Kanzler in Sindelfingen und im Nordschwarzwald

Olaf Scholz in BW: Zwischen Begeisterung und Protest

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Theresa Krampfl
Theresa Krampfl
Thomas Fritzmann
Thomas Fritzmann
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Matthias Breitinger

Der Bundeskanzler ist für zwei Tage erneut in Baden-Württemberg unterwegs. In Sindelfingen besuchte er eine Schule und das Mercedes-Benz-Werk. Zum Abschluss des ersten Tages gab es doch noch Protest.

Von Sindelfingen bis in den Nordschwarzwald: Zum zweiten Mal binnen einer Woche hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Baden-Württemberg bereist. Dabei wurde er weitgehend herzlich empfangen. Bei einem Schulbesuch in Sindelfingen (Kreis Böblingen) wurde Scholz von vielen Schülerinnen und Schülern mit "Olaf, Olaf"-Rufen begrüßt, als der Kanzler aus seinem Wagen stieg. Ein Passant rief so begeistert, dass Scholz ihn sogar zu einem Selfie zu sich bat.

Auch beim anschließenden Termin des Kanzlers im Werk des Autobauers Mercedes-Benz in Sindelfingen freuten sich die Mitarbeitenden über den Besuch. Erst am Nachmittag - beim letzten Termin des Regierungschefs an seinem ersten von zwei Besuchstagen in BW - war Scholz mit Demonstranten konfrontiert: Er besichtigte in Glatten (Kreis Freudenstadt) den Vakuumtechnik-Hersteller Schmalz, wo abseits des Firmengeländes Landwirte auf Hügeln lautstark mit Tröten protestierten.

Protestaktionen in Glatten weitgehend friedlich

Laut Polizei verlief die Demonstration in Glatten mit rund 100 Teilnehmern sowie ungefähr 30 Traktoren und 30 anderen Fahrzeugen größtenteils friedlich. Vereinzelt sei Pyrotechnik gezündet worden. Einzelne Demonstranten hätten versucht, näher an das Firmengelände zu kommen, hieß es. Die Demonstrierenden drückten ihren Unmut über die Politik der Ampelregierung aus und zeigten ihren Protest zum Beispiel mit Plakaten wie "Die Ampel muss weg". Die konnte Scholz aber gar nicht sehen - die Straße dazwischen war weiträumig abgesperrt.

Nach Angaben des Landratsamts Freudenstadt wollte der Veranstalter der Demo anonym bleiben. Angemeldet wurde eine "Meinungskundgebung aufgrund von Unzufriedenheit in der Bevölkerung".

Laut Polizei versammelten sich auf der Demo etwa 100 Teilnehmer mit 30 Traktoren.
Laut Polizei versammelten sich auf der Demo etwa 100 Teilnehmer mit 30 Traktoren.

Unternehmensbesichtigung mit Fragerunde

Im Showroom und der Fertigungshalle von Schmalz ging es derweil ruhig zu. Scholz besichtigte das Unternehmen, ließ sich die verschiedenen Produkte zeigen, dann deren Herstellung. Erst vor wenigen Tagen sei der Anruf aus dem Kanzleramt gekommen, dass Scholz kommen wolle und sich die Produkte von Schmalz anschauen möchte, sagte eine Unternehmenssprecherin.

Der Kanzler sprach außerdem mit Beschäftigten. Er ermunterte sie, ihm alle Fragen zu stellen, die ihnen auf dem Herzen lägen. Dabei ging es unter anderem um neueste Produktentwicklungen, aber auch um die schwächelnde Konjunktur und was die Bundesregierung dagegen tut.

Scholz: Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld denkbar

Im Gespräch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hielt sich der Kanzler offen, den Zugang zum Kurzarbeitergeld wieder zu erleichtern, falls sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland verschlechtern sollte. "Aktuell würde, glaube ich, auch von den Arbeitgebern und Gewerkschaften keiner sagen, wir sollen die Regeln ändern, weil das ja Geld der Beitragszahler ist, das da als Erstes ausgegeben wird", sagte Scholz. "Aber wenn die Krise schwieriger wird, machen wir das."

Der Zugang zum Kurzarbeitergeld war während der Corona-Pandemie und während der Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine erleichtert worden. Der Anteil der Beschäftigten, der von Arbeitsausfall betroffen sein muss, bevor Kurzarbeit greifen kann, war damals gesenkt worden - von mindestens einem Drittel auf mindestens zehn Prozent. Die Maßnahme lief Mitte 2023 aus.

SWR-Reporter Ingemar Körner über den Besuch des Kanzlers in Glatten:

Besuch im Sindelfinger Mercedes-Benz-Werk

Am Vormittag hatte Scholz zunächst die Gottlieb-Daimler-Schule in Sindelfingen besucht und anschließend einer Betriebsversammlung im Mercedes-Benz-Werk in Sindelfingen beigewohnt. Dort ging es vor allem um die Lage und Zukunft der Automobilindustrie in Deutschland und insbesondere Baden-Württemberg.

"Deutschland ist ein Land, in dem die Wirtschaft sehr daran hängt, dass wir erfolgreich sind beim Bauen von Automobilen", sagte Scholz. Mercedes-Benz sei mit der Geschichte des Landes und seiner Fähigkeit, Fahrzeuge zu produzieren und weltweit zu exportieren, unmittelbar verbunden. Auf Einladung des Mercedes-Betriebsrats sprach Scholz außerdem zu rund 15.000 Beschäftigten. Medien waren hierbei nicht zugelassen.

Perspektive für Leiharbeiter im Sindelfinger Mercedes-Werk

Der Betriebsratsvorsitzende Ergün Lümali betonte gegenüber dem SWR, dass gerade in Zeiten der Transformation ein enger Austausch zwischen der Arbeitnehmervertretung, Wirtschaft und Politik wichtig sei. Im Rahmen der Betriebsversammlung verkündete Lümali zudem, dass für 1.000 Leiharbeiter am Standort Sindelfingen eine Perspektive geschaffen wurde. "Rund 700 werden in die Festanstellung übernommen, die restlichen Arbeitsplätze werden verlängert", sagte er.

Beim Besuch der Teststrecke ließ Kanzler Scholz es sich nicht nehmen, selbst hinters Lenkrad des Autos zu steigen. "Ich möchte selbst fahren", sagte der Kanzler einer Ingenieurin, die ihn hätte fahren sollen. Auf der Rückbank nahm Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius Platz. Dass der Kanzler selbst ans Steuer wollte, nahm die Ingenieurin ihm nicht übel. "Ich habe mich immer gut und sicher gefühlt", sagte sie dem SWR. "Er ist sehr nahbar."

Stuttgart

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Scholz bleibt bei seiner Ablehnung von Taurus-Lieferungen

Bei der Podiumsdiskussion in der Gottlieb-Daimler-Schule holten Scholz wieder die bekannten Streitthemen ein. Die Schülerinnen und Schüler fragten etwa nach der Unterstützung für die Ukraine und die Lieferung von Waffensystemen. Scholz bekräftigte trotz aller Kritik auch aus seiner eigenen Koalition seine Entscheidung, keine Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine zu liefern. Deutschland müsse die Kontrolle über den Einsatz von Marschflugkörpern behalten.

"Es kann nicht sein, dass man ein Waffensystem liefert, das sehr weit reicht und dann nicht darüber nachdenkt, wie die Kontrolle über das Waffensystem stattfinden kann", erklärte der Kanzler. Um die Kontrolle zu gewährleisten, müssten deutsche Soldaten das Waffensystem bedienen. Damit sei eine Lieferung ausgeschlossen. "Ich bin der Kanzler und deshalb gilt das", sagte Scholz. Zu den abgehörten Gesprächen von hochrangigen Bundeswehr-Offizieren über Taurus äußerte sich Scholz nicht, er wurde in der Runde aber auch nicht danach gefragt.

Ich bin der Kanzler und deshalb gilt das.

Weiter betonte Scholz, dass Deutschland unabhängig davon große Militärunterstützung in der Ukraine leiste. "Das 'kleine Deutschland' erbringt hier nach den USA die zweitgrößte Leistung. Allein in diesem Jahr sind dafür sieben Milliarden Euro eingeplant", erklärte Scholz. Dies sei weitaus mehr als andere europäische Staaten liefern.

Kanzler Olaf Scholz in der Gottlieb-Daimler-Schule in Sindelfingen
Selfie mit dem Bundeskanzler. Olaf Scholz sucht das Gespräch mit den Schülern. Viele sind davor an einem Foto interessiert. Bild in Detailansicht öffnen
Kanzler Olaf Scholz in der Gottlieb-Daimler-Schule in Sindelfingen
Strenge Sicherheitsmaßnahmen rund um den Kanzler-Besuch: Die Polizei hat neben einer Drohne auch Polizeihunde im Einsatz. Bild in Detailansicht öffnen
Kanzler Olaf Scholz bei einer Podiumsdiskussion in der Gottlieb-Daimler-Schule in Sindelfingen
Podiumsdiskussion in der Gottlieb-Daimler-Schule in Sindelfingen: Bundeskanzler Olaf Scholz beantwortet dabei Fragen zum Beispiel zu Themen wie Migration, Europa und einem möglichen AfD-Verbot. Bild in Detailansicht öffnen
Kanzler Olaf Scholz in der Gottlieb-Daimler-Schule in Sindelfingen
Bei dem Besuch in der Schule geht es auch um die aktuelle Politik. Kanzler Scholz hat seine Entscheidung, keine Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine zu liefern, bekräftigt. Wörtlich sagte er: "Ich bin der Kanzler und deshalb gilt das." Bild in Detailansicht öffnen

AfD-Verbot: Bundeskanzler Scholz mahnt zu Zivilcourage

Auch ein mögliches Verbot der AfD wurde in Sindelfingen diskutiert. Eine Schülerin fragte, weshalb die Artikel 18 und 21 des Grundgesetzes nicht angewandt würden, um die Partei zu verbieten. Diese Artikel regulieren den Missbrauch von Freiheitsrechten und ein mögliches Parteiverbot.

"Eine Partei in Deutschland zu verbieten, ist mit sehr hohen Hürden verbunden", erklärte Scholz. Es sei wichtig, das Verbot bereits vor einem Antrag tiefgehend zu prüfen. "Wenn der Antrag gestellt wird, müssen wir uns recht sicher sein, dass das auch klappt." Dennoch müsse das Verbot einer Partei das letzte Mittel bleiben.

"Was wir Bürgerinnen und Bürger tun müssen ist, zur Wahl zu gehen und andere Parteien zu wählen", sagte der Bundeskanzler in der Schule. Es brauche jedoch auch mehr Zivilcourage im Alltag. "Am Stammtisch, beim Arbeitsplatz oder wie hier in der Berufsschule, müssen Bürgerinnen und Bürger, Menschen die diese Ansichten vertreten, widersprechen", sagte er.

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Nach Demonstrationen gegen Rechtsextremismus Landtagsdebatte: Grünen-Fraktionschef fordert Verbot der Jungen Alternative

Nach Massendemonstrationen gegen Rechtsextremismus hat der Landtag von Baden-Württemberg über die Lage der Demokratie debattiert. Grünen-Fraktionschef Schwarz sprach sich für ein Verbot der Jungen Alternative aus.

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Scholz: Keine Rückkehr zur Kernenergie

Eine Absage erteilte Scholz Forderungen zu einem Wiedereinstieg Deutschlands in die Kernenergie. "Wenn sich jetzt jemand entscheidet, ein Kernkraftwerk zu bauen, ist das nach den gegenwärtigen Bauzeiten in 15 bis 20 Jahren fertig. Da müssen wir alle unsere Probleme längst gelöst haben", sagte Scholz. Der Strom, der aus solchen Kraftwerken komme, koste ein Vielfaches von dem, was Strom aus Windkraft, Sonnenenergie oder anderen Quellen koste, so Scholz. Zudem seien die Uranvorräte endlich. "Wenn man in zwanzig Jahren rückwärts guckt, wer die billigere und effizientere Entscheidung zur Stromproduktion getroffen hat, dann wird das unser Land sein", prognostizierte der Kanzler. 

Vor der Podiumsdiskussion stellten Schüler dem Bundeskanzler Europa-Projekte vor, die sie selbst erarbeitet hatten. Eine Sprecherin der Gottlieb-Daimler-Schule betonte, dass die Fragen in der Podiumsdiskussion nicht im Voraus an das Kanzleramt übergeben worden seien.

Große Sicherheitsvorkehrungen in Sindelfingen

Schon vor dem Besuch mussten sich die Schülerinnen und Schüler einer Sicherheitskontrolle durch eine private Sicherheitsfirma unterziehen und wurden abgetastet. Die Eingänge wurden von Dutzenden Sicherheitskräften bewacht. Unter anderem setzte die Polizei eine Drohne ein, um die Lage zu überblicken und möglichen Gefahren schnell zu entdecken.

Die Polizei teilte am Mittag mit, dass die Lage in Sindelfingen völlig ruhig gewesen sei. "Wir haben keinerlei Protestaktionen festgestellt", sagte eine Sprecherin. Man sei sehr zufrieden damit, wie der Großeinsatz in der Stadt bislang verlaufen sei.

SWR-Reporterin Laura Cloppenburg beschreibt die Situation an der Schule vor dem Kanzlerbesuch:

Bundeskanzler am Dienstag bei Möbelhersteller in Nagold

Am Dienstag setzt Olaf Scholz seinen Besuch in Baden-Württemberg fort. Gleich am Morgen will er den Möbel- und Baubeschlägehersteller Häfele in Nagold (Kreis Calw) besuchen. Er möchte sich die Produkte ansehen und sich mit Beschäftigten sowie mit dem Betriebsrat austauschen.

Nach dem Termin bei Häfele kommt Scholz in die Seminarturnhalle in Nagold. Dort soll auf Einladung der SPD-Kreisverbände Calw und Freudenstadt ein Bürgerdialog zum Motto "Miteinander - ins Gespräch kommen, im Gespräch bleiben!" stattfinden. Auch die SPD-Bundesvorsitzende und Wahlkreisabgeordnete von Calw/Freudenstadt, Saskia Esken, wird dabei sein. Bei der Veranstaltung stellen sich Scholz und Esken den Fragen von rund 200 Besuchern.

Demo rund um Bürgerdialog in Nagold angemeldet

Zu diesem Termin hat der Bauernverband eine Versammlung angemeldet. Die Landwirte wollen nach eigenen Angaben im Sichtfeld des Veranstaltungsorts mit Bannern und Schleppern auf sich aufmerksam machen. Wie viele Leute es werden, konnte Silvia Ewers vom Bauernverband Nordschwarzwald-Gäu-Enz vor dem Wochenende noch nicht beantworten.

Erwartet werden laut Stadtverwaltung zwischen 50 und 100 Menschen. Die Polizei sei auch auf unangemeldete Protestaktionen eingestellt, sagte eine Sprecherin. Die Polizei wird während des Kanzlerbesuchs mit Hubschraubern, Drohnen und Reitern im Einsatz sein. Es kann sein, dass es dadurch zu Verkehrsbehinderungen kommt.

Letzte Station: Kommando Spezialkräfte in Calw

Nach dem Bürgerdialog fährt Scholz weiter nach Calw, um dort das Kommando Spezialkräfte (KSK) zu besuchen. Das stand in der Vergangenheit wegen rechtsextremistischer Vorfälle in der Kritik. Bei dem Besuch von Scholz soll es laut KSK unter anderem um die sicherheitspolitische Situation und die Zusammenarbeit zwischen KSK und NATO gehen. Scholz soll dabei sowohl mit der Leitung als auch mit Soldatinnen und Soldaten in Austausch kommen.

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