Was passiert mit Kindern, die in ihrer Familie nicht mehr bleiben können? Gründe dafür können ganz unterschiedlich sein. Ein Extremfall: Ein neugeborenes Baby ausgesetzt in einem Glascontainer in Langenau, dieser Fall bewegt die Menschen in der Region. Der Prozess gegen die 38-jährige Mutter wird derzeit vor dem Landgericht Ulm verhandelt. Das Baby, ein kleiner Junge, wird von einer Pflegefamilie versorgt.
Zeuge schildert Rettung des Neugeborenen Baby im Altglascontainer in Langenau - Gericht prüft versuchten Mord
In Ulm hat der Prozess gegen eine Mutter aus Langenau begonnen. Sie soll ihr Baby in einem Altglascontainer ausgesetzt haben. Das Landgericht prüft auch eine Verurteilung wegen versuchten Mordes.
Es ist ein Einzelfall, sagt Sozialarbeiterin Andrea Johnson, so ein Kriminalfall. Zumindest in ihren 20 Jahren, die sie am Landratsamt Alb-Donau-Kreis arbeitet. Für mehr als 100 Kinder im Jahr sucht sie Familien, in denen die Kinder sicher leben können und ihnen ein guter Start ins Leben ermöglicht wird.
119 Pflegekinder derzeit vom Jugendamt Alb-Donau-Kreis betreut
Im Alb-Donau-Kreis werden derzeit 119 Pflegekinder vom Jugendamt betreut. Die Zahl liegt seit Jahren beständig zwischen 110 und 120, erklärt Johnson. Auch das neun Monate alte Mädchen, nennen wir sie Katharina, ist wenige Stunden nach ihrer Geburt zu Pflegeeltern gekommen.
Katharina hat zwei Geschwister, ein und zwei Jahre älter, die bei einer anderen Pflegefamilie leben. Schon während der Schwangerschaft war klar, dass sie nicht bei ihrer leiblichen Mutter bleiben können wird. Die Pflegefamilie der Geschwister konnte ein drittes Kind nicht aufnehmen.
Treffpunkt an einem neutralen Ort: das Landratsamt des Alb-Donau-Kreises. Katharinas Pflegeeltern wollen lieber nicht erkannt werden. Die beiden Frauen leben mit dem Baby im südlichen Alb-Donau-Kreis. Katharina krabbelt durch das Besprechungszimmer. Zieht sich an den schwarzen Lederstühlen hoch und untersucht die Wasserkästen, die an der Wand stehen. Neugierig, lachend und brabbelnd erkundet sie den Raum.
Pflegekind Katharina wächst bei zwei Müttern auf
Karin und Sabrina (Name von der Redaktion geändert) haben sich entschlossen ein Pflegekind aufzunehmen. Sie wollen helfen. Und gleichzeitig sind sie mit dem Pflegekind vom Ehepaar zur Familie geworden. "Es ist eine absolut schöne Aufgabe, da kann ich nur Werbung machen. Es ist jeden Tag wertvoll, was man tut", erklärt Sabrina, "Irgendwann verliert man auch den Gedanken, es ist ein Pflegekind. Es ist einfach unsere Kleine, unsere Tochter."
Katharina hat liebende Mütter, die mit dem Kind Babykurse besuchen oder in den Ulmer Tiergarten gehen. Anders als bei anderen, gibt es einmal die Woche ein Treffen mit der leiblichen Mutter. Der Vater war bisher nur einmal dabei. Das Jugendamt entscheidet, wie oft der Kontakt stattfinden soll. Auch mit den beiden Geschwistern gibt es regelmäßige Treffen.
Der letzte Schritt: ein Kind in eine Pflegefamilie geben
Das Jugendamt versucht alles, damit ein Kind bei seiner Familie bleiben kann. Es gibt viele Hilfen, erklärt Andrea Johnson vom Pflegekinderdienst. Aber das Wohl des Kindes steht im Vordergrund. Wenn ein Kind aus seiner leiblichen Familie genommen werden soll, wird erst das Familiengericht informiert und der Richter muss sein OK geben.
Pflegekinder sollen zur Herkunftsfamilie zurückkehren können
Das Ziel ist, dass Katharina zu ihrer leiblichen Familie zurückkehren kann, wenn sich die Umstände ändern. "Prinzipiell geht es ja immer bei den Pflegekindern darum, dass sie wieder in die Herkunftsfamilie zurückgeführt werden", sagt Karin.
"Wir haben uns vorher mit dem Gedanken befasst, dass wir einem Kind eine bestimmte Zeit einen geschützten Rahmen geben wollen, auch Rituale mitzugeben. Es wäre sicherlich schwierig, wenn sie zurückgeführt werden sollte, aber warum soll's einem bei uns besser gehen als bei der leiblichen Mutter? Es wäre sicherlich gut, bei der eigenen Mutter aufwachsen zu können."
Sechs Wochen vor der Geburt haben die beiden Frauen erfahren, dass Katharina ein Zuhause brauchen wird. Von Null auf Familienleben mit Säugling in wenigen Wochen. Auch wenn sie sich vorher lange mit dem Thema auseinander gesetzt hatten, ein Pflegeeltern-Seminar besuchten und Gespräche mit Andrea Johnson hatten, stand da die Frage, wollen sie wirklich die Verantwortung für ein Pflegekind übernehmen?
Infos und Voraussetzungen Adoption und Pflegefamilien
Adoptionen sind in Rheinland-Pfalz eher selten. Eine Alternative sind für Kinder Pflegeeltern. Über beide Wege haben wir mit Iris Egger-Otholt gesprochen.
Von Null auf Familienleben in wenigen Wochen
"Es war emotional sehr aufwühlend. Im ersten Moment war ein sehr großes Mitgefühl für die Kleine da. Das hat sich dann schnell über die ersten Tagen hinweg verwandelt, habe sie tiefer ins Herz geschlossen", erzählt Karin über die erste Zeit mit Baby Katharina, "Im ersten Moment war der Gedanke Schutz zu geben, ein gutes Umfeld. Man wächst da ziemlich schnell zusammen, das hätte ich so nicht erwartet, ehrlich gesagt."
Bevor die beiden Frauen sich entschlossen haben, ein Pflegekind aufzunehmen, haben sie viel darüber gesprochen. "Für mich persönlich war das schon immer ein Gedanke: Dass man das, was man geben kann, den Kindern gibt, die es grad benötigen", erzählt Karin. Sie habe Glück gehabt eine Frau zu finden, die das auch so sieht.