Das Zentrum der Großstadt Reutlingen wird immer einsamer. Geschäfte, Kaufhäuser und Läden schließen oder stehen bereits leer. Die riesige Galeria Kaufhof Karstadt Filiale am Bahnhof ist schon seit Ende Januar 2024 geschlossen. Zahlreiche kleinere Läden stehen ebenfalls leer. Im März hat auch noch das Modeunternehmen Breuninger bekanntgegeben, dass es sein Kaufhaus in der Reutlinger Innenstadt schließen wird: bis Ende des Jahres 2024. Die Begründung des Unternehmens war für die Stadt Reutlingen ein Schlag ins Gesicht: "Das Breuninger-Haus in Reutlingen leidet seit Jahren unter der Entwicklung der Reutlinger Innenstadt. Als Grund nannte es die Abwanderung großer Einzelhandelsmarken, das einen Leerstand nach sich ziehe und somit wenig attraktiv für die Zielkundschaft sei, so Breuninger. Damit verlieren auch 128 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz.
Stadt Reutlingen zieht die Notbremse
Oberbürgermeister Thomas Keck (SPD) reagierte geschockt auf die Ankündigung von Breuninger. Die Stadt droht damit einen Kipppunkt zu erreichen, an dem das Innenstadtsterben nicht mehr aufzuhalten ist. Soweit will es die Stadt nicht kommen lassen und arbeitet mit den örtlichen Betrieben, Händlern und der IHK an einem Konzept. Dabei sollen Themen, wie Sauberkeit, Sicherheit und Aufenthaltsqualität, sowie eine verbesserte Erreichbarkeit der Innenstadt, oberste Priorität haben. Darüber hinaus soll der öffentliche Raum aufgewertet werden.
Masterplan für Reutlingen: 16-Punkte zur Belebung der Innenstadt
Für OB Keck ist klar: Die Stadt Reutlingen muss schnell handeln. Die Belebung der Innenstadt habe nun oberste Priorität bei der Stadtverwaltung. Deswegen hat sie einen 16-Punkte-Plan und Lösungsansätze entwickelt, wie die Stadt attraktiver werden soll. So soll beispielsweise das Parken in den städtischen Parkhäusern erschwinglicher werden. Zwei Stunden sollen künftig an allen Tagen kostenlos sein. Eine geplante Erhöhung der Parkgebühr, die seit nunmehr 15 Jahren unverändert sei, so die Stadt, werde ausgesetzt. Auch das Busfahren soll an Samstagen im gesamten städtischen Netz kostenlos werden. Das muss allerdings zunächst mit den zuständigen Verkehrsbetrieben geklärt werden.
Gratis WLAN und Pop-Up-Stores für Handwerksbetriebe und Hochschulen
Mit leerstehenden Gebäuden und Läden will die Stadt kreativ umgehen. Sie mietet diese Gebäude an für kurzfristige Pop-Up-Stores oder als Ausstellungsfläche für Handwerksbetriebe oder Hochschulen. Für die Besucherinnen und Besucher soll es künftig überall in der Stadt kostenlosen Zugang zum Internet geben. Die erforderliche Infrastruktur soll schon in diesem Jahr stehen.
Sicherheit in der Reutlinger Innenstadt erhöhen
Weil sich viele Menschen nach Ladenschluss nicht mehr sicher in der Stadt fühlen, wird der kommunale Ordnungsdienst aufgestockt. So sollen auch organisiertes Betteln, Fahrradfahren in der Fußgängerzone und Falschparken stärker kontrolliert werden.
Die Stadt will in leerstehenden Gebäuden mehr Wohnraum schaffen und damit gerne jüngere Menschen in das Zentrum locken.
Reutlingen steht im Vergleich zu anderen Städten nicht schlechter da
Auch wenn zwei große und wichtige Kaufhäuser Reutlingen verlassen, ist die Situation nicht schlechter als in vergleichbaren Städten, wie etwa Ulm. Laut dem Marktforschungsinstitut ecostra sind in Reutlingen die Verkaufsflächen rückläufig und die Umsätze noch nicht auf Vor-Corona-Niveau. Doch es hielten sich wieder ähnlich viele Menschen in Reutlingen auf, wie vor der Pandemie, so das Marktforschungsinstitut. Mit 700 Metern habe Reutlingen eine ungewöhnlich lange Einkaufsstraße in einer besonders guten Lage. Auch Reutlingens OB Keck schöpft neue Hoffnung: in den kommenden Wochen öffnen neue, bisher nicht da gewesene Geschäfte. Und dies mitten im Reutlinger Zentrum, in der Einkaufsmeile Wilhelmstraße.