Medizinstudierende der Uni Tübingen haben in der Tübinger Stiftskirche eine Aussegnungsfeier organisiert - für die Menschen, die ihre Körper nach dem Tod der Wissenschaft spenden. Sie sind dabei auf ihre Angehörigen und potentielle Spenderinnen und Spender getroffen.
Medizinstudentin Satine Buckenmaier übt noch ein letztes Mal - sie schwingt ihre Hände rhythmisch, als gäbe es einen Takt in ihrem Kopf. Jeder Ton muss sitzen, schließlich geht es hier um was. Dann geht's los: Sie tritt vor den Chor und das Orchester und beginnt, zu dirigieren. In der großen Stiftskirche hallt es laut, die Stimmung ist andächtig. Im Publikum weinen manche, irgendwo liegen sich zwei Frauen in den Armen.
Studenten haben mit Körperteilen in der Anatomie geforscht
Sie alle sind auf einer Aussegnungsfeier für Verstorbene, die ihren Körper dem Anatomischen Institut in Tübingen gespendet haben. Medizinstudierende konnten in den letzten Monaten lernen, wie die Anatomie des Menschen funktioniert - und selbst mit Skalpell und Handschuhen üben. Jetzt nehmen die Studierenden Abschied. Und Satine Buckenmaier ist eine von denen, die die Feier in der Stiftskirche musikalisch leiten.
"Jetzt am Ende bei der Aussegnungsfeier ist es schön, noch einmal dem Menschen zu gedenken und die Körperspender nicht mehr nur sachlich zu sehen. Dass wir wirklich einen Fokus auf den Menschen legen", sagt die junge Frau.
Warum entscheiden sich Menschen für die Körperspende?
Nach der Feier gehen viele an den Tisch, auf dem die Kerzen für die Verstorbenen stehen. Eine unter ihnen ist Elisabeth Fahr. Sie faltet ihre Hände, als sie an den Altar geht. Fahr nimmt sich Zeit für einen kurzen Moment der Stille. Später sagt sie:
Elisabeth Fahr will selbst einmal Körperspenderin beim Anatomischen Institut in Tübingen werden. Sie will der Wissenschaft etwas zurückzugeben. In ihrem Leben habe sie viel mit Ärztinnen und Ärzten zu tun gehabt - und viele positive Erfahrungen gemacht. Wenn sie von ihrer Entscheidung spricht, lächelt sie. Sie ist sich ganz sicher, sagt sie.
Auch die Studierenden wurden mit der Zeit lockerer
An einem Leichnahm zu arbeiten, war für die Studierenden anfangs nicht einfach. Sebastian Voget kann sich noch genau daran erinnern, wie die erste Begegnung mit einer Leiche war: "Es ist am Anfang sehr befremdlich. Man arbeitet sich ja von außen nach innen vor", erzählt Sebastian. Mit der Zeit gewinne man aber eine professionelle Distanz - und Lockerheit.
"Natürlich wird auch mal was durchgeschnitten, was nicht durchgeschnitten werden soll und das wird dann schon auf die lockere Schulter genommen", erzählt er. Die Studierenden hätten auch viel Spaß bei der Arbeit gehabt, weil sie zusammen gearbeitet hätten.
Anghörige und Studierende treffen zum ersten Mal aufeinander
Und trotzdem: Die Aussegnungsfeier hat die Studierenden nochmal zum Nachdenken gebracht. Denn hier treffen sie das erste Mal auf die Angehörigen der Spenderinnen und Spender, kommen ins Gespräch. Beim gemeinsamen Kaffee trinken im Tübinger Gemeindehaus Lamm setzen sich Studierende und Angehörige an einen Tisch. Die Stimmung ist gut, hier und da wird gelacht.
Jürgen Henning sitzt mit seiner Familie an einem Tisch mitten im Raum und trinkt Kaffee. Der Vater des 55-Jährigen war Körperspender. Über die Aussegnungsfeier verliert er nur positive Worte: "Ich war über die ganze Zeit sehr gerührt und oft den Tränen nah, muss ich echt sagen. Diese ganze Geschichte war absolut gelungen." Für ihn sei es kein Problem, dass sein Vater nach dem Tod erst einmal nicht bestattet werden konnte. "Die Verstorbenen sind immer im Herzen. Wo ihr Körper ist, ist für mich einerlei." Ihm sei es vor allem wichtig gewesen, von seinem Vater am Sterbebett Abschied zu nehmen. Er ist sich sicher: "Wenn meine Zeit gekommen ist, werde ich auch Körperspender." Damit ist er in dieser Runde nicht der Einzige.