Kinder sind strafunmündig. Wenn sie beispielsweise stehlen, jemanden schlagen, oder schlimmere Straftaten begehen, ist das Jugendamt zuständig - und das bestraft nicht. In vielen Städten gibt es mittlerweile allerdings eine weitere Instanz, ein Haus des Jugendrechts, und das kümmert sich auch um strafunmündige Täterinnen und Täter.
Müssen sich die Experten im Haus des Jugendrechts in Ulm mit dem Fall eines Kindes beschäftigten, sieht das so aus: In einem schmucklosen Konferenzraum sitzt ein Kind mit den Eltern oder einem Elternteil. Ihnen gegenüber Jugendgerichtshilfe, Staatsanwaltschaft und Polizei. Der Ton ist freundlich, aber bestimmt. Eine Wohlfühl-Atmosphäre ist das nicht.
Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein
Wer noch nicht 14 Jahre alt ist, hat nichts zu befürchten. Eine Strafe, egal welcher Behörde, wird es nicht geben. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein. Warum man dann überhaupt hier zusammensitzt, erklärt Meike Kesenheimer-Wenzel von der Jugendgerichtshilfe Ulm: "Es ist eben notwendig, dass im Rahmen des Erziehungsgedankens und der Unterstützung der Kinder, der Jugendlichen und der Familien das Netzwerk gestützt wird und überlegt wird: Was kann getan werden, dass es gar nicht zu späteren verfolgungsbedürftigen strafrechtlichen Handlungen kommt?"
Es geht um ein Netz, dass die Kinder auch auffangen soll, Familienbegleiter oder auch Sozialarbeiterinnen können eine Rolle spielen, genauso wie Schulsozialarbeiter und weitere Helfer. Ein Patentrezept gibt es nicht. Jeder Fall ist anders. Und immer spielt eine wesentliche Hoffnung die Rolle, die Jugendlichen tatsächlich zu erreichen. Und vorher die Eltern, die dem Verfahren zustimmen müssen, sagen Jugendgerichtshilfe und Jugendamt.
Taten aus der Kindheit können später eine Rolle spielen
Doch die Erfahrung zeigt: Wer einmal im Haus des Jugendrechts gelandet ist, zum Beispiel wegen Gewalttätigkeit, wird möglicherweise auch erneut auffällig. Und dann können auch die früheren Taten noch eine Rolle spielen. Jugend-Staatsanwältin Lea Baiker: "Wenn das strafunmündige Kind das 14. Lebensjahr beendet hat und dann wieder eine Straftat begeht, haben wir eben noch Kenntnis von den Vorfällen im strafunmündigen Alter. Wir werden dann auch gegebenenfalls direkt Anklage zum Jugendrichter erheben."
Das Thema ist wichtig, auch in Ulm: Im Umland der Stadt gibt es derzeit etwa 20 strafunmündige Intensivtäter. Zu dieser Gruppe zählen Kinder unter 14 Jahren, wenn sie zehn Straftaten begangen haben - oder aber drei schwere Straftaten. Zu ihnen zählt auch der 13-Jährige, der in Ulm gemeinsam mit drei Älteren einen Polizisten angegriffen und schwer verletzt haben soll.
Auch deshalb ist es nicht etwa so, dass die Polizei bei Kindern sofort die Akten schließt. Auch Straftaten, die nicht verfolgt werden, sind genau dokumentiert, sagt Michael Koch von der Kriminalpolizei Ulm, der das Haus des Jugendrechts leitet. "Man versucht schon, die Ermittlungen so zu machen, dass der Sachverhalt geklärt ist, also: gibt es noch weitere Täter, ist Diebesgut bei einem Ladendiebstahl aufgefunden worden, bei Körperverletzungen: Woher kommt der Schlag, die Verletzungen?"
Eltern und Kinder müssen einverstanden sein
Eltern und auch Kinder müssen damit einverstanden sein, dass die Jugendgerichtshilfe später Einzelheiten des Gesprächs ans Jugendamt weitergibt. Denn die Behörde wird dann mit Eltern und Kindern besprechen, ob und welche Folgen die Straftat hat. Immer auf freiwilliger Basis.
Bei all dem spielt aber nicht Bestrafung eine Rolle, sondern das Wohl des Kindes, das die Straftat begangen hat. Auch wenn das in der Öffentlichkeit manchmal schwer begreifbar zu machen ist. Eva Piotrowitz vom Jugendamt Ulm stellt klar: "Ein Stück weit haben Eltern auch das Recht, ihre Kinder schlecht erziehen zu dürfen. Eltern müssen ihre Kinder nicht zu perfekten Menschen erziehen, die Eltern müssen nicht alles richtig machen. Die Grenze ist erst dann da, wenn das Wohl des Kindes massiv gefährdet ist."
Denn es gilt zu verhindern, dass Kinder zu straffälligen Jugendlichen oder Erwachsenen werden - mit den entsprechenden Konsequenzen einer Zukunft im Strafvollzug.