In ganz Baden-Württemberg gibt es zu wenig Personal für die Kinderbetreuung. Es fehlen etwa 41.000 Fachkräfte. Mancherorts müssen Kitas schon zeitweise dicht machen, etwa wenn eine Erzieherin krank wird. Ganz so prekär ist die Situation im Ostalbkreis noch nicht. Doch auch hier können manche Eltern nicht in Vollzeit arbeiten, weil einer von ihnen auf die Kinder aufpassen muss. Weil sie in der Kita nicht ganztägig betreut werden können. Der Landkreis sucht jetzt Lösungen.
Erzieherinnen wollen mehr Wertschätzung
Am Dienstag haben rund 60 Vertreterinnen und Vertreter im Aalener Landratsamt über das Problem diskutiert: von Kita-Trägern, Verbänden, Land und Kommunen. Aber auch Elternvertreterinnen und Vertreter waren dabei - und natürlich Erzieherinnen. Wie kann man ihren Beruf attraktiver machen? Das war eine entscheidende Frage beim "Zukunftsgipfel Kindertagesbetreuung". Eine Antwort lieferten die Betroffenen selbst: durch mehr Wertschätzung
Laura Stolz, Auszubildende im ersten Jahr in einem katholischen Kindergarten in Schwäbisch Gmünd, berichtet von demotivierenden Erfahrungen: "Wenn man sich mit alten Klassenkameradinnen trifft, kommt immer: 'Ach, du bist nur Erzieherin.' Oder: 'Das ist ja kein richtiger Beruf. Ihr trinkt ja nur Kaffee und sitzt im Stuhlkreis.'" Die angehende Erzieherin wünscht sich mehr Anerkennung für ihren herausfordernden Beruf.
Quereinsteiger ja - aber nicht im pädagogischen Bereich
Dieses Mehr an Wertschätzung entsteht nicht von heute auf morgen, darüber sind sich die Erzieherinnen im Klaren. Das ist aber auch der Grund, weshalb viele von Quereinsteigern und angelernten Kräften, wie sie etwa Städte- und Gemeindetag fordern, nicht allzu viel halten. Hilfskräfte ja - aber nicht im pädagogischen Bereich.
Wertschätzende Anzeige hat großen Erfolg
Wie erfolgreich Wertschätzung sein kann, zeigt ein Beispiel aus dem Teilort Wißgoldingen der Gemeinde Waldstetten, das die Elternverteterin Nicole Schaible auf dem Zukunftsgipfel vorstellte. Zwei Mütter, die Unternehmerinnen sind, hatten eine Stellenanzeige formuliert, die die positiven und bereichernden Aspekte besonders betonte: dass der Kindergarten zertifiziert ist, dass gesundes Essen serviert wird, die Eltern sehr engagiert sind. Nicht zu vergessen der Hinweis auf Fortbildungsangebote und garantierten Urlaub in den Sommerferien.
Die Anzeige war ein voller Erfolg: "Wir hatten am Ende mehr Bewerberinnen als offene Stellen. Und wir konnten eine Ganztagsbetreuung an zwei Tagen einführen, die es vorher nicht gab. Für eine Ortschaft wie Wißgoldingen mit etwa 1.400 Einwohnern ist das ein sehr großer Erfolg", freute sich die Elternvertreterin.
Städte und Gemeinden für mehr fachfremde Kräfte
Ein Beispiel, wie der Beruf erfolgreich beworben werden kann. 41.000 fehlende Kräfte landesweit lassen sich damit aber vermutlich nicht rekrutieren, darüber waren sich die Teilnehmenden am Zukunftsgipfel nahezu einig. So wirklich an einem Strang ziehen sie allerdings nicht: Während die Erzieherinnen den Wert ihrer pädagogischen Ausbildung hoch halten, sehen die Vertreterinnen und Vertreter der Städte und Gemeinden durchaus Spielraum für Quereinsteiger und angelernte Kräfte - natürlich mit entsprechender Qualifizierung.
Frisörinnen und Schreiner als Kinderbetreuer - warum nicht?
Bettina Stäb, Leiterin der Stabsstelle "Frühkindliche Bildung und Soziales" beim Gemeindetag Baden-Württemberg, nennt als erfolgreiches Beispiel eine Frisörin, die in einer Kita mitarbeitet. "Das ist ein Gewinn. Wir brauchen Menschen, die das können. Und dass sie Frisörin ist, spielt für mich keine Rolle." Benjamin Lachat vom Städtetag Baden-Württemberg weiß von einem Schreiner, der sehr erfolgreich mit Kindern bastelt und werkt.
Beide sind sich aber einig: Wenn jemand Fachfremdes in einer Kita beschäftigt wird, müssen alle Beteiligten zustimmen: Träger, Erziehende und Elternvertreter. Pilotprojekte für die Qualifizierung von Quereinsteigern in der Kinderbetreuung gibt es bereits.
Strikte Gesetzgebung muss gelockert werden
Woran es aber hakt, sind die strikten Gesetze und Verordungen des Landes. Die schreiben bisher vor, dass Kinderbetreuerinnen und -betreuer ausgebildete Pädagogen sein müssen. Nun gehe es darum, diese Vorgaben zu lockern und flexibler zu gestalten, so das Fazit des "Zukunftsgipfels Kinderbetreuung".
Die Ergebnisse fließen nun in ein Positionspapier ein, das wird - wenn es der Kreistag des Ostalbkreises absegnet - allen Entscheidungsträgern übergeben: vom Landkreistag über das Regierungspräsidium bis zum Kultusministerium. Vielleicht schlägt der Ostalbkreis damit ein neues Kapitel der Kinderbetreuung in Baden-Württemberg auf.