Bei Justin Vu ist die ganze Welt nur einen Mausklick entfernt. In seinem Zimmer, das klein und unscheinbar wirkt, zieht der Auszubildende an seinem Computer Block für Block alle möglichen Gebäude in Reutlingen hoch - zum Beispiel die Marienkirche oder das Tübinger Tor. Sein Ziel: eine virtuelle Version von Reutlingen im Videospiel Minecraft. Über eine halbe Million Quadratmeter hat er schon gebaut.
Beliebtes Hobby: Städte bauen in Minecraft
Minecraft ist eines der erfolgreichsten Videospiele überhaupt. Spielerinnen und Spieler können sich dort mit Klötzen ihre eigene Welt erschaffen - ein bisschen wie Lego, nur virtuell und mit unendlich vielen Steinen. Justin Vu baut Reutlingen als Hobby, nach der Arbeit. Der 20-Jährige macht eine Ausbildung zum Mikrotechnologen.
Vor knapp zweieinhalb Jahren haben er und seine Freunde mit dem Projekt begonnen. Seitdem haben sie rund ein Drittel der Reutlinger Altstadt nachgebaut. Das sind etwa zwei bis drei Prozent der gesamten Stadt.
Stadtführung durch das virtuelle Reutlingen: Das alte Stuttgarter Tor
Wir treffen Justin Vu am Reutlinger Hauptbahnhof und gehen mit ihm zum Hochhaus am ehemaligen Stuttgarter Tor. Das Hochhaus hat er vor zwei Jahren als erstes gebaut und sich damit bei "BTE Germany" beworben.
"BTE Germany" ist ein Team aus knapp 1.200 jungen Menschen, die sich das Ziel gesetzt haben, ganz Deutschland in Minecraft nachzubauen - im Maßstab 1:1. Und "BTE Germany" gehört wiederum zu einer Gruppe, die die ganze Welt nachbauen möchte: Build the Earth.
Mehrere Tage Bauzeit für ein Hochhaus
Wenn er anfängt zu bauen, sagt Justin Vu, schaut er sich meistens Bilder auf Google Earth oder Google Street View an, um so die Details der Gebäude zu erkennen. Vom Hochhaus am Hauptbahnhof hat er damals aber auch Bilder vor Ort gemacht, aus jedem Winkel.
Eine Herausforderung waren für ihn die vielen symmetrischen Fenster. Auch die hat er in Minecraft 1:1 nachgebaut. Vier Tage Bauzeit und 50.000 Steine später stand das Hochhaus dann.
Hightlight in Minecraft-Reutlingen: Die Marienkirche
Justin Vus Reutlingen kann man am Computer auch bequem aus der Luft erkunden. Dann bemerkt man viele grünen Flächen. In der Realität stehen dort schon Gebäude, in Minecraft aber noch nicht. Justin Vu hat sich erstmal auf die Altstadt konzentriert. Die ganzen Gewerbegebiete und Wohnsiedlungen fehlen noch, sollen aber bald kommen.
In der Altstadt fällt sofort die Marienkirche auf. Sie ragt zwischen den vielen Häusern hervor. Sie ist das größte Gebäude in Justin Vus Minecraft-Landschaft. Auf gut Glück losbauen ging hier nicht, sagt Justin Vu. Dafür sei die Kirche einfach zu groß. Mit mehr als 10.000 verbauten Steinen sei sie "ein richtig großes Ding."
Die verschiedenen Streben und die Fensterrose am Hauptturm haben Justin viel Zeit gekostet. Denn in Minecraft baut man mit Blöcken, die alle 1x1 Meter groß sind und mit denen man eigentlich keine runden Formen hinbekommt. Mit der Zeit hat Justin Vu aber verschiedene Techniken gelernt, um in der Minecraft-Welt bei den runden Formen etwas zu "tricksen".
Minecraft-Männchen passt nicht durch die engste Straße der Welt
Justin Vu hat in Reutlingen sein ganzes Leben verbracht. Mit seiner Minecraft-Stadt will er zeigen, was Reutlingen draufhat: "Da ist schon ein bisschen Heimatstolz dabei." Normal durch Reutlingen laufen kann er übrigens nicht mehr: "Ich achte auf jedes kleinste Detail und sehe die Stadt anders." Manchmal entdeckt er zum Beispiel ein Fenster, das in Minecraft bisher fehlt, erzählt Vu. Das baut er dann direkt nach.
Man könnte meinen, in Minecraft sei alles möglich: Die Spielwelt ist unendlich groß, die Anzahl an Blöcken auch, und die Möglichkeiten, ein Gebäude so zu bauen, dass es dem in der Realität täuschend ähnlich sieht, ebenfalls. An bestimmten Stellen kommt das Spiel aber an seine Grenzen. Zum Beispiel in der engsten Straße der Welt. Die ist an der engsten Stelle nur 31 cm breit, zeigt uns Justin Vu. In echt kommen viele Menschen dort gerade noch durch. Das rechteckige Männchen im Videospiel bleibt an der Stelle aber stecken.
Wann wird Reutlingen in Minecraft fertig?
Bis die digitale Version von Reutlingen vollständig ist, wird es noch dauern. "Es fehlt noch einiges", sagt Justin Vu. Er rechnet nicht damit, dass er und sein Team die Stadt in den nächsten 10 Jahren fertig bekommen - außer es kommen neue "Builder", also neue Erbauer, dazu.
Übrigens: Die Gebäude bauen sie meistens nur von außen, nicht von innen. Sonst würde das Projekt wahrscheinlich nie fertig werden.