Der Prozess gegen TikToker Maurii Pastore wurde vorerst ausgesetzt. Es geht um den Konflikt zwischen Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit. Hat Pastore mit einem TikTok-Video den Freiburger Polizeipräsidenten und dessen Assistentin verunglimpft? Oder fällt das Video unter die Kunstfreiheit?
Das Verbot der üblen Nachrede
Gäbe es das Verbot der "üblen Nachrede" nicht, dann könnte jeder alles über jeden behaupten und im Nachsatz hinterherschieben, dass man es selbst nicht genau wisse – aber könnte ja sein! Deswegen wird wegen übler Nachrede bestraft, wer Tatsachen behauptet oder verbreitet, die nicht eindeutig wahr sind. Eine Tatsache ist von einer Meinung zu unterschieden, denn bei einer Tatsache geht es um Dinge, die wahr oder falsch sein können. Von einer Meinung spricht man dagegen, wenn ein Vorgang bewertet wird.
Dass man für üble Nachrede angeklagt werden kann, das hat gerade der TikToker Maurii Pastore erfahren. Am Mittwoch begann die Hauptverhandlung gegen ihn vor dem Strafrichter am Amtsgericht Waldkirch. Gegenstand des Verfahrens ist ein Video, in dem Pastore in verschiedene Rollen schlüpft. Er ist dabei witzig verkleidet mit extravaganten Perücken. Der Plot ist schnell erzählt: Drei Polizisten wundern sich, warum sie nicht befördert werden. Dann ist der Polizeipräsident zu sehen, und es wird angedeutet, dass seine frisch beförderte Referentin ihn gerade oral befriedigt.
Ist das noch Kunst?
Das Pikante: Als Ort des Geschehens ist das Polizeipräsidium Freiburg bezeichnet, die Namen der Personen im Video sind offensichtlich angelehnt an die Namen der realen Personen. Die Referentin, in Pastores Sketch ist von einer Sekretärin die Rede, wurde tatsächlich recht schnell befördert, wenn auch nicht ganz so schnell, wie in dem Video. Das, was früher nur ein behördeninternes Gerücht gewesen wäre, erreicht heute 1,5 Millionen Menschen auf TikTok, Instagram und YouTube. Allein auf TikTok haben weit über 90.000 User den Sketch mit einem Herzchen versehen. Beim Publikum kommt der Clip gut an.
Auf der anderen Seite stehen die Persönlichkeitsrechte des Polizeipräsidenten und seiner Referentin, die derlei Vorgänge bestreiten und nicht möchten, dass Gerüchte über eine sexuelle Beziehung und Bestechlichkeit verbreitet werden. Maurii Pastore will aber weiterhin mit seinen Sketchen Klicks und Aufmerksamkeit generieren und sieht sich durch das Strafverfahren in seiner Kunstfreiheit beeinträchtigt.
Prozess wurde verschoben Hat TikToker Maurii Pastore den Freiburger Polizeipräsidenten verunglimpft?
Der Prozess gegen TikTok-Star Maurii Pastore wird an einem anderen Tag fortgesetzt. Freiburgs Polizeipräsident sieht sich in einem Video von Pastore verunglimpft.
Strafrecht statt Zivilrecht
Die Besonderheit dieses Verfahrens ist, dass es vor dem Strafrichter stattfindet. Normalerweise wählen Geschädigte von Ehrdelikten wie Beleidigung und übler Nachrede eher den Weg vor die Zivilgerichte. Im Eilverfahren lässt sich so zunächst die ehrverletzende Aussage aus dem Internet entfernen. Der Fachanwalt für IT-Recht Chan-jo Jun erklärt: "Das Zivilverfahren ist effektiver, weil die Geschädigten die Verbreitung solcher Tatsachen untersagen lassen können. Es kostet die Geschädigten aber auch Geld, anders als eine Anzeige bei der Polizei."
Verteidiger setzt auf Kunstfreiheit
Maurii Pastore und sein Anwalt geben sich kämpferisch. Schon vor der Verhandlung machten sie klar, dass es ihnen um die Kunstfreiheit geht und dass sie notfalls bis nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht ziehen würden. Die grundrechtliche Gemengelage bietet tatsächlich einiges an Stoff: Würde sich Maurii Pastore auf die Pressefreiheit berufen, dann wäre er an die Regeln der sogenannten Verdachtsberichterstattung gebunden. Die Verdachtsberichterstattung erlaubt es, über Verdachtsfälle zu berichten, wenn dabei strenge Voraussetzungen erfüllt werden. So muss ein Verdacht als solcher gekennzeichnet sein, es müsste ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegen, die journalistische Sorgfalt muss eingehalten werden.
Aber Maurii Pastore sieht sich als Künstler, und beruft sich daher auf die Kunstfreiheit aus dem Grundgesetz. Gelten also die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung auch für Künster und Künstlerinnen, die in ihrer Kunst Tatsachenbehauptungen aufstellen? Bis jetzt gibt es solche Maßstäbe speziell für Kunstschaffende nicht, aber der Vergleich liegt zumindest nahe.
Feststeht, dass Satire als Kunstform nicht zu jeglicher Aussage berechtigt. Chan-jo Jun konkretisiert dies so: "Eine üble Nachrede bleibt eine üble Nachrede, auch wenn sie gemalt, gesungen oder geschauspielert wird." Für Maurii Pastore geht es jetzt in die Verlängerung: Der Prozess wurde wegen eines Befangenheitsantrags gegen die Richterin ausgesetzt, ein neuer Termin steht aus.