Die weltweite Wanderausstellung "Unissued Diplomas" wird in Tübingen am Dienstagabend mit einer Vernissage eröffnet - in der Unibibliothek. Der Ort ist bewusst gewählt. Denn dort gehen junge Menschen ein und aus, die wie die Porträtierten auf den Fotos studieren. Wie sie hoffen sie auf einen guten Uniabschluss, auf ein aktives, erfülltes Leben.
Den jungen Menschen auf den Schwarzweißfotos blieb der Abschluss verwehrt. Warum, das erklären die Texte neben den Bildern. Alle 40 Studierende sind im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestorben.
40 Lebensgeschichten aus der Ukraine
Die Texte verraten noch mehr über die Personen. Es sind kleine Details, die deutlich machen, wie viel Leid hinter den Todesfällen steckt, die von vielen oft nur noch als Zahlen wahrgenommen werden. Ein junger Mann zum Beispiel: Er hatte erst zwölf Tage vor seinem Tod geheiratet. Ein anderer wollte durch die Welt reisen, ein dritter liebte die Natur. Vierzig trauernde und traumatisierte Familien und Freundeskreise.
Marichka Nadverniuk, die inzwischen in Tübingen studiert, hat einige der Fotos aufgenommen. Sie waren Teil eines ukrainischen Bildungsprojekts. Sie hat die Fotos in neuem Zusammenhang wiedergefunden: Nun sind sie Bilder von Getöteten. Für sie war die Erkenntnis berührend und niederschmetternd zugleich, sagt sie. Seitdem fotografiere sie nicht mehr.
Persönliche Erinnerungen an Kriegsopfer
Sie kann besonders persönliche Geschichten von den Getöteten erzählen, denn mit einigen war sie befreundet. Einer der Studenten schickte ihr oft Gedichtzeilen auf das Smartphone - anstatt Memes oder Witzen aus dem Internet. Ein anderer rettete grundsätzlich Insekten, die er auf dem Weg fand, indem er sie beiseite trug.
Nicht alle Studierenden, deren Porträts die Ausstellung zeigt, sind als Soldaten gestorben. Auf einem Bild ist eine junge Frau mit ihren kleinen Zwillingen zu sehen. Sie wollte Landschaftsarchitektin werden. Alle drei starben, als ihr Wohnhaus von zwei russischen Fliegerbomben getroffen wurde.
Die Ausstellungsmacher hoffen, dass die Bilder dazu beitragen, die Erinnerung an die Toten zu bewahren. Und dass die Trauer, die sie auslösen, zu mehr Mitgefühl und Hilfsbereitschaft für die Ukraine führt.
Im Foyer der Universitätsbibliothek Tübingen
Die Ausstellung ist bis 29. Mai 2024 im Foyer der Universitätsbibliothek zu sehen. Sie kann immer während der Öffnungszeiten besichtigt werden. Danach soll sie in Stuttgart gezeigt werden.