Schnellere Hilfe soll plötzlichen Herztod verhindern

Kreis Tübingen wird "Region der Lebensretter"

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Christoph Necker
Christoph Necker ist Reporter für Hörfunk und Online beim SWR im Studio Tübingen.

Der plötzliche Herztod ist eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. Eine App und Ersthelfer sollen nun im Kreis Tübingen dafür sorgen, dass weniger Menschen sterben.

Es kann jeden treffen: junge und alte Menschen, sportlich Aktive und Stubenhocker. Über 70.000 Menschen erleiden nach Angaben von Robert Wunderlich, dem leitenden Notarzt der Uniklinik Tübingen, jedes Jahr in Deutschland einen Herz-Kreislaufstillstand. Die meisten sterben daran, weil die Hilfe zu spät eintrifft. Das will der Verein "Region der Lebensretter" ändern. Er hat ein Konzept entwickelt, wie Menschen, denen der Herztod droht, rechtzeitig geholfen werden kann.

Rettungsdienst braucht meist zu lang

In Großstädten kommt nach Angaben des Roten Kreuzes ungefähr acht Minuten nach einem Notruf ein Notarzt. Auf dem Land kann es noch deutlich länger dauern. Dann ist es für viele Patienten aber bereits zu spät, denn schon nach kurzer Zeit treten unheilbare Schäden auf, sagt Notarzt Wunderlich. Deshalb überleben nur 10 bis 15 Prozent der Menschen, die einen Herz-Kreislaufstillstand erleiden.

App soll schnellere Hilfe bringen

Dass will die "Region der Lebensretter" mithilfe einer App und vieler freiwilliger Helfern ändern. Denn werden Patienten innerhalb der ersten vier Minuten wiederbelebt, überleben bis zu 50 Prozent. Dafür sollen die App und viele freiwillige Ersthelfer sorgen. Alle, die eine entsprechende Ausbildung haben oder in Wiederbelebung geschult sind, können sich für die App registrieren lassen. Das können Ärzte und Ärztinnen, Mitglieder von Hilfsorganisationen, Personal aus der Pflege oder von Rettungsdiensten sein.

Wir brachen circa 1.000 Helfer im Kreis Tübingen, damit das System funktioniert.

Robert Wunderlich, leitender Notarzt der Uniklinik Tübingen, zeigt die App "Region der Lebensretter".
Robert Wunderlich, leitender Notarzt der Uniklinik Tübingen zeigt die App "Region der Lebensretter". Sie soll helfen, Menschen vor dem plötzlichen Herztod zu bewahren.

Wie funktioniert die App?

Wird der Rettungsleitstelle in Tübingen ein Notfall gemeldet, bei der Verdacht auf Kreislaufstillstand besteht, dann werden nicht nur Notarzt. Rettungswagen und die "Helfer vor Ort" alarmiert. Parallel läuft über die App die Suche nach geeigneten Ersthelfern. Zwölf, die sich am nächsten am gemeldeten Notfall befinden, werden ebenfalls alarmiert. Die vier, die sich am schnellsten zurückmelden, werden von der App zum Ort des Einsatzes geführt. Die ersten beiden, die dort eintreffen, sollen am Patienten eine Herzdruckmassage durchführen. Die Aufgabe des Dritten ist es, sich um einen Defibrillator zu kümmern, der Vierte ist dafür zuständig, den Rettungsdienst einzuweisen.

Das System bindet alle Helfer der Region mit ein. Das macht es so gut.

Es werden Ersthelfer gesucht

Nun suchen Uniklinik, Rotes Kreuz und Feuerwehr in Tübingen Menschen mit einer Ausbildung als Ersthelfer, die sich für die Mitarbeit bei der "Region der Lebensretter" registrieren lassen. Voraussetzung dafür ist, dass sie mindestens als Sanitätshelfer oder Feuerwehrsanitäter ausgebildet sind. Im September soll die "Region der Lebensretter" in Tübingen starten. Je mehr ausgebildete Ersthelfer sich registrieren lassen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Herz-Kreislaufstillstand rechtzeitig geholfen werden kann. Tübingen sei wegen der vielen Kliniken und der vielen Medizinstudierenden ideal, meint Robert Wunderlcih.

Auch Defibrillatoren sind wichtig

Defibrillatoren spielen bei der Wiederbelebung ein wichtige Rolle. Deshalb werden jetzt möglichst viele im Kreis Tübingen erfasst mit Angaben, wo sie sich befinden und wann und wie sie zugänglich sind. Firmen oder andere Einrichtungen, die über einen Defibrillator verfügen, bitten die Verantwortlichen darum, sich zu melden, damit ihr Gerät im System erfasst werden kann. Der Kauf neuer Defibrillatoren und die Ausstattung der Helfer sollen über Spenden finanziert werden. Bisher unterstützen Stadt und Kreis Tübingen, die Diözese Rottenburg-Stuttgart und der Rotary Club Reutlingen-Tübingen Nord das Projekt.

Auch Kreis Reutlingen und Rottweil aktiv gegen plötzlichen Herztod

In Freiburg ist die erste "Region der Lebensretter" 2017 gestartet. Seither haben sich in Baden-Württemberg fast 9.000 Menschen als Lebensretter registrieren lassen. Im Kreis Freudenstadt und anderen Landkreisen ist die App gegen den plötzlichen Herztod bereits im Einsatz. Die Landkreis Reutlingen und Rottweil wollen wie der Kreis Tübingen ab dem 1. September "Region der Lebenretter" werden.

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