"Langer Entenschiss" und "Nacket's Luisle"

Große Backkunst und Spielglück: Mutscheln in Reutlingen

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Autor/in
Leon Spachmann
Leon Spachmann ist Reporter beim SWR im Studio Tübingen für Social Media, Online und Hörfunk.

Immer am Donnerstag nach Dreikönig geht es in Reutlingen hoch her: Am Mutscheltag wird gemutschelt, also um die Mutscheln gewürfelt. Ein Gebäck mit uralter Tradition.

Beim Mutscheln geht es immer um eines - die Mutschel. Das ist ein goldgelbes Gebäck in Sternform mit acht Zacken, um das die Reutlinger würfeln. Zuvor müssen die Mutscheln natürlich gebacken werden. Bei den Bäckereien herrscht um den Mutscheltag Hochbetrieb.

In der Reutlinger Bäckerei Berger kommt eine Mutschel nach der anderen aus dem Ofen. Um die 5.000 davon gehen allein am Mutscheltag über die Theke, so Bäckereichef Hubert Berger. Dafür schuften alle schon ab 3 Uhr morgens. Angeboten werden die Mutscheln in verschiedenen Größen. Von der kleinen, handtellergroßen Mutschel bis zur großen ist alles dabei. Die großen Mutscheln können bei der Bäckerei Berger bis zu einem halben Meter Durchmesser haben und sind reich verziert, zum Beispiel mit einer kleinen Brezel in der Mitte der Mutschel und mit verschiedenen Zöpfen.

Man sieht ein Gebäck, das aussieht wie ein Stern. Es ist mit einem Kranz verziert und ganz oben in der Mitte ist eine kleine Brezel drauf.
Die größte Mutschel der Bäckerei Berger aus Reutlingen besteht aus einem Kilo Teig und ist aufwändig verziert.

Das Formen und Verzieren der Mutscheln ist echtes Handwerk, sagt Berger. Bis man das perfekt kann, dauere es schon mal mehrere Wochen oder Monate. Fürs Backen der Mutscheln gibt es bei dem Reutlinger Bäcker strenge Vorgaben: Sie müssen eine schöne, goldgelbe Farbe bekommen und sollten glänzen. Außerdem müssen sie durchgebacken sein, aber dürfen auch nicht zu trocken werden.

Die Bäckereien in Reutlingen und Umgebung verkaufen das Gebäck immer um den Dreikönigstag herum, manche sogar das ganze Jahr über. Davon hält Hubert Berger aber nichts. Für ihn ist das Mutscheln etwas Besonderes. Deswegen gibt es die Mutschel bei ihm nur bis Mitte Februar.

Bäckerin formt Mutscheln und legt sie auf ein Backblech
In der Bäckerei Berger in der Reutlinger Innenstadt werden am Mutscheltag von morgens bis abends Mutscheln gebacken.

Das Mutscheln: Würfeln um das leckere Gebäck

Fürs gemeinsame Mutscheln treffen sich die Reutlinger in Gaststätten, Cafés und Vereinsheimen. Es würfeln aber auch immer mehr Familien in ihren Wohnzimmern um die oft kunstvoll verzierten Sterne. Dabei kann es hoch hergehen. Die Spiele haben entsprechend schräge Namen: "Langer Entenschiss", "Der Wächter bläst vom Turm" oder das klassische Mutschelspiel "Nacket's Luisle". Bei dem Spiel "Sieben frisst" muss man sogar Winterklamotten anziehen, inklusive Handschuhe, und so dann Wurstsalat essen.

Übrigens: Laut Bäckermeister Berger kann man am Mutschelabend auch Mäxle spielen, obwohl es streng genommen kein klassisches Mutschelspiel ist.

Zum Besuch beim Mutscheln in Reutlingen: Hier wird in geselliger Runde um die Mutschel gewürfelt.
Beim Spiel "Der Wächter bläst vom Turm" wird der Würfel auf den Becherrand gelegt und dann heruntergeblasen.

Das macht die Reutlinger Mutschel aus

Was die Zubereitung angeht, gibt es in Reutlingen oft Debatten. Ist die Mutschel ein Mürbegebäck? Oder ein Hefeteig? Irgendwie stimmt beides, sagt Bäckermeister Berger. Denn: Die Mutschel ist ein mürbes Hefegebäck. "Mürb" heißt hier nur, dass man sie mit Milch und Fett, also mit Butter, herstellt - mit einem klassischen "Mürbeteig" hat sie nichts zu tun. Geflochten wird sie nicht als Zopf, sondern in Sternform. In Reutlingen hat die Mutschel acht Zacken.

Im Reutlinger Café Sommer ist am Donnerstag an fast allen Tischen gemutschelt worden:

So hat der SWR über das Mutschel-Backen berichtet:

Auch in anderen Gemeinden wird gewürfelt

Würfelspiele um den Dreikönigstag herum haben auch in anderen Gemeinden Tradition. In der Reutlinger Nachbargemeinde Pfullingen zum Beispiel hat das Gebäck nur sieben Zacken und wird nicht Mutschel, sondern "Sternpaschen" genannt. Warum es diesen kleinen, aber feinen Unterschied gibt, ist unklar. Gewürfelt wird in Pfullingen übrigens nicht am Donnerstag nach Dreikönig, sondern am Abend vor dem Dreikönigstag, also dem 5. Januar.

In Münsingen spielt man ebenfalls am 5. Januar um das "Hirschhörnle". Die Hörnle sollen ein Geweih von einem Hirsch darstellen. Der Brauch ist in Münsingen, anders als der Mutscheltag in Reutlingen, noch relativ jung - die Idee ist aber sehr ähnlich. Gebacken werden die Hirschhörnle nur in Münsingen und auch nur am 5. Januar.

Das Mutschel-Rezept aus Kaffee oder Tee zum Nachlesen:

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