Silhouette eines Mannes, der auf einen Bildschirm schaut. Menschen mit pädophilen Neigungen bekommen seit zehn Jahren in Ulm Hilfe über das Projekt "Kein Täter werden". So sollen Kinder geschützt werden (Symbolbild).

Zehn Jahre Präventionsprojekt in Ulm

"Kein Täter werden": Hilfe für Menschen mit pädophilen Neigungen

Stand
Autor/in
Catharina Straß
Catharina Straß

Menschen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen, bekommen in Ulm seit inzwischen zehn Jahren Hilfe. Über das Projekt "Kein Täter werden" sollen Übergriffe an Kindern verhindert werden.

Menschen - vor allem Männer - mit pädophilen Neigungen können in Ulm seit zehn Jahren Hilfe in Anspruch nehmen. Betroffene wie Michael, der eigentlich anders heißt, können sich hier melden, bevor sie einem Kind Schaden zufügen.

Video herunterladen (70,2 MB | MP4)

Betroffener: "Möchte weder mich noch andere schädigen"

Michael weiß seit seiner Jugend von seiner Pädophilie. "Ich bemerkte mein Verlangen, indem ich öffentliche Plätze wie Bäder oder ähnliches besuchte. Was mir selbst nicht gut tat." Anfangs habe er sich Missbrauchsdarstellungen im Internet, sogenannte Kinder- und Jugendpornografie, angesehen. Damit habe er schnell wieder aufgehört, aber die Neigung sei geblieben.

Ich möchte weder mich noch andere verletzen und schädigen.

Seine Pädophilie hält Michael lange geheim. Er weiß, dass er ihr nicht nachgeben darf, sucht Hilfe bei Psychotherapeuten. Doch die sind mit seinem Problem überfordert, glaubt er. Michael ist verzweifelt, kämpft mit Depressionen. Als er sich vor vier Jahren stark zu einem Kind hingezogen fühlt, wird ihm klar, dass er mit seiner Neigung nicht allein umgehen kann. Er ist sich sicher: "Ich möchte weder mich noch andere verletzen oder schädigen."

Präventionsprojekt bietet vertrauliche Hilfe

Michael meldet sich bei "Kein Täter werden", bekommt vertrauliche Hilfe. Die Anlaufstelle für pädophile Menschen ist 2005 an der Berliner Charité entstanden. Bundesweit gibt es 14 Standorte, einer davon ist in Ulm. 

Das sind Menschen, die das Recht haben, Hilfe zu bekommen.

In Ulm wird das Projekt vom Universitätsklinikum getragen und in Baden-Württemberg von den Krankenkassen und vom Sozialministerium finanziert. Ziel des von der Berliner Charité koordinierten Projekts sei es, sexuelle Gewalt an Kindern sowie den Konsum von kinderpornografischen Darstellungen bereits im Vorfeld zu verhindern, heißt es dazu.

Mit Therapie gegen pädophile Neigungen

Erst Einzel-, dann Gruppentherapie soll Betroffenen helfen, mit ihrer Pädophilie umzugehen und sich selbst und Kinder zu schützen. Durch die Beratung Betroffener sollen sexuelle Übergriffe auf Kinder verhindert werden. Seit der Eröffnung des Ulmer Standorts vor zehn Jahren haben sich laut Projektleitung rund 300 Menschen gemeldet. An die 80 haben das Therapie-Angebot genutzt, nur von zweien sei bekannt, dass sie später straffällig wurden.

Pädophile Neigung nicht gleich Kindesmissbrauch

Geleitet wird die Präventionsstelle in Ulm von Elisabeth Quendler-Adamo. Menschen mit pädophiler Neigung, so ihre Überzeugung, sind nicht gleichzusetzen mit Menschen, die Kinder missbrauchen: "Das sind Menschen, die das Recht haben, Hilfe zu bekommen. Dass sie einen Raum kriegen, wo sie mitteilen können, wie es ihnen geht. Und gleichzeitig Unterstützung, um keine Taten zu begehen."

Eine Frau schaut in die Kamera. Menschen mit pädophilen Neigungen bekommen in Ulm Hilfe, unter anderem von Elisabeth Quendler-Adamo. Sie leitet das Projekt "Kein Täter werden".
Seit zehn Jahren Projektleiterin: Elisabeth Quendler-Adamo. Die Psychotherapeutin bietet Menschen mit pädophilen Neigungen durch die Schweigepflicht geschützte therapeutische Hilfe an.

Kein Täter werden: Schweigen als größte Gefahr

Die größte Gefahr, so die Expertin, bestehe dann, wenn pädophile Menschen nicht über ihre Neigung sprechen. Auf diese Weise würden sie, wie Hans seinerzeit, in einer sozialen Isolation mit einem emotional belastenden Thema verbleiben. Ein unnötiges Risiko, stellt Quendler-Adamo klar: "Das führt oft zu Anspannung und Anspannung wird in vielen Fällen mit einer sexuellen Aktivität bearbeitet."

Forderung: Mehr Präventions-Angebote auch auf dem Land

Michael wünscht sich, dass er mit seiner Neigung in Zufriedenheit leben kann, ohne sich selbst und anderen zu schaden. Aktuell habe er das sehr gut im Griff, sagt er. Damit mehr Menschen, denen es wie Michael geht, Hilfe in Anspruch nehmen können, brauche es mehr Präventions-Angebote, auch im ländlichen Raum, fordert Elisabeth Quendler-Adamo. Außerdem müssten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten geschult werden, um für pädophile Menschen ansprechbar zu sein.

Hintergrund zum Thema Pädophilie

Medizin Pädophilie – Erkennen, therapieren, unterdrücken

Um Kinder zu schützen, müssen Pädophile sich offenbaren können und therapieren lassen, bevor es zur sexuellen Gewalt kommt.

SWR2 Wissen SWR2

Interview: Was tun bei Pädophilie? "Die sexuelle Neigung kann man niemandem vorwerfen"

Pädophilie ist eine psychische Störung, die man kontrollieren kann, sagt Prof. Dr. Beier. Der Sexualwisschenschaftler erklärt im Interview, was Betroffenen hilft.

Der Vormittag SWR1 Rheinland-Pfalz

Hilfsangebote für Opfer von Gewalt

Ulm

Rechtsmedizin der Uni Ulm berät Ulmer Ambulanz für Gewaltopfer: viele verletzte Kinder

Wer Gewalt erlebt, kann sich auch ohne Polizei Hilfe holen: bei der Ambulanz für Gewaltopfer der Uni Ulm. Seit der Eröffnung 2021 mehren sich die Fälle, auch von misshandelten Kindern.

SWR4 BW am Morgen SWR4 Baden-Württemberg

Ulm

"Es hat mich ganz schön Mut gekostet" Gegen häusliche Gewalt: Täter bekommen Hilfe in Ulm

Kommt es zu häuslicher Gewalt, sind meist Anlaufstellen für Opfer im Gespräch. Bundesweit gibt es aber auch etwa 90 Einrichtungen, die Tätern helfen. Wie in Ulm. Ein Beispielfall.

SWR4 BW am Morgen SWR4 Baden-Württemberg

Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.