Spekulanten keine Chance geben

Agentur aus Tübingen will helfen, Wohnungen gerecht zu verkaufen

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Leon Spachmann
Leon Spachmann ist Reporter beim SWR im Studio Tübingen für Social Media, Online und Hörfunk.

Bezahlbare Wohnungen sind Mangelware - auch, weil Häuser oft an Unternehmen verkauft werden, die dort dann teure Wohnungen bauen. Eine Tübinger Agentur will das verhindern.

Auf dem Wohnungsmarkt in Tübingen läuft etwas schief - da sind sich Annette Guthy und Markus Buckenmayer einig. Familien, Studierende, Rentner: Vielen fehlt bezahlbarer Wohnraum. Damit es mehr bezahlbare Wohnungen gibt, haben sie zusammen mit vier Tübinger Unternehmen die "Gemeinwohlorientierte Immobilienagentur Tübingen" gegründet, kurz: GIMA.

Die Idee von GIMA: direkt auf die Menschen zugehen, die Häuser besitzen und verkaufen wollen. Und so soll dafür gesorgt werden, dass deren Häuser nicht bei Unternehmen landen, die damit ausschließlich Profit machen möchten - ein landesweit einzigartiges Projekt.

Sympathie statt Geld: GIMA aus Tübingen will aktiv auf Hauseigentümer zugehen

So könnte das zum Beispiel ablaufen, erzählt Guthy: Ein altes Ehepaar möchte ihre Immobilie verkaufen. Damit ließe sich vermutlich viel Geld machen. Die Eheleute kennen aber ihre Mieter, wohnen vielleicht sogar im selben Haus mit ihnen und möchten, dass diese auch weiterhin dort wohnen können - ohne hohe Anpassungen des Mietpreises.

Das Ehepaar könnte dann auf die GIMA zukommen und sich über einen sozialverträglichen Verkauf des Hauses informieren. Das sei erstmal ein unverbindliches Gesprächsangebot, sagt Markus Buckenmayer, Vorstand der Immobilienagentur.

Sie wollen, dass in Tübingen weniger bezahlbarer Wohnraum verschwindet: Annette Guthy und Markus Buckenmayer von GIMA. Sie blicken auf dem Bild auf ein Haus in der Südstadt, das teuer verkauft wurde.
Sie wollen, dass in Tübingen weniger bezahlbarer Wohnraum verschwindet: Annette Guthy und Markus Buckenmayer von GIMA.

Konkret heißt das: Die GIMA berät die Hausbesitzer, ob und wie ein Verkauf an eines der vier gemeinwohlorientierten Unternehmen, die hinter der GIMA stehen, in Frage kommt. Das sind die Dachgenossenschaft Wohnen, die nestbau AG, die Beginenstiftung und das Mietshäuser Syndikat. Deren Konzept: Sie bringen Häuser in ihren Besitz und entziehen sie so dem spekulativen Wohnungsmarkt.

Der Vorteil, für Annette Guthy: Eigentümer, Mieter und das Unternehmen fühlen sich durch die Vermittlung alle fair behandelt. Man gehe als Eigentümer also keinesfalls "leer" aus, selbst wenn die Angebote für ein Haus auf dem regulären Markt vermutlich höher ausfallen würden.

Haus in der Tübinger Südstadt: "Paradebeispiel", wie es nicht laufen sollte

Annette Guthy lebt auch zur Miete - zu fairen Preisen, wie sie sagt. Das ist aber nicht überall so. In der Südstadt zum Beispiel: Da sei vor vier Jahren ein Haus zum Kauf angeboten worden, kurz nach dem Tod der Eigentümerin. Das Mietshaus-Syndikat und die Dachgenossenschaft Wohnen hätten auch davon erfahren, sagt Guthy, aber erst, als das Haus schon auf dem Immobilienmarkt war. Zu spät - das Haus ging für 2,1 Millionen Euro an ein Unternehmen in Stuttgart. Das Unternehmen habe das Haus dann aufgeteilt und zügig weiterverkauft.

"Es muss eigentlich zu Mietsteigerungen gekommen sein", so Markus Buckenmayer. Er vermutet, dass es anders gekommen wäre, hätte sich die Eigentümerin vor ihrem Tod an eine Stelle wie die GIMA gewendet. Und Guthy ergänzt: "Es könnte auch zur Verdrängung von Mietern gekommen sein."

Wohnen ist nicht wie ein Besuch im Freizeitpark, wo man mal sagen kann: Das kann ich mir nicht leisten. Auf Wohnen kann ich nicht verzichten.

Das Haus mit dem Bäcker Fischer in der Südstadt in Tübingen. Nach dem Tod der Eigentümerin haben die Erben es für 2,1 Millionen Euro verkauft, sagt Guthy. Im linken Bildrand sieht man Annette Guthy stehen, in der Mitte sieht man das Haus mit Backsteinen und den Eingang zur Bäckerei Fischer.
Das Haus mit dem Bäcker Fischer in der Südstadt in Tübingen. Nach dem Tod der Eigentümerin haben die Erben es für 2,1 Millionen Euro verkauft, sagt Guthy.

So könnte ein GIMA-Haus aussehen: Das Vier-Häuser-Projekt in Tübingen

Wie Eigentümer nach Vorstellungen der GIMA ihr Haus gerecht verkaufen könnten, sieht man in der Südstadt. Dort gibt es das Vier-Häuser-Projekt. Es gehört zum Mietshäuser Syndikat, ein Verbund von knapp 200 Hausprojekten in ganz Deutschland.

Für Markus Buckenmayer ist das Vier-Häuser-Projekt ein Beispiel, wie ein GIMA-Haus später mal aussehen könnte. Mieter könnten sich zum Beispiel in einem Haus zusammentun und so ein Syndikats-Projekt gründen und es über eigenes Geld, aber auch über Direktkredite finanzieren. In solchen Projekten könne man für Tübinger Verhältnisse sehr günstig leben.

Wie viel kann die GIMA tatsächlich erreichen?

Bleibt die Frage, wie viel die GIMA tatsächlich bewirken kann, um ihr selbstgestecktes Ziel zu erreichen: ein Beitrag zur Entspannung auf dem Tübinger Wohnungsmarkt. Axel Burkhardt, Beauftragter der Stadt für Wohnraum und barrierefreies Bauen, kennt das Problem, dass es in Tübingen zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt: "Wir sind in Dimensionen angekommen, die sich viele Normalverdienende nicht mehr leisten können." Aber: Die Mehrzahl der Wohnungen, die vermietet werden, seien in privater Hand und nicht in der Hand von Unternehmen. Da könne die GIMA ansetzen.

"Es wird aber nicht so sein, dass da jetzt 50 Häuser pro Jahr den Besitzer wechseln", sagt Burkhardt. Aber er findet es gut, dass es jetzt für das Thema einen Ansprechpartner gebe.

Die Stadt bezuschusst die Gründung der GIMA mit 12.500 Euro. Ganz neu ist das Konzept nicht - in Städten wie München, Berlin oder Frankfurt gibt es solche Agenturen schon seit einigen Jahren. Landesweit sei die GIMA in Tübingen aber einzigartig, so Burkhardt. Das Modell läuft jetzt erstmal für ein Jahr - danach wird sich zeigen, wie erfolgreich es ist.

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