Es klingt historisch, das ist es auch. Das Tonfilm-Theater in Münsingen ist 1936 gebaut worden. Viel hat sich seitdem im Kino verändert, eines ist aber geblieben: Die Kino-Nostalgie.
Schon die Begrüßung im Kinosaal ist einzigartig. Hans-Jochen Kraft vom Tonfilm-Theater steht auf der kleinen Empore und schmettert ein Lied. Zur Melodie von "Phantom der Oper" singt er die Geschichte des Tonfilm-Theaters. 38 Kinoliebhaber kuscheln sich unten im Saal in die roten Plüschsessel, genießen den ganz speziellen Retro-Charme: Vergilbte Kinoplakate an den Wänden, daneben alte Filmrollen und leicht angestaubte Kameras. Aus kleinen Bilderrahmen lächeln Marlon Brando und Humphrey Bogart.
Tonfilm-Theater: Auch der Pfarrer hat im Kinosaal schon gepredigt
1936 ist das Tonfilm-Theater gebaut worden. Damals hieß es noch Truppen-Tonfilm-Theater. Die Soldaten, die im nahegelegenen Alten Lager stationiert waren, suchten hier etwas Zeitvertreib. Später schauten dort Franzosen Filme.
Auch der Pfarrer hat hier schon am Sonntag von der Kanzel gepredigt: Die Kirche im Alten Lager war baufällig. Darum wurde der Gottesdienst einfach in den Kinosaal verlegt. An Sonn- und Feiertagen wurde hier das Wort Gottes verkündet, an den anderen Tagen flimmerten Schnulzen und Western über die Leinwand. Ab 1966 war das Kino dann geschlossen. Die moderne Konkurrenz in Münsingen war zu groß. Zu wenige Besucher wollten auf den Holzklappstühlen im Tonfilm-Theater Platz nehmen.
Dem alten Kino neues Leben eingehaucht
2017 eröffneten Sandra und Hans-Jochen Kraft das Tonfilm-Theater. Der gelernte Polizist und die Erzieherin wollten in dem alten Gebäude eigentlich umgebaute Motorräder ausstellen, die Liebe zum Kino war aber dann doch irgendwann größer. Es hat sich gelohnt: mehrfach ist das Kino schon von der MFG Filmförderung ausgezeichnet worden. Wegen der Filme, die hier laufen. Wegen ihnen kommen auch die vielen Stammgäste. Für sie ist aber noch etwas sehr wichtig, die Kinowurst.
Ganz wichtig: Wer ins Tonfilm-Theater will sollte sich vorher anmelden. Die Plätze sind limitiert. Und die Kinowurst übrigens auch. Hans-Jochen Kraft sitzt an der Kinokasse und setzt hinter jeden Besucher ein Häkchen. "Ich kontrolliere wirklich, ob jede einzelne Person kommt. Und wenn nicht, dann habe ich auch schon Leute angerufen," meint er schmunzelnd.
Tonfilm-Theater bietet auch Trinkgeldglocke und Kinowurst
Aber nicht nur die Kinowurst ist besonders. Auch die Atmosphäre im Tonfilm-Theater ist es. Man fühlt sich wie in einem Museumskino. Das liegt nicht nur an der Einrichtung, sondern auch an den vielen kleinen Details: Etwa der alte Kinokartenautomat an der Kinokasse. Er stammt wie das Kino selbst aus dem Jahr 1936.
Die Trinkgeldglocke, die geläutet wird sobald ein Kinogast Trinkgeld gibt, war früher im Besitz eines Getränkehändlers in Münsingen. Mit dem Fuhrwerk hat er damals das Bier ausgefahren und die Glocke geläutet, damit die Leute wussten, dass es frisches Bier gibt.
Und auch vor jedem Filmstart wird eine Glocke geläutet. Die hängt direkt neben der Eingangstür in den Kinosaal.
Nur Filmklassiker werden in Münsingen gezeigt
Montag ist Kinotag im Tonfilm-Theater. Dann werden echte Filmklassiker gezeigt: "Der Schatz der Sierra Madre", "12 Uhr Mittags", "Casablanca", "Der Seemann und die Nonne" oder "Moby Dick". Alle Filme müssen älter als 50 Jahre alt sein oder einen Bezug zu Münsingen und der Umgebung haben. Ein Publikums-Highlight: Die "Waltons" oder auch "Bonanza". Dafür kommen die Kinofans auch schon mal aus dem Remstal auf die Schwäbische Alb.
Am Ende gibt es für jeden Gast einen Kirschlolli
Am Ende jedes Filmabends im Tonfilm-Theater werden die Gäste persönlich verabschiedet. Und jeder, der da war, bekommt einen kleinen Kirschlolli für den Heimweg. Auch das hat Tradition im Tonfilm-Theater in Münsingen.