In der Tübinger Frauenklinik wird einer Patientin die Nachricht überbracht, dass sie Krebs hat. Oder junge Eltern stehen in der Frühgeborenen-Station vor dem Bettchen ihre Kindes und wissen nicht, ob es überlebt. Jahrelang waren das Einsatzgebiete für Beatrix Schubert von der Arbeitsgemeinschaft Seelsorge im Krankenhaus. In solchen Extremsituationen an der Seite der Betroffenen, der Eltern, der Angehörigen zu sein, darum kümmert sich die Arbeitsgemeinschaft seit 60 Jahren. Und das wurde in Stuttgart-Hohenheim am Montag gefeiert - mit einem Festakt, mit Vorträgen und Diskussionen.
Hilfe für schwerstkranke Kinder in Tübingen
Wenn Corinna Sehl in der Tübinger Kinderklinik im Einsatz ist, dann kümmert sich die Krankenhaus-Seelsorgerin um die unterschiedlichsten Sorgen und Nöte. Die eines gemeinsam haben: Es sind große Sorgen und Nöte. Zum Beispiel in der Abteilung für Kinder mit erkrankten oder geschädigten Nerven.
"Da kümmern wir uns um Kinder mit Nervenkrankheiten, also Rückenmark oder Epilepsien", berichtete Corinna Sehl im SWR-Interview. "Es sind oft Langzeit-Erkrankungen, oft schwerst behinderte Kinder und lange Klinik-Aufenthalte der Familien." Dort versucht sie, mit Gesprächen, manchmal auch nur durch Zuhören oder still da sitzen zu helfen.
"Einfach da sein, bei einem Menschen", sagte sie. Ebenso steht sie Eltern zur Seite, deren Nachwuchs schon kurz nach der Geburt operiert werden muss. "Da sind die Eltern oft auch viele Wochen in der Klinik."
Wenn die anderen überfordert sind
Wer im Seelsorge-Team arbeitet, ist selber in den Kliniken unterwegs, um zu gucken, wer Hilfe benötigen könnte. Oft würden sie aber auch vom medizinischen Team oder von Angehörigen gerufen, erklärte eine Seelsorgerin am Rande der Jubiläumsfeier in der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. "Oft werden wir gerufen, wenn bei einer plötzlichen Operation oder einer schweren Diagnose für die Eltern die Pflegenden im Krankenhaus überfordert sind", ergänzt Corinna Sehl.
Seelsorge im Reutlinger Palliativ-Team
Im Reutlinger Kreiskrankenhaus, dem Klinikum am Steinenberg, ist Hans-Jörg Hornstein als Seelsorger aktiv, in einem ökumenisch besetzten Vierer-Team, evangelisch-katholisch. Mindestens einer, erklärt Hornstein, ist immer in Bereitschaft, die ganze Woche, rund um die Uhr. Er betreut im Reutlinger Krankenhaus vorwiegend ältere Menschen. Auch für ihn ist das Zuhören, das einfach Da-Sein eine zentrale Aufgabe und Menschen ins Gespräch zu bringen, wo oft die Worte fehlen.
"Ich habe nicht den Auftrag, etwas zu vermitteln, also religiöse Inhalte, oder so!" stellt er klar. Trotzdem spielt der Glaube für ihn eine wichtige Rolle. Um das Leid, die Probleme zu verarbeiten, helfe ihm das Gebet, sagt er. Und auch die Menschen, um die er sich kümmert, würden immer wieder um ein Gebet oder einen Segen bitten. Im Ernstfall könne man ein Kind auch noch schnell taufen lassen.
Seelsorge auch in Reha-Kliniken von Bad Urach
Marianne Rathgeb gehört ebenfalls zu den Erfahrenen in der Arbeitsgemeinschaft Seelsorge im Krankenhaus. Ihr Arbeitsgebiet sind die Reha-Kliniken in Bad Urach (Kreis Reutlingen). Dort warten Herausforderungen, die man bei der Rehabilitation vielleicht nicht unbedingt erwartet. Marianne Rathgeb hat Menschen mit Selbsttötungsabsicht erlebt. Sie wurde gerufen, weil einem Patienten beigebracht werden musste, dass ein Verwandter verstorben ist.
Doch auch die alltäglichen Fälle haben es in sich. Etwa wenn Reha-Patienten erkennen müssen, dass sie nicht mehr Hause kommen werden, sondern ein Pflegeheim brauchen.
Motivation ist der Kontakt zu den Menschen
Wer beruflich in der katholischen Klinik-Seelsorge arbeiten will, braucht eine theologische Vorbildung, etwa ein Studium oder eine Ausbildung zum Diakon. Dann folgen fachbezogene Schulungen. Rund 80 Vollzeitstellen finanziere die Diözese Rottenburg-Stuttgart für die Kliniken in ihrem Bereich, sagte Beatrix Schubert von der Arbeitsgemeinschaft im SWR-Interview. Die würden sich knapp 120 Beschäftigte in der Seelsorge teilen.
Die Motivation, das wurde in allen Interviews deutlich, ziehen die Aktiven meist aus der Begegnung mit den betroffenen Menschen. Sie empfinden es als etwas besonderes, wenn sich Menschen in den Gesprächen öffnen, Vertrauen fassen, ein wenig seelisch geheilt werden und sich manchmal auch noch Jahre danach für den Beistand bedanken.