Die orthodoxe Kirche ist nach der katholischen und der evangelischen die drittgrößte christliche Glaubensgemeinschaft. Ostern feiern die Orthodoxen meist später als die anderen Kirchen. Der Grund: bei ihren Festen orientieren sie sich an einem anderen Kalender. Nicht am Gregorianischen, sondern am älteren Julianischen Kalender. Da das Jahr hier einige Tage später beginnt, verschieben sich auch die Feste. Ein Schwerpunkt der Feierlichkeiten in der Region liegt auch in diesem Jahr in Reutlingen.
Reutlingen: Größter Treffpunkt für Orthodoxe in Region
Eine der größten orthodoxen Gemeinden in der Region ist die griechisch-orthodoxe Gemeinde "Entschlafen der Gottesgebärerin" in Reutlingen. Sie umfasst die Städte Reutlingen, Tübingen und Villingen-Schwenningen sowie Umgebung. Rund 10.000 griechisch-orthodoxe Serben, Russen, Rumänen und Deutsche gehören ihr an.
Karsamstag für Orthodoxe größter Feiertag
Höhepunkt der Feierlichkeiten in Reutlingen war der Karsamstag. Von 22 bis 1 Uhr am Sonntagmorgen wurde bei einer Lithurgie die Auferstehung gefeiert, begleitet von Ritualen: Um Mitternacht zündete der Priester eine Osterkerze an, deren heilige Flamme an die Kerzen der Gottesdienstbesucher weitergereicht wurde. In manchen Gemeinden wird nach Mitternacht sogar ein Feuerwerk gezündet.
Evangelium in verschiedenen Sprachen
In der griechisch-orthodoxen Gemeinde wurde das Evangelium bei der Vesper der Liebe am Ostersonntag in vielen verschiedenen Sprachen verkündet: auf rumänisch, französisch, serbisch, bulgarisch und georgisch. Inzwischen gehören auch viele Ukrainer zur Gemeinde. Erzpriester Dimitrios Katsanos, der zugleich auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Baden-Württemberg ist, sagte dem SWR, dass er mittlerweile 30 Familien betreue.
Russisch-orthodoxe Gemeinde feierte in Citykirche Reutlingen
Die wesentlich kleinere russisch-orthodoxe Gemeinde Reutlingen traf sich bis in die frühen Morgenstunden am Sonntag zur Osterfeier in der ökumenischen Nikolaikirche. Am Samstag gab es zunächst Lesungen, dann folgte eine Prozession: Die Gottesdienstbesucher ging mit Kerzen in den Händen und singend dreimal um die Kirche und baten symbolisch vor den verschlossenen Türen um Einlass. Laut dem Priester Sergey Soloviev steht man sozusagen symbolisch vor dem verschlossenen Grab Jesu und wartet auf die Auferstehung.
Ukrainer und Russen feierten Seite an Seite Ostern
Bei der Osterfeier in der Nacht von Samstag auf Sonntag spielte die Nationalität der Gläubigen keine Rolle. Eine Ukrainerin, die vor dem Krieg geflohen war, sagte dem SWR, sie käme in die Kirche zu Gott - da seien ihr die Menschen egal. Ein Ukrainer erzählte, wenn es ihm etwas ausmachen würde, neben Russen zu stehen, sei er Rassist. Die russisch-orthodoxe Gemeinde in Reutlingen sammelt seit Beginn des Krieges Spenden für die Ukraine. Der Zusammenhalt sei sogar noch größer geworden, sagte die russische Kirchengemeinderätin Tatjana Karassev.
In Tübingen feierte am Samstagabend die russisch-orthodoxe Kirche Hl. Maria von Ägypten im Schlatterhaus Ostern - mit Lithurgie, Osterkuchenweihe und Fastenbrechen.
Ostermessen auch in Balingen, Nagold und Tübingen
Eine kleinere Gemeinde ist die rumänisch-orthodoxe Gemeinde St. Georg und St. Siluan Tübingen/Reutlingen. Zu ihr zählen etwa 110 Familien. Sie feierte die Auferstehung am Samstag in der katholischen Heilig-Geist-Kirche, in der Betzinger Mauritiuskirche, sowie in der evangelischen Stadtkirche in Nagold. In Tübingen trafen sich die Gläubigen in ihrer Kirche St. Georg und St. Siluan im Drosselweg.
Lustiges Osterritual: Eier-Aneinanderschlagen
Für die orthodoxen Christen ist das Osterfest der wichtigste Feiertag und wird viel größer gefeiert als Weihnachten. Ein wichtiges Ritual nach der Lithurgie und besonders beliebt bei Kindern: das Aneinanderschlagen rot gefärbter Eier nach der Messe. Wessen Ei bis zum Ende heil bleibt, gewinnt. Rot soll das Blut des Jesu symbolisieren und betont die Bedeutung seiner Auferstehung.