aus Jolis Film "The Prison" über Menschenrechtsverletzungen.
Shaam Joli in der Filmrolle einer syrischen Studentin, die einem Therapeuten erzählt, wie sie in einem Gefängnis gefoltert wurde. Eine Szene aus Jolis Film "The Prison" über Menschenrechtsverletzungen.

Ulmer Syrerin - Sorge um Heimatland

Inzwischen lebt Shaam Joli schon 16 Jahre in Deutschland: "Das alles liegt jetzt hinter mir", meint die Filmemacherin nachdenklich über ihre Flucht. Doch die Sorge um ihr Heimatland bleibt - auch nach dem Sturz der Diktatur: "Solange die Lage noch so unsicher ist, kannst du da niemanden zurückschicken. Über 90 Prozent der Bevölkerung leben in Armut, man weiß nicht, wie es weitergeht." Sie selbst war vor zwei Jahren ein erstes und bisher einziges Mal seit ihrer Flucht in ihrer Heimatstadt. Im Moment möchte sie sich auf ihre Arbeit in Ulm konzentrieren.  

Gerade arbeitet sie an einem Drehbuch zum Thema Rassismus, den sie selbst im Alltag erlebt. Mit Schauspielauftritten in einem Verkehrserziehungsprojekt in Kitas oder zum Thema "Fake News" in Schulen finanziert sie ihre Filmarbeit. 

Diese Arbeit ist mein Leben. Ich möchte denen, die es selbst nicht können, eine Stimme geben.

Shaam Jolie: "Ich war auch nur eine Zahl"

Mit Filmen wie "The Prison" möchte sie auf den "Schrecken in der Welt" aufmerksam machen, sagt Shaam Joli: "Diese Arbeit ist mein Leben. Ich kann mir mein Leben ohne nicht mehr vorstellen". Außerdem wolle sie denen, die es selbst nicht können, eine Stimme geben: "Die kleinen Geschichten, die man normalerweise als Zahlen im Fernsehen sieht. 1.300 Gefangene. Aber keiner weiß genau, was hinter jedem von diesem Menschen steckt. Ich war ja auch eine davon. Von den 700 oder 600 Gefangenen in der Türkei. Oder ich war auch nur ein Flüchtling, ich war auch nur eine Zahl."

Dass der Kurzfilm "The Prison" bei den renommierten Filmtagen Oberschwaben vergangenen Herbst mit einem internationalen Frauenfilmpreis ausgezeichnet wurde - das bedeutet Shaam Joli viel: "Da baut sich so auch ein größeres Publikum auf." Dies sei auch Motivation für ihre künftige Arbeit.

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