Wenn auf Ulmer Plätzen Männer in Perücke und Dreispitz Beine heben und sich im Kreis drehen – dann wird der traditionelle Bindertanz gezeigt. Es ist alle vier Jahre im Wechsel mit dem Fischerstechen einer der Bräuche im Vorfeld des Ulmer Stadtfeiertags Schwörmontag. Am Sonntagvormittag wurde der Bindertanz in Ulmer Stadtteilen aufgeführt.
Tradition des Bindertanzes ist rund 280 Jahre alt
Zum Bindertanz gehören acht Tänzerpaare, übrigens ausschließlich Männer, Fahnenträger, Binderbuben mit den Zunft-Insignien Schlegel, Driesel und Bütsch, zwei Bindermädchen mit weingefüllten Zinnkannen, zwei Schalknarren mit Schellenmütze, der Fassroller mitsamt 120-Liter-Fass und schließlich der Zunftmeister mit Zunftstab. Wenn Zunftmeister Andreas Hafner sein Glas mit Wein auf ex leert, ist der Tanz vorbei.
Kostüme und Perücken müssen sitzen
Zweieinhalb Stunden zuvor im Musikerheim Ulm-Wiblingen: Die rund 50 Mitwirkenden müssen sich für die sechs über den Tag verteilten Auftritte in Schale werfen, heißt: schminken und Perücke anpassen. Auf einem langen Tisch liegen die Perücken mit Namensschild bereit. Die einen helfen sich gegenseitig beim Zuknöpfen der barocken Kleidung, andere warten auf das professionelle Aufsetzen der Perücken. Dafür ist extra ein Friseur ins Musikerheim gekommen: Oliver Ditz ist der Obermeister der Friseurinnung Ulm. Bis die weiße barocke Perücke akkurat sitzt, ist Geduld gefordert.
Der Bindertanz - Ulmer Tradition seit 1745
Seit dem 18. Jahrhundert führt die Ulmer Küferzunft den Bindertanz auf. 1745 entdecken die Fassbindergesellen den Reiftanz und machen ihn zu ihrem Brauchtum. Andere Handwerkerzünfte führen schon seit dem 16ten Jahrhundert Schwert- und Reiftänze auf.
Der Tanz der Ulmer Fassbinder besteht aus acht Figuren, mit Drehungen, Hände in die Hüfte, Aufstampfen auf den Boden. Dabei tragen die Tänzer in ihren rot-weißen Kostümen bogenförmige Girlanden, mit Buchs und Nelken geschmückt. Die Paare drehen sich um den Zunftmeister, der auf einem Holzfass steht.
Sechs Weingläser auf ex
Der tanzt zwar nicht mit, hat aber am Schluss eine entscheidende Rolle: Er muss ein mit Rotwein gefülltes Glas zunächst so gekonnt durch die Luft schwingen, dass durch die Fliehkraft möglichst kein Tropfen verschüttet wird. Und zum Schluss allen zuprosten und das Glas auf ex leeren.
Bei sechs Auftritten am Tag könnte die Konzentrations- und Koordinationsfähigkeit des Zunftmeisters irgendwann leiden, der Gedanke liegt zumindest nahe. Doch die Wahrheit ist: Das Glas enthält gerade mal 0,1 Liter Wein, und selbst von der bescheidenen Menge gehe letztlich doch einiges daneben, so die Erfahrung von Andreas Hafner. Er beendet den Tag weitgehend nüchtern - zumindest den offiziellen Teil.
Keine Nachwuchssorgen
Auch wenn der Bindertanz nur alle vier Jahre aufgeführt wird, kennt der Verein kein Nachwuchsproblem. "Irgendeiner bringt immer einen Kumpel mit", hat Cheforganisator Karl Faßnacht beobachtet. Einige Nachwuchstänzer säßen gewissermaßen auf der Ersatzbank. Vor zehn, fünfzehn Jahren sei die Situation noch eine andere gewesen, so Faßnacht. Aber mittlerweile seien Volkstänze im Besonderen und Brauchtum im Allgemeinen bei vielen jungen Leuten wieder gefragt. So dürfte die Tradition des Ulmer Bindertanzes zumindest in den kommenden Jahren nicht gefährdet sein.
Weitere Auftritte in einer Woche
Der Bindertanz wird am kommenden Sonntag, dem 23.7., noch einmal aufgeführt, dann auf sechs Plätzen in der Ulmer Innenstadt.