Nach der tödlichen Messerattacke im "Alten Botanischen Garten" in Tübingen und den schnellen Äußerungen von Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne, Parteimitgliedschaft ruht) rudert der OB zumindest teilweise zurück. Dem SWR sagte Palmer, dass er es bedauere, der Trauerphase zu wenig Raum gegeben zu haben. Drei Tage später, meinte er, hätte die Debatte besser und konstruktiver verlaufen können. Die evangelische Dekanin habe ihn darauf hingewiesen, das sei nicht richtig gewesen. Das nehme er sich zu Herzen.
Palmer hatte direkt nach dem Tod eines jungen Gambiers in einem Post auf Facebook vermutet, dass das Delikt im Zusammenhang mit Drogenhandel stehe. Die Polizei bestätigte später, dass der mutmaßliche Täter und das Opfer den Beamten in Zusammenhang mit Drogen bekannt gewesen seien. Es gab aber viel Kritik an Palmers schnellen Äußerungen über das Opfer.
Im Grundsatz hält Palmer an seiner Meinung fest
Grundsätzlich bleibt Palmer aber bei seiner Meinung, dass die Drogenszene in dem Tübinger Park eine Ursache der Messerattacke war. Viele Menschen in Tübingen würden sich fragen, wie es dazu kommen könne, dass am hellichten Tage in der Stadt ein Mensch getötet werde. "Haben wir davor genügend dagegen getan? Haben wir hingeschaut?", fragte Palmer. Diese Fragen seien genauso wichtig wie Trauer.
Zustimmung von der Landes-CDU
Daher wird sich nun auch der Gemeinderat mit der Tat und Palmers Reaktion beschäftigen. Mehrere Verbände und Tübinger Fraktionsvertreter hatten den Oberbürgermeiste für dessen Äußerungen scharf kritisiert. Zustimmung kam dagegen von CDU-Landesfraktionschef Manuel Hagel. Boris Palmer, schreibt Hagel, werde dafür in die rechte Ecke gestellt, dass er einen unhaltbaren Zustand anspreche. Man brauche aber eine Debatte, um Probleme zu sehen und zu lösen.
CDU-Stadtverband kritisiert Palmer
Inzwischen gibt es weitere politische Forderungen: Der CDU-Stadtverband Tübingen fordert ein Waffenverbot in dem Tübinger Park zu prüfen. Die Christdemokraten kritisieren zwar Palmer für seine Reaktion in den Sozialen Medien, die voreilig und unangemessen und eines Stadtoberhaupts unwürdig sei. Die Tübinger CDU meint aber auch, dass das Sicherheitsgefühl in der Stadt mit der Tötung am hellichten Tag gekippt sei. Eine Waffenverbotszone wie in Stuttgart, die Messer mit mehr als vier Zentimetern Klingenlänge mit einschließen würde, könnte helfen, meint die Fraktion.
Palmer selbst sprach öffentlich von Plänen, den Park künftig mit Videokameras zu überwachen. Vermutlich wird auch das in der Gemeinderatssitzung am Donnerstag eine Rolle spielen.
Gedenkveranstaltung ohne politische Äußerungen
Rund 300 Menschen gedachten am Mittwochabend des Opfers der tödlichen Messerattacke im Alten Botanischen Garten. Politische Äußerungen blieben bei der bewegenden Gedenkfeier bewusst außen vor. Am Ort der Tat, an dem Menschen Blumen, Briefe und Kerzen abgelegt hatten, wurde an den 23-jährigen erinnert.
Weggefährten, Freunde, Vertreter von verschiedenen Vereinen und viele Tübinger Bürger nahmen so Abschied. Nach der Gedenkfeier folgte ein Schweigemarsch zu einem benachbarten Andachtsraum, in dem im privaten Rahmen eine muslimische Trauerzeremonie abgehalten wurde. Zur aufgeheizten politischen Diskussion wollen die Organisatoren der Gedenkfeier am Samstag bei einer Kundgebung in Tübingen Stellung beziehen.
Offener Brief wirft Palmer Rassismus vor
Mehrere hundert Menschen haben einen Offenen Brief zum Tod des jungen Mannes unterschrieben. Sie zeigen sich erschüttert über die Tat und bekunden ihr Mitgefühl für Freunde und Verwandte des Opfers. Außerdem wird in dem Brief OB Palmer seine Reaktion auf den Tod des jungen Mannes vorgeworfen. Er habe sich dabei rassistischer Vorurteile bedient, Ressentiments gegenüber Geflüchteten verstärkt und zur Spaltung der Stadtgesellschaft beigetragen. In dem Offenen Brief wird Palmer aufgefordert, sich bei den Verwandten und dem Freundeskreis des Opfers zu entschuldigen.