Es gehe ihm nicht gut, sagt der Reutlinger Gastwirt Dejan Tolic sofort, als er das Telefon abhebt. Er möchte eigentlich gar nichts mehr zur Sache sagen, doch es platzt trotzdem aus ihm heraus: Die ganze Aufregung um seinen Laden sei geschäftsschädigend.
Treffen der AfD: Gastwirt in Reutlingen unter Druck gesetzt?
Was ist passiert? Laut Tolic haben in seiner Wirtschaft unlängst zwei Treffen des Kreisverbands der AfD stattgefunden. Daraufhin hat das Bündnis "Gemeinsam und Solidarisch gegen Rechts Reutlingen und Tübingen" Tolic in einem öffentlichen Statement dazu aufgefordert, dem AfD Kreisverband die Räumlichkeiten zu entziehen, sie also nicht mehr bei sich treffen zu lassen.
Er kam diesem Aufruf nach und will künftig die AfD nicht mehr beherbergen. Das jedenfalls sagt AfD-Stadtrat Hansjörg Schrade und fügt gleich hinzu, der Wirt "mache das nicht freiwillig". Denn er habe "einen schönen Umsatz" mit dem parteiinternen Stammtisch gemacht, so Schrade. Tolic selbst ist am Telefon zu aufgelöst, um sich dazu zu äußern.
Bündnis will "Normalisierung der AfD" verhindern
Das Bündnis hatte die aktuelle "CORRECTIV"-Recherche zum Anlass genommen, den Gastwirt zu kontaktieren. Dadurch ist ja bekannt geworden, dass es ein rechtsextremes Treffen gab, unter anderem mit Vertretern der AfD. Ziel war, einen Plan zur "Remigration" zu entwickeln. Gerade jetzt sei es besonders wichtig, Haltung zu zeigen und sich der Normalisierung der immer weiter nach rechts entwickelnden AfD entgegen zu stellen, so das Bündnis. Man habe versucht, mit dem Wirt persönlich zu sprechen, doch das sei nicht gelungen.
Tolic ist von der ganzen Angelegenheit so getroffen, dass er Deutschland erstmal für ein paar Wochen verlasse und nach Kroatien fliehe, sagte er dem SWR. Der Betreiber des kroatischen Restaurants "Split" im Reutlinger Stadtteil Orschel-Hagen betonte außerdem, dass er sehr enttäuscht von allen Seiten sei.
AfD Kreisverband will sich wehren
Der Reutlinger AfD-Stadtrat Hansjörg Schrade wehrte sich öffentlich gegen den Boykottaufruf des Bündnisses. Er mahnte an, eine demokratisch gewählte Partei müsse Raum für Austausch bekommen. Dabei forderte er auch Oberbürgermeister Thomas Keck (SPD) dazu auf, einzuschreiten und sich für Meinungsfreiheit einzusetzen.
Keck hingegen wies die Forderung zurück. Er möchte "nicht den Resonanzboden für Äußerungen eines Stadtrates bilden", sagte er dem SWR auf Nachfrage.