Als ihr Mann sie zu einem Konzert einlud, hatte Melanie Vedovelli eine Überraschung erwartet. "Ich wusste gar nicht, was ich anziehen sollte", gesteht sie. Ihr Mann hatte sie aber gewarnt: Sie solle lieber eine Fleecejacke und Funktionshose anziehen, anstelle von Pumps und Abendrobe. Es würde in den Wald gehen.
Nun stehen sie mit zehn anderen Teilnehmern und Förster Matthias Riedmann, voller Erwartungen, am Rand des Schönbuchs. Denn Riedmann hatte eine Entdeckungs-Tour angeboten unter dem Motto "Open-Air Froschkonzert – Sie sitzen in der ersten Reihe". Als Höhepunkt der Tour verspricht der Förster einen großen Weiher mit zahlreichen Seerosen und Hunderten von Fröschen. Außerdem einen beeindruckenden Frosch-Gesang, der bis tief in den Wald zu hören ist. Doch der Förster warnt: Es könnte sein, dass die Protagonisten heute nicht so motiviert sind. Es ist ziemlich kalt. "Dann feuern wir sie eben an mit eigenen Quaklauten oder schwäbischen Sprüchen wie 'Mach schon'", schlagen die Teilnehmer vor.
Das Schaichtal: Ein Paradies für Amphibien
Auf E-Bikes geht es weit hinein ins Schaichtal. Die Tour ist acht Kilometer lang mit kurzen Zwischenstopps. Auch für die teilnehmenden Kinder kein Problem. Die Schaich fließt hier unberührt und frei, schlängelt sich durch das Tal nach eigenem Willen. Ein idealer Ort, um geschützte Amphibien wie Frösche und Molche zu entdecken.
Plötzlich ein Platschen im hohen Gras. "Ich hab' einen!", ruft Matthias Riedmann. Einige Radfahrer sind noch nicht einmal vom Fahrrad gestiegen, da steht der Förster schon freudig am ersten Tümpel und zieht den Kescher heraus. Darin: Eine der stark gefährdeten Gelbbauchunken. Schnell wird sie in ein Glas gesetzt. Der zappelnde Gelbbauchunken-Mann wird behutsam herumgereicht. Ein Teilnehmer entdeckt die herzförmigen Augen. Wie zwei schwarze Knöpfe starren sie aus dem Glas. Der Bauch ist in Grau, Schwarz und Gelb marmoriert. "An den etwas dickeren Händen erkennt man, dass es ein Männchen ist", erklärt Riedmann. So können sie sich besser an den Weibchen festhalten während der Paarung. Eine Teilnehmerin schwärmt: "Oh, das war so herzerwärmend, so schön, dieses Tier einmal aus der Nähe zu sehen."
Artenvielfalt entlang der Radstrecke zum Froschkonzert
Weiter geht die Tour zu einer Orchideenwiese. Auch Orchideen stehen unter Artenschutz. Der Trupp stapft ins hohe Gras. Riedmann wedelt mit den Händen ums Gesicht. "Ja, die Mücken sind zwar auch wichtig als Futterbeute für andere Tiere, aber jetzt nerven sie schon." Melanie Vedovelli packt ihr Anti-Mückenspray aus und verteilt es auf den Händen ihres Mannes. Andere ziehen die Reißverschlüsse bis zum Hals zu. Ein Teilnehmer präsentiert seine blanken Beine den Blutsaugern, er hat eine kurze Hose an und schimpft: "Wie konnte ich nicht daran denken!"
Riedmann lenkt die Aufmerksamkeit wieder auf sich: "Wenn wir nicht dafür sorgen würden, dass die Wiesen erst nach der Blüte gemäht werden, würde es diese Orchideen gar nicht geben". Auf Futterwiesen sind sie aus diesem Grund kaum zu finden. Pflücken ist natürlich auch verboten.
Mit der Zeit nähert sich die Gruppe dem Ziel. Zwischendurch fängt Riedmann am Wegesrand noch hier eine Libellenlarve und dort eine Kaulquappe. Ein Mann erzählt: "Libellen leben rund zwei Jahre im Wasser als Larve, als fertige Libelle sterben sie schon nach zwei Wochen."
Froschkonzert wird zur Bibershow
Mit einem Stopp nach rund acht Kilometern sind sie am Ziel angelangt. "Hier hinter dem Gebüsch verbirgt sich der große Teich", sagt Riedmann. Die Gruppe schleicht zu einer Bank. Vor ihren Augen erstreckt sich ein malerischer See mit unzähligen Seerosen, wie versprochen.
Plötzlich flüstert der Förster: "Schaut mal dort drüben! " Riedmann greift zum Fernglas, und gespannt blicken alle auf ein kleine Insel im Wasser. Etwas bewegt sich – ein Biber! Die Kinder sind begeistert, als der Biber langsam ans Ufer schwimmt und herauskommt. Melanie Vedovelli kann ihr Glück kaum fassen und hält alles mit ihrem Handy fest: "Ja, das ist definitiv ein Biber. Ich habe ihn hier auf dem Bildschirm, wie er am Ufer sitzt und etwas knabbert." Dann verschwindet er so schnell, wie er aufgetaucht ist.
"Das war viel spannender als ein Froschkonzert!", ruft eines der Mädchen begeistert. Ach ja! Was ist eigentlich mit dem Froschkonzert? Frösche sind keine zu hören, nur Vogelgezwitscher. "Ich war schon einmal auf einer Tour hier im Schönbuch, um Brunftgesänge zu hören, und wissen Sie, wie es endete? Keine Gesänge!", erzählt ein Teilnehmer. "Nun ja, Tiere sind eben unberechenbar. Aber zumindest kennen Sie jetzt den Ort und können jederzeit alleine wiederkommen", erwidert Riedmann.
Mai und Juni gelten als die besten Monate, besonders wenn es warm ist. Dann quaken die Teichfrösche. "Schauen Sie, da hinten sitzt ein Reiher", sagt Riedmann und deutet auf die andere Seite des Sees. "Das könnte der Grund sein, warum die Frösche hier verstummt sind. Reihern und Ringelnattern sind Frösche eine Delikatesse. Sobald sie auftauchen, verstummen die Frösche. Aus diesem Grund stehen sie unter Artenschutz, da sie eine wichtige Nahrungsquelle für andere Tiere darstellen."
Alle werden ganz still und lauschen noch ein letztes Mal. Plötzlich erklingt ein lautes "Quaaaaak". Immerhin ein Frosch lässt sich hören und rettet damit die Ehre auch seiner stummen Chormitglieder, scherzen die Teilnehmer.