Sozialkaufhäuser arbeiten im Optimalfall kostendeckend. Das soziale Gebrauchtwarenhaus "Da Capo" in Reutlingen beispielsweise darf als gemeinnützige GmbH mögliche Gewinne auch nur für soziale Gewinne einsetzen. Das Problem: Die gab es lange überhaupt nicht. Obwohl aktuell mehr Kundinnen und Kunden in Sozialkaufhäusern einkaufen, stehen die Träger unter Druck. Als zentraler Grund wird die Abhängigkeit von den Jobcentern genannt.
Sozialkaufhäuser holen Arbeitslose zurück in den Arbeitsmarkt
Menschen, die schon länger arbeitslos sind, bekommen in Sozialkaufhäusern die Möglichkeit, wieder zurück in ein geregeltes Arbeitsleben zu kommen. Die sogenannten Arbeitsgelegenheiten vermittelt das Jobcenter. Gehalt und damit einhergehende Kosten werden für mindestens ein halbes Jahr übernommen. Das heißt: Die Sozialkaufhäuser bekommen Arbeitskräfte. Die Arbeitslosen einen Arbeitsalltag.
Im Reutlinger Gebrauchtwarenhaus Da Capo arbeiten laut Geschäftsführerin Claudia Huber etwa 40 Menschen. Die Hälfte davon sind über eine vermittelte Arbeitsgelegenheit dabei. Hinzu kommen Langzeitarbeitslose, sogenannte Maßnahmenteilnehmer. Von ihnen übernimmt das Jobcenter einen gewissen Teil des Gehalts. Außerdem gibt es noch Festangestellte und Ehrenamtliche.
Jobcenter durch Ukraine-Krieg überlastet
In den vergangenen Jahren wurden dem Reutlinger Gebrauchtwarenhaus deutlich weniger Menschen vom Jobcenter vermittelt als gewohnt, berichtet Huber. "Hängt natürlich auch alles mit dem Ukraine-Krieg zusammen, dass eben die Vermittler auf dem Jobcenter sehr überlastet waren", sagt sie.
Dadurch habe die Zeit gefehlt, sich um Menschen zu kümmern, die schwer in den Arbeitsmarkt zurückkommen können: zum Beispiel Alleinerziehende, Menschen mit Vorerkrankungen oder Arbeitslose höheren Alters. Ende des vergangenen Jahres hat deshalb ein Sozialkaufhaus in Rottenburg (Kreis Tübingen) dicht gemacht.
Deutlich mehr Kunden - vor allem für Lebensmittel
Der Diakonieverbund Erlacher Höhe betreibt in Baden-Württemberg elf Sozialkaufhäuser. In vielen davon stehen neben Möbeln und Kleidung auch Lebensmittel zum Verkauf. Dadurch verzeichnen die Einrichtungen einen noch deutlicheren Kundenanstieg als Häuser, die ausschließlich auf Gebrauchtes ausgerichtet sind. 47 Prozent mehr Menschen kaufen dort aktuell mehr ein als noch im Januar 2022.
Neben der Anzahl der Kunden und den Vermittlungen durch die Jobcenter spielen Sachspenden noch eine wichtige Rolle für den wirtschaftlichen Erfolg von Sozialkaufhäusern. Auch diese sind auf einem hohen Niveau. Wenn es um die Ursache von finanziellen Schwierigkeiten geht, bleiben vor allem fehlende Vermittlungen durch die Jobcenter.
Zusammenarbeit mit Jobcentern regional sehr unterschiedlich
Jobcenter, die sich um die Menschen vor Ort gezielt kümmern sollen, haben in jedem Landkreis eine eigene Struktur. "Da werden verschiedene Schwerpunkte gesetzt. Deswegen ist das eine Situation, die mancherorts sehr gut ist und an anderen Stellen nicht ganz so gut", sagt Wolfgang Sartorius von der Erlacher Höhe.
"Die Jobcenter entscheiden in eigener Zuständigkeit über den Einsatz von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen", so ein Sprecher des baden-württembergischen Wirtschaftsministerium gegenüber dem SWR. Auffällig in der Rückmeldung: Im ersten Halbjahr 2024 lag die Zahl der vermittelten Arbeitsgelegeneiten an geeignete Einrichtungen und Unternehmen im Land schon höher als im gesamten Jahr 2023. Wie viele davon speziell an Sozialkaufhäuser vermittelt wurden, werde jedoch nicht erfasst.
Situation entspannt sich auch in Reutlingen
Dass die Zahl der Vermittlungen wieder steigt, merkt auch Claudia Huber im Reutlinger Gebrauchtwarenhaus. "Aufgrund meiner Hartnäckigkeit und meines sehr netten Ansprechpartners haben wir das dann wieder hinbekommen und bekamen dann zum Ende letzten Jahres wieder viele Zuweisungen", sagt sie.
Für die Träger von Sozialkaufhäusern lohnt es sich also, gute Kontakte zu den Jobcentern zu pflegen, wenn sie weiter bestehen wollen. Allerdings blicken Verantwortliche wie Claudia Huber und Wolfgang Sartorius schon skeptisch auf die nächsten Wahlen und Haushaltsverhandlungen. Zu oft hätten sie schon erlebt, dass bei den Ärmsten gespart wird, wenn das Geld eng sitzt.