Weinbau hat in Neresheim im Ostalbkreis Tradition. Bis zum Ende des Mittelalters wurde dort nachweislich gekeltert. Als sich dann das Klima veränderte, war es mit dem Wein von der Ostalb vorbei - bis jetzt. Denn in der Kleinstadt wird wieder Wein angebaut. Und: geerntet.
Weintradition von der Ostalb
Die Ostalb ist bekannt für Bergbau, Fossilien - und bald auch für Weinbau. So zumindest die Vision der Stadt Neresheim. Sie will die Weintradition, die dort bis ins 16. Jahrhundert hinein bestand, neu beflügeln. Durch einen kleinen Versuchsweinberg: 400 Quadratmeter, Südhanglage, am Fuße des Neresheimer Klosters.
Winzer soll aus Neresheimer Trauben Wein keltern
Seit drei Jahren gibt es den Versuchsweinberg schon. Bislang ohne nennenswerte Erfolge, denn im vergangenen Jahr hat die Stadt Neresheim keinen Winzer gefunden, der sich um ihre Trauben kümmern wollte. Dieses Mal ist es anders: Jetzt stehen am Fuße des Neresheimer Ulrichsbergs, wo die Reben wachsen, große Eimer mit gold-gelben und matt-blauen Trauben. Frisch geerntet von einer Gruppe um Winzer Tobias Schifferer, der sich normalerweise um weitaus größere Wingerte kümmert.
Jetzt muss es schnell gehen, immerhin sind die Trauben vollreif - sichtbar an den braun gefärbten Kernen und am Fruchtfleisch, das sich beim Zerquetschen leicht von der Beere lösen lässt. Aus den reifen Trauben will der Winzer den ersten Wein in Neresheim seit knapp fünfhundert Jahren keltern. Rote und weiße Trauben sollen gemeinsam einen sogenannten Rotling ergeben.
Neresheim wohl geeigneter Standort für Wein
Die Zeichen stehen gut, dass der Wein am Ende schmeckt. Das lassen unter anderem die Oechslegrade vermuten, die den Zuckergehalt im Traubenmost messen: Zwischen 80 und 95 Grad Oechsle bringen die Neresheimer Trauben laut dem Winzer auf die Waage. "Wir haben hier wirklich sehr gute Voraussetzungen, um einen tollen Wein zu ernten und zu keltern."
Im Frühjahr soll er fertig sein: Ein exklusiver Tropfen in geschätzt 200 Flaschen - ein Wein für besondere Anlässe: Ehrengäste, Sportlerehrungen, Stadtjubiläen. Davon zumindest träumt der Neresheimer Bürgermeister Thomas Häfele (CDU). Er hat den Versuchsweinberg vor drei Jahren als "Gag" angestoßen. "Dass der so gut wächst, sich so gut entwickelt und auch solche Oechslegrade hat, hätten wir auch nicht gedacht." Schließlich gilt das Härtsfeld nicht gerade als Weinbaugebiet.
Klimaveränderung macht Wein in Neresheim wieder möglich
Dabei hat der Weinbau in Neresheim Tradition, erklärt Stadtarchivar Holger Fedyna. Bereits im Mittelalter hätten Klosterbewohner Wein angebaut. Außerdem beweisen Bodenproben, dass vor etwa 700 Jahren fremde Erde nach Neresheim, auf ein Flurstück mit dem Namen 'Weinberg' gebracht wurde - wohl, um den Ostalb-Boden für Reben fruchtbarer zu machen. Auch ein Deckenfresko im Kapitelsaal des Pfarrhauses lässt die Verbundenheit Neresheims mit dem Keltern erahnen: Es zeigt 17 Figuren bei der Weinlese.
Erst im 16. Jahrhundert war nachweisbar Schluss mit dem Weinanbau - wohl wegen der Klimaveränderungen, die mit der Kleinen Eiszeit auch das Härtsfeld trafen. Heute ist das anders. Immerhin spielt wohl die Erwärmung des Klimas dem Weinbau auf der Ostalb in die Hände, sagt Stadtarchivar Fedyna.
Viele der Neresheimer und Neresheimerinnen freuen sich über den möglicherweise bevorstehenden Weinsegen. Schon hat ein Faschingsverein - die Weinberg Weibla - die Patenschaft für den Versuchsweinberg übernommen. Auch die erste Weinprinzessin hat die Kleinstadt besucht. Und zum ersten Mal fand in diesem Jahr das Neresheimer Weinfest statt. Noch mit Weinen von außerhalb. Aber das könnte sich ja bald schon ändern.